DIE AUSSENRESTAURIERUNG DER PROPSTEI-, HAUPT- UND STADTPEARRKIRCHE ZUM HEILIGEN BLUT IN GRAZ Nahe am südlichen Verlauf der mittelalterlichen Stadtmauer ließ Kaiser Friedrich III. um das Jahr 1440 eine Fronleich namskapelle errichten, die zur Keimzelle für die nachfolgende Dominikaner- und spätere Stadtpfarrkirche wurde. Der mit einfachen Kreuzrippen eingewölbte dreijochige Raum, der heute noch im westlichen Teil der Johannes Nepomuk-Kapelle ent halten ist, erfuhr nach der Übernahme durch den Dominikaner orden im Jahre 1466 zunächst eine Erweiterung in östlicher Richtung um vier netzrippengewölbto Jochteile. Zwischen 1512 und 1519 wurde dann, unmittelbar an die Nordflanke der Kapelle anschließend, die großräumige, dreischiffige, gestaffelte Hallenkirche erbaut, für die Donin^ Zusammenhänge mit der Wiener Neustädter Dominikaner-(Neuklo3ter-)kirche annimmt^. Diese beruhen offensichtlich auf der gemeinsamen Grund rißkonzeption: dem fünfjochigen Langhaus mit den queroblongen Mittelsehiffskompartimenten und den weniger als halb so großen längsrechteckigen Seitenschiffteilen sowie dem langgestreckten, in der Breite des Mittelschiffes weitergeführten dreijochigen, im Schluß endenden Chor. Ohne Zweifel diente auch die 1464 bereits vollendete Stadtpfarrkirche St. Ägydius (die heutige Domkirche) als nahes Vorbild für die Dominikanerkirche zum Heiligen Blut. In beiden Kirchen bauten bildet der Kontrast zwischen dem breiten, nahezu quadratischen Langhaus und dem hohen, durch einen sehr engen Triumphbogen abgesetzten Langchor ein wesentliches Element der Raumwirkung (Abb. 70). Die Rippenformationen der Hl. Blut-Kirche sind in allen Gewölbeeinheiten aus einer Mittelraute gebildet, die von den aus Pfeilern und Konsolen anlaufenden Rippenstrahlen getragen werden. Im Jahre 1586 wurde das bisher dem Dominikanerorden überantwortete Gotteshaus zur Pfarrkirche, nachdem die seit 1564 zur Hof kirche erhobene Ägydius-Kirche von Erzherzog Karl II. den Jesuiten übergeben und das Dominikanerkloster auf das rechte Murufer zur St. Andrä-Kirche verlegt worden war. Das Äußere der Hl. Blut-Kirche zu Ende des 16. Jahrhunderts kann alten Ansichten entnommen werden: So zeigt der im Steiermärkischen Landesarchiv verwahrte Stich G. Pehams von 1594® das heute noch charakteristische steile Satteldach des Schiffes mit einem vermutlich noch gotischen sechseckigen Dachreiter mit welscher Haube und das anschließende, durch die Triumphbogenwand getrennte Dach des Chorbaues. Fassade und Dachreiter behielten diese Form auch in den nachfolgenden Jahrhunderten, wie es die bekannte 1630—1635 entstandene Vedute der Stadt Graz von Süden von L. van de Sype und W. Holler, ferner A. Trosts sorgfältige, 1699 datierte Stadt ansicht von Osten oder schließlich der Stich von J. P. Wolffs ^ R. K. Donin, Die Bettelordenskirchen in Österreich, Baden bei Wien 1935, Abb. 29, 32; 398, 399. Grundriß der Stadt pfarrkirche in Graz (unter Weglassung der barocken Zubauten) in: Mittheilungen der k. k. Centr.-Com., XIII, Wien 1868, Seite LXXXIV, Fig. 1. 2 Vgl. auch W. Buchowiecki, Die gotischen Kirchen Öster reichs, Wien 1952, S. 272. Fig. 57, und S. 386, Fig. 173. ® Abb. 80 bei R. Kohlbach, Die gotischen Kirchen von Graz, Graz 1950, S. 213. Erben um 1720 erweisen''. 1741/42 fügte der landschaftliche Baumeister Joseph Hueber als erste seiner Grazer Arbeiten der Ursprungskapelle im Osten die ovale Johannes Nepomuk-Kapelle an®, gleichzeitig wurde der Westfront eine reich gegliederte Schaufassade vorgeblendet, in deren Nischen vier überlebensgroße Steinfiguren des vorzüglichen steirischen Bildhauers Joseph Schokotnigg Aufnahme fanden. Zum Wahrzeichen für die Stadtpfarrkirche wurde der 1780/81 von Baumeister Johann Joseph Stongg über dem Westgiebel er richtete Turm mit dem prachtvoll modellierten, einst teil weise vergoldeten Kupferdach (Abb. 67, 68). Johann J. Stengg, dessen Vater Johann Georg und Großvater Andreas ebenfalls Baumeister waren, trat erst als 45jähriger, nämlich 1767, in Strallegg mit einem Turmbau in Erscheinung®. Es folgten Umbauten im Schloß Premstätten (1771) und im Barmherzigenspital in Graz (1772-1777). Nach dem Bau des Stadtpfarrkirchenturms schuf Johann Joseph Stengg noch den Erweite rungsbau der bischöflichen Residenz mit dem im Zweiten Weltkrieg zerstörten monumentalen Portal (1781/82) und in seinem letzten Lebensjahr, 1782, den Turm der Stiftskirche in Rein über der von seinem Vater zwischen 1742-1747 erbauten Hauptfässade. Die Aufgabe, die er in Graz zwei Jahre vorher an der Stadt pfarrkirche zum Hl. Blut vor sich hatte, war die gleiche, nämlich über einer hochbarocken Fassade, die einem mittel alterlichen Bauwerk vorgesetzt war, einen Turm zu errichten. Es ist nicht bekannt, wie weit sich die 1742 vollendete Vor blendung an der Schauseite der Kirche erstreckte. Gewiß stammen die mit seitlichen Säulen konkav ausschwingende Portalzone und die in den Achsen der Seitenschiffe liegenden Nischen aus dieser Periode; Johann Joseph Stengg, damals bald sechzigjährig, hat in der darüber ansteigenden Giebel fassade vielfach die Formensprache des hohen Barock über nommen — so die tiefen und vielfältig profilierten Gesimse, die eselsrückenartigen und gebrochenen Fensterbekrönungen, die Lukarnenkontur der Öffhmig in der Mittelachse, den ge sprengten Segmentbogen am Giebelabschluß - und mit zeit gemäßen Gestaltungs- und Dekorationselementen überlagert und vermengt. Daraus resultieren die steife Flächigkeit der streng in Pilasterordnimgen gegliederten Giebelwand, die wiederholt angebrachten Zopfgehänge, die geometrischen Flächenaufteilungen oberhalb der Attika, die Vasenmotive sowie die eckig gebrochenen Voluten in der Mitte und an den Seitendes Giebelaufsatzes. Der Turm selbst—ein quadratischer, gezimmerter, am Dachstuhl aufsetzender Dachreiter mit Putz auflage — erhebt sich in 7 m Stärke 10,50 m über dem Abschluß gesims der Fassade, dessen Entfernung zum Erdboden 25 m beträgt. Der Helm mißt 20 m, so daß sich eine Gesamthöhe von 55,50 m für den Turmbau ergibt. Die Ecken des Turmes bestehen aus freistehenden Säulen mit korinthischen Kajiitellen, deren Ordnung sich in den inneren flachen Pflastern wiederholt. 4 Siehe F. Popelka, Geschichte der Stadt Graz, Graz-WienKöln 1959, Bd. I, Abb. 8 und 1, Bd. II, Abb. 37. ® R. Kohlbach, Steirische Baumeister, Graz 1961, S. 228. ® R. Kohlbach, Steirische Baumeister, Graz 1961, S. 224ff".
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