Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

Band Boclenfimde, soweit sie museal verwahrt sind, ebenso katalogisiert und abgebildet wurden wie in situ befindliehe Scheiben und Fragmente. Nach Meinung der Rezensentin wäre es allerdings ein rein äußerliches Kriterium, die Boden funde danach zu scheiden, ob sie Besitz eines Museums sind oder nicht und dementsprechend die ersteren in das Corpus aufzunehmen, die letzteren aber auszulassen, ganz abgesehen davon, daß Bodenfunde früher oder später immer museal verwahrt werden. Die Frage müßte vielmehr so gestellt werden: Wieweit sollen Scherben, also zusammenhanglose Fragmente, woher immer sie stammen, überhaupt im Corpus Berücksichtigung finden? Der Rezensentin scheint diese Frage nicht generell lösbar: Wo nichts erhalten ist, gewinnt auch der geringste Fund Gewicht bzw. werden Funde von der Bedeutung der kürzlich in Istanbul geinachten^i gewiß in das Corpus aufzunehmen sein. Andererseits werden sich Länder, die, wie Frankreich oder Deutschland, das in situ erhaltene Material kaum zu bewältigen vermögen, nicht mit der Katalogisierung von Scherben aufhalten können. Der Vorwurf, mit der Aufnahme von Bodenfunden erstmalig die Richtlinien durchbrochen zu haben, trifft Beer aber jedenfalls nicht. Da die Besprechung Wentzels darüber hinaus grundsätzliche Fragen berührt, die alle Corpus-Bearbeiter angehen, sei an dieser Stelle noch zu zwei weiteren dort geäußerten Einwänden Stellung genommen. Wentzel vermißt erstens die den Autoren als verbindlich auferlegte Publikation auch der ausländischen Glasmalerei bestände, die in den Museen verwahrt sind, und er möchte zweitens auch die bedeutendenSchweizerPrivat sammlungen einbezogen wissen. Zum zweiten Punkt bringt er übrigens aus seiner reichen Kenntnis bisher unpubliziertes Material bei, das für die österreichische Glasmalereiforschung von besonderem Intei'esse ist. Hinsichtlich der landesfremden Bestände in den Museen und öffentlichen Sammlungen schließt sich die Rezensentin der Forderung Wentzels voll und ganz an; ein Katalogwerk, wie es das Corpus Vitrearum seinem Wesen nach ist, kann sich in seiner Auswahl nicht von kunstlandschaftlichen Gesichts punkten leiten lassen — in dieser Hinsicht stellen übrigens auch die heutigen politischen Grenzen willkürliche Zäsuren dar! Es kann für die Auswahl auch nicht maßgebend sein, ob der Autor in der Lage ist, das betreffende fremde Glas gemälde kunstgeschichtlich richtig einzuordnen; seine Aufgabe besteht in erster Linie in der möglichst vollständigen Kata logisierung des Erhaltenen nach den Gesichtspunkten des Corpus. Etwas anders verhält es sich mit den Privatsammlungen. Hier ist Vollständigkeit von vornherein nicht zu erreichen, denn es gibt wahrscheinlich in keinem Land der freien Welt ein Gesetz, das einen Privatsammler verpflichten könnte, der Publikation seiner Sammlung zuzustimmen oder auch nur seinen Besitz dem zuständigen Corpus-Autor zu melden. Überdies fluktuiert der Privatbesitz viel stärker als der öffentliche, und seine Katalogisierung in einem bestimmten Corpus-Band kann also nur relative Gültigkeit beanspruchen^^. Es ist deshalb durchaus A. H. S. Megaw, Notes on the recent Woi-k of the Byzantine Institute in Istanbul, in: Dumbarton Oaks Papers, 17, 19ö3, S. 3331L; vgl. dazu H. Wentzel in: Kunstchronik, Nov. 19(14, Heft 11, H. 326. In die österreichische Kunsttopographie werden daher im Gegensatz zum Corpus Vitrearum dieses Landes grundsätzlich private {Sammelobjekte nicht aufgenommen. verständlich, wenn ein Land mit so ausg{?[)i'ägter Achtung vor der privatrechtlichen Sphäre wie die Schweiz von vornherein von der Aufnahme privater Sammlungen Abstand nimmt, so bedauerlich das im einzelnen auch sein mag. Diese Frage, man mag sie entscheiden wie immer, berührt jedoch nicht den Kern des zweiten Schweizer Corpus-Bandes; dieser entspricht vielmehr insofern einer idealen Forderung des Corpus Vitrearum, als darin tatsächlich der gesamte Komplex der Schweizer Glasmalerei des 14. und 15. Jhs. (soferne nicht absichtlich Teile ausgeklammert wurden) in wissenschaftlich gültiger Art und Weise, mit erschöpfen der Bebilderung, vorgelegt wird. Hier sei noch beson ders auf die in ihrer knappen und präzisen Formulierung vorbildlichen baugeschichtlichen Abschnitte hingewiesen, denen immer ein Grundriß beigegeben ist. Auch schematische Fensterzeiehnungen tragen, wo nötig, zur Übersichtlichkeit bei. Besonders begrüßt die Rezensentin, daß zur Kenn zeichnung des Erhaltungszustandes überwiegend von der bloßen Strichzeichnung abgegangen und statt dessen das im französischen und österi'eichischen Corpus-Band angewendete System einer Projektion der Strichzeichnung auf die Foto grafie gewählt wurde. Diese Methode läßt den Erhaltungs zustand unmittelbar anschaulich werden; allerdings scheint der Rezensent in, daß in der Unterscheidung der Restaurierungen fast schon zu weit gegangen wurde, da die zehn verschiedenen Symbole wohl nur unter gleichzeitiger Benützung der an den Beginn des Tafelteils gestellten Tabelle auseinandergehalten werden können. Daß die Ausstattung des Bandes sowohl in typographischer Hinsicht wie in bezug auf die Güte der Abbildungen - auch die Farbwiedergabe ist im großen und ganzen hervorragend — von höchster Qualität ist, scheut man sich fast zu betonen, da diese Qualität schon zur Tradition des schweizerischen Corpus gehört. Auch dafür gilt wohl: Wenn die Glasmalerei eines Landes dank der zur Verfügung stehenden Mittel und der verhältnismäßigen Beschränktheit des Materials auf so erschöpfende, wenn nicht luxuriöse Weise dargeboten werden kann, so ist dies dankbar zu begrüßen; freilich wird es niemals möglich sein, diesen Standard zur Norm zu erheben. Aus all den vorangehenden Einzelbemerkungen ziun skandi navischen und zum Schweizer Band läßt sich vielleicht - um auf die an den Anfang gestellte Frage zurückzukommen - doch eine grundsätzliche Folgerung ziehen: So sehr der Charakter des Corpus als Katalogwerk außer Frage stehen muß {dafür ist eine feste Form auch bereits gefunden und konsolidiert), so wünschenswert ist es doch, nicht zuletzt zur Entlastung des Katalogs, die kunstgeschichtlichen Ergebnisse in einer allgemeinen Einleitung zusammenzufassen. Allerdings sollte diese Einleitung die Einzeldenkmäler nur im Hinblick auf die Gesamtentwicklung berücksichtigen; die stilistische Ableitung und Einordnung der Einzeldenkmäler hingegen sollte den Katalog-Einleitungen vorbehalten bleiben. In ihnen wären alle auf die betreffenden Einzeldenkmäler bezüglichen historischen und kunstgeschichtlichen Angaben in übersicht licher Zusammenstellung zu vereinigen. Die soeben aus der Praxis der beiden Bände abgeleitete Forderung ist nicht neu, sie ist vielmehr in den ,,Richtlinien" längst formuliert worden. Es zeigt sich also — und dies mag allen Corpus-Bearbeitern in ihren Konflikten mit den Besonderheiten ihres Materials eine Stütze sein —, daß die ,,Richtlinien" im Hinblick auf das

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