Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

malern reich illuminiert. Die 242 Papierblätter sind relativ dick, gelblich, waren ursprünglich oberflächlich geglättet (die Ober fläche erscheint jetzt rauh, die Textur aufgerissen), ihre Maße sind jeweils 245 x 193 mm. Jede Seite hat zwei Kolumnen, der Text ist in einer eher großen, regelmäßigen Rundschrift ge schrieben. Ein Großteil der Initialen wurde in roter Tinte aus geführt, die figürlichen Initialen und Kandornamente sind mit brauner Tinte mittels Feder gezeichnet. Neben den vier ganz seitigen Evangelisten-Bildern (Matthaeus fol. 5v, Marcus 75 v, Lucas 118 V, Johannes 187 v) gibt es auf nahezu allen Seiten kleinere Miniaturen; die Höhe der Bilder variiert von Blatt zu Blatt, in der Breite nehmen sie aber immer das gesamte Ausmaß des Textspiegels ein. Die Miniaturen sind in matten dunklen Farben ausgeführt, Gold wurde sehr wenig verwendet. Dadurch, daß sowohl das Bindemittel der Farbkörper als auch das Bindemittel des Papiers weitgehend abgebaut waren, haf tete die Pigmentschicht durchwegs nur mehr sehr lose an der Papierfaser. Große Teile der Pigmentschicht zeigten beim Umblättern die Tendenz wegzusplittern, Teilpartien waren bereits verlorengegangen, verschiedene Bilder bis zur Unkennt lichkeit zerstört (Abb. 77, 78). Der Codex trägt den in Armenien angefertigten Originaleinband. Die Holzdeckel sind mit schwar zem Schaf leder überzogen, das mit Blindlinien in orientalischer Manier unterteilt ist; die einzelnen Felder sind mit zwei einander abwechselnden Rundornamenten dekoriert. Für den Restaurator ergab sich vor Inangriffnahme der Instandsetzung das interessante, aber schwierige Problem, die tauglichen Bindemittel für Pigment und Papier zu finden; diese Aufgabe war aber erschwert durch das eindeutige Postulat der Historiker, wonach die Oberfläche der Farbschicht in ihrer für die Miniaturmalerei dieser Codices charakteristischen Mattigkeit unbedingt erhalten und allfällige Glanzbildung bei der Festigung auf jeden Fall vermieden werden müsse. Die Ergebnisse bisheriger Restaurierungen an solchen Bilder handschriften, wie sie an ausländischen Instituten nach dem Verfahren einer bestimmten ,,Lamination" durchgeführt werden, stimmten bedenklich. (Die Papierblätter werden mit den Miniaturen zwischen transparente synthetische Folien eingeschmolzen, dünnes Japanpapier wird auf diese Folien aufgeschmolzen, um sie zu mattieren. Papier und Pigment werden dadurch nur oberflächlich zusammengehalten, zu einem Kontakt zwischen diesen beiden Medien kommt es dabei nicht.) Zur Zurückhaltung mahnten ferner verschiedene Fälle, in denen auch großformatige Bilder in Temperatechnik durch Regenerierung mit Wachs- und Harzverbindimgen in ihrer Konsistenz wohl gefestigt worden waren, in ihrer opti schen Erscheinung aber ihre matte Wärme eingebüßt hatten. Die Historiker schlugen daher in unserem Falle vor, nm' das Papier zu konservieren und von einer Festigung der Miniaturen Abstand zu nehmen, sofern nicht ein absolut verläßliches Ver fahren zur Verfügung stünde, welches das ,,Timbre" des Temperaauftrages in keiner Weise gefährden würde. Im anderen Falle wollte man niu das Papier gefestigt sehen, auch auf die Gefahr hin, daß weitere Partikel aus der Pigmentschicht ver loren gehen könnten. Da nun einerseits eine Festigung des Papiers unter Umgehung der Miniaturen restauratorisch doch nur eine halbe Lösung gewesen wäre und da andererseits diese partielle Festigung technisch größere Schwierigkeiten nach sich gezogen hätte, wurde nichts unversucht gelassen, doch ein Festigungsmittel anzuwenden, welches allen Anforderungen entspräche. Zusätzlich zur Wahl des geeigneten Bindemittels ergab sich für den Restaurator technisch die Schwierigkeit, daß Teile der Farbscihicht auf dem Papier so lose auflagen, daß sie bei einer ersten Berührung mit einem Pinsel, auch beim Auf bringen von sehr dünnflüssigen Medien, verschoben worden wären. Bei Versuchen, diese Medien im Sprühverfahren mittels Spritzpistole oder Luftpinsel aufzutragen, genügte oft der Luftdruck, besonders bei den höher viskosen Lösungen, die einen Druck von 2-5 atü zum Versprühen benötigen, um kleinere Farbpartikel wegzuschleudern. Diese mechanische Schwierigkeit wurde so gelöst, daß mittels einer sehr dünnflüssigen Pergamentleimlösung unter Ver wendung von Alkohol als Vornetzer, der die Leimlösung besser durch die Kraquelüren der Farbschicht und durch das Fasergefüge des Papiers gleiten läßt, die Pigmentschicht mäßig vorflxiert wurde; sie war zumindest so weit stabilisiert, daß sie mit einem weiteren Mittel bestrichen oder besprüht werden konnte. Diese primäre Festigung wurde doch mittels Luft pinsels ausgeführt, allerdings senkrecht, aus großer Höhe und bei starker Verdünnung der Lösung, die nur etwa 1 atü Druck zur Beförderung benötigte; dieser Vorgang war also weniger ein Besprühen denn ein Berieseln, ein Verschieben der losen Farbpartikel konnte nach dem Antrocknen vermieden werden. Pergamentleim hinterläßt in solcher Verdünnung und so sparsam über der Temperaschicht versprüht, keinen Glanz auf deren Oberfläche. Für eine endgültige Fixierung wurde die Anwendung von tierischen Leimen (Hautleim, Hausenblase, Gelatine etc.) einerseits und von pflanzlichen Gummis andererseits versucht (es sind dies Substanzen, die aller Wahrscheinlichkeit nach von den Künstlern verwendet wurden, die diese Miniaturen aus geführt haben). Der Erfolg war jedoch gering, da diese Lösun gen weder von der Rückseite her durch das Papier hindurch bis an die Farbschicht herangebracht noch auch von der Bildseite her genügend tief transportiert werden konnten, um die Pigmentkörper sowohl untereinander als auch mit dem darunterliegenden Papier zu verbinden. Vor allem aber er wiesen sich diese Lösungen deswegen als imgeeignet, weil sie zmn Teil immer wieder auf der Oberfläche der Pigmentschicht im feuchten Zustand stehen blieben, dort antrockneten und im getrockneten Zustand eben jenen Glanz hinterließen, der vermieden werden sollte. Schließlich wählte man aus der Reihe der wasserlöslichen Celluloseäther die Methylcellulose, die leicht zu verarbeiten ist und die in chemischer Hinsicht zahlreiche Vorteile bietet. Ihr kurzer Steckbrief: gutes Durchdringungsvermögen (auf poröses Papier aufgebracht, schlägt sie bis zur anderen Seite durch), hohes Bindevermögen auch in starker Verdünnung (25 Gramm pro 1 Liter Wasser), gutes Bindevermögen für die Pigmentkörper untereinander, viskos, hinterläßt im auf getrockneten Zustand keinen Glanz, gilbt und bräunt nicht, ist weitgehend stabil gegen Umwelteinflüsse (Sonnenlicht, Luftsauerstoff, Luftfeuchtigkeit, ultraviolette Strahlen). Methylcellulose wurde durch Prof. Dr. R. Eigenberger als Zusatz zu verschiedenen Emulsionen (das heißt als Emulgator) schon seit längerem verwendet; im Vergleich zu ähnlich wirk samen Stärke- und Leimsubstanzen ist sie auch unempfind licher gegen Mikroorganismen (Prof. Bavendamm vom Holz forschungsinstitut Reinbek bei Hamburg bezeichnet sie als ,,baktorio- und fungistatisch"). Wenn die damit behandelte Farbschicht nach dem Trocknen optisch etwas satter er-

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