Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

Von den Darstellungen aus dem Frauenchor weist die Einhorndarstellimg durch eine Absplitterujig an der rechten Seite und durch Sprünge relativ geringe Beschädigungen auf. Von der Darstellung des Vogels Phönix sind nur Fragmente, wie Kopf und Flügel, erhalten gehliehen. Dem Propheten Jonas im Mittelchor fehlt der Kopf. Relativ gut erhalten ist die Darstellung des Symbols des Evangelisten Matthäus, ein kniender Engel mit Spruchhand. Das Lukas-Symhol weist am Kopf des Stieres heträchtliche Beschädigungen auf. Beim Adler des Johannes ist am Original eine Ergänzung am Kopf vorge nommen worden. Der Markus-Löwe ging vollkommen verloren. Bei der Rekonstruktion der Evangelisten-Symhole bediente sich der beauftragte Restaurator, Prof. Franz Barwig, aller noch vorhandenen Fragmente der originalen Schlußsteme und modellierte die fehlenden Teile nach den teilweise vorhandenen Photographien in Gips, um danach die 'ICopie zu punk tieren. Abb. 21 zeigt in der rückwärtigen Reihe vier originale und zur Kopierung zurechtgemachte Schlußsteine des Chores, davon drei aus dem Zwölfbotenchor und einen (Jonas) aus dem Mittelchor. Davor befinden sich die angefertigten Kopien und im Vordergrrmd schließlich Bossen, die für die Dar stellung des Markus-Löwen im Zwölfbotenchor sowie für neu angefertigte Darstellungen des Mittel chores bestimmt waren. Abb. 22 zeigt, wie die Montage dieser neuen Stücke erfolgte. Die Darstellungen für die Schlußsteine des Frauenchores (Phönix und Einhorn) wurden in Flachrelief hergestellt und an den Körper der noch vorhandenen Schlußsteine appliziert, nachdem die beschädigten Originaldar stellungen abgesägt worden waren. Dies dürfte beim Schlußstein mit der Darstellung des Phönix miß glückt sein, weswegen von diesem Original nur Fragmente vorhanden sind. Der Vollendung des Baues um 1340 entsprechend, kann angenommen werden, daß die Schlußsteine im 4. Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts entstanden sind. Das Haupt Christi hat eine nahezu völlige Ent sprechung im Schlußstein des Chorhauptes der Katharinenkapelle der Michaeierkirche, wobei dessen weichere Formen auf einen geringen zeitlichen Abstand von der Darstellung des Schlußsteines im Frauenchor schließen lassen (Abb. 16). Dieselbe Breite des Vortrages wie im Christushaupt in St. Stephan ist in der Darstellung der Jungfrau mit dem Einhorn festzustellen, während die Darstellungen des Phönix und des Pelikans von kraftvoller Monumentalität sind. Die nächsten Verwandten der Schlußsteine im Chor von St. Stephan finden sich in der zweischiffigen Kapelle des Georgsritterordens neben der Augustinerkirche, die ungefähr gleichzeitig mit dem Chor von St. Stephan vollendet und 1341 geweiht wurde^^. Hier finden sich zwei Physiologus-Darstellungen, nämlich die des Löwen mit den Jungen und des Pelikans (Abb. 25, 28), die große ikonographische Ähnlichkeit mit denen der Schluß.steine in St. Stephan haben, wie auch die Evangelistensymbole (Abb. 31, 34) und das Lamm Gottes auf einen unmittelbaren Zusammenhang mit St. Stephan schließen lassen. Lediglich die Darstellung Christi als Lehrer, der in der Linken das erhobene Buch hält (Abb. 17), weicht in ihrer körperlichen Erscheinung stark von der Darstellung in St. Stephan ab und ist auch in ihrem Stil moderner. Die Schlußsteine im Langhaus der Augustinerkirche vertreten eine spätere Stufe und sind hinsichtlich der Evangelistensymbole wohl von den Schlußsteinen des Chores von St. Stephan und auch schon von der Georgskapelle abhängig (Abb. 30), hinsichtlich der Darstellung des hl. Augustinus jedoch ohne Vor bild. Die mit Blattmasken ausgestatteten oder ganz vegetabil gehaltenen Schlußsteine der Augustiner kirche setzen offenbar schon die Blattmasken der Eligiuskapelle in St. Stephan voraus und sind daher erst um 1366 anzusetzen (vgl. Abb. 35—37). Dies würde auch bedeuten, daß die frühe Weihe der Augu stinerkirche im Jahre 1349 keineswegs bereits die Vollendung des Bauwerkes in sich schließt, das ja im Gegensatz zur früher fertiggestellten Georgskapelle nicht auf österreichische IConzeption zurückgeht^®. Näher als die Schlußsteine der Augustinerkirche stehen den Schlußsteinen des Chores von St. Stephan die vier Schlußsteine im Chor der Kirche Maria am Gestade. Sie zeigen in den Symbolen Löwe, Stier und Adler eine unmittelbare gestaltliche Abhängigkeit, die sich bis auf Einzelheiten erstreckt (Abb. 33), in der Darstellung des Engels hingegen eine ungewöhnlich individuelle Auffassung (Abb. 26). R. K. Donin, Die Bettelordenskirchen in Österreich, Baden bei Wien 1935, S. 203ff. Beachtenswert sind die Hinweise Donins auf die Dominikanerkirche in Regensburg und auf die Sessionsnisohe der Pfarrkirche Marchegg, S. 176. R. K. Donin, a. a. 0., S. 225ff.

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