Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

1. A. Anclersson (Schweden), 8. M. Christie (Norwegen), C. A. Nordman (Finnland), A. Roussell (Dänemark): Die Glasmalereien des Mittelalters in Skandinavien, Stockholm 1964. 311 Seiten, 204 Schwarzweiß-, 30 Farb tafeln (plus zwei Farbabb.) und zahlreiche Textabbildungen. Vorausgeschickt sei die für den deutschen Benützer äußerst erfreuliche Tatsache - die auch schon von H. Wentzel in seiner Besprechung des Bandes dankbar vermerkt wurde^ —, daß die vier Autoren sich entschlossen haben, das Werk in deutscher Sprache erscheinen zu lassen. Grund und Rechtfertigung für diese Wahl sind in dem schwedischen Bestand zu finden, der nur von der norddeutschen Glasmalerei aus zu erschließen ist. Diese Rücksichtnahme auf Schweden ist freilich keine zu fällige; denn obwohl der Band sich ,»Skandinavien" betitelt, ist er dem Umfang und dem Gewicht nach ein schwedischer: 240 Seiten, 178 Schwarzweiß-, 30 Farbtafeln umfaßt der schwedische Teil. Die Beiträge der drei anderen Länder sind im Verhältnis zu ihm nicht mehr als eine Art Anhang. So be schränkt sich der finnische Anteil auf 33 Seiten und 12 Tafeln (davon sind zwei Abbildungen farbig), der dänische umfaßt 15 Seiten und 14 Schwarzweißtafeln, während der Beitrag Norwegens mit nur zweieinhalb Seiten ohne jede Abbildung überhaupt kaum als ,,Corpus" im eigentlichen Wortsinn zu bezeichnen ist. Diese verschiedene Gewichtsverteilung beruht nicht auf einer verschieden ausführlichen Bearbeitung, sondern in erster Linie auf den großen Unterschieden hinsichtlich dessen, was in den einzelnen Ländern erhalten ist: So besitzt z. B. Norwegen überhaupt keine einzige intakte Scheibe mehr, während die bei den Ausgrabungen zutage gekommenen zahlreichen Scherben den Beweis dafür liefern, daß es auch in diesem Land eine reiche mittelalterliche Glasmalerei gegeben hat. Die Autorin charakterisiert kurz die Art der gefundenen Scherben, ver zichtet aber darauf, sie katalogmäßig zu behandeln und abzu bilden. Abweichend davon haben die beiden Autoren, denen der finnische und der dänische Beitrag zu verdanken ist, zusammen hanglose Fragmente bzw. im Boden gefundene Scherben in ihren Katalog aufgenommen und ihnen jeweils auch groß formatige Abbildungen gewidmet (Jomala auf einer, Roskilde auf 4 Tafeln). Auch im schwedischen Teil des Bandes, in dem gewiß kein Mangel an komplett erhaltenen Glasgemälden herrscht, sind mit minutiöser Sorgfalt die in den Museen von Stockholm und Göteborg bewahrten Scherben katalogisiert und abgebildet. Wir werden auf die Frage der Bodenfunde noch bei Bespre chung des Schweizer Bandes zurückzukommen haben. Es sei gestattet, entgegen der in dem Band selbst eingehaltenen Reihenfolge, zunächst über Finnland und Dänemark zu referieren, um sodann den gewichtigsten Beitrag, den schwe dischen, etwas eingehender zu betrachten. In Finnland ist der Bestand unansehnlich und heterogen; ganz erhaltene figurale Scheiben finden sich überhaupt nur in Nagu und Reso. Der Autor ist mit Rücksicht auf die Situation Finnlandsim Mittelalterals einer kulturellenRandlandschaft geneigt, Import anzunehmen, und betont den deutschen Ein fluß. Was die Behandlung von Reso betrifft, so bedauert man, daß Nordman offensichtlich mit dem Autor des schwedischen Teils keinen Kontakt hatte, da er für die Ableitung von Lye ^ H. Wentzel, Neue Forschungen zur Glasmalerei des Mittel alters, in: Kunstchronik, Nov. 1964, Heft 11, S. 320-326. nur frühere Arbeiten heranzieht. Abweichend von den ,,Richt linien", sind auch verschwundene Wappenmalereien, die nur mehr in Zeichnungen überliefert sind, nicht nur in einem Anhang erwähnt, sondern in den Katalog aufgenommen und abgebildet. Auch in Dänemark ist das Material an mittelalterlichen Glas gemälden ,»äußerst ärmlich". In situ ist überhaupt nur eine einzige figurale Scheibe erhalten, nämlich in Roager in Südjütland. Die Scherbenfunde aus fast allen mittelalterlichen Kirchen verleihen aber der Hypothese Roussells, wonach die Glasmalerei in Dänemark während der Romanik geblüht habe, hohe Wahrscheinlichkeit. Diese Verglasungen seien dann späteren Umbauten der Kirchen zum Opfer gefallen. Obwohl es bisher nicht gelungen ist, die erhaltenen Reste mit einer be stimmten Gruppe des norddeutschen oder dänischen Materials in Verbindung zu bringen, vertritt der Autor folgende Auf fassung: Auch wenn es ,,nicht ganz ausgeschlossen ist, daß Glasgemälde in einem gewissen Umfang innerhalb des Landes hergestellt wurden", kann ,,von einer selbständigen Entwick lung jedoch in keiner Weise die Rede sein". Infolge der unge lösten Stilfragen will der Autor .seine Darstellung auch nicht als ,»endgültige Bearbeitung der dänischen Glasmalerei", sondern als Orientierung über den Bestand verstanden wissen. Als einziger Beitrag in diesem Band besitzt der dänische schematische Zeichnungen des Erhaltungszustandes für drei Scheiben. In den Katalog ist auch eine im Kunstgewerbemuseum in iCopcn/iOf/en verwahrte romanische Madonnenscheibe aus Frank reich (wahrscheinlich aus der Benediktinerabtei in Ferrieres) aufgenommen und abgebildet. Schweden. Der schwedische Anteil an den mittelalterlichen Glasmalereien Skandinaviens ist durch die erstaunliche Tat sache charakterisiert, daß darin das Festland so gut wie gar keine Rolle spielt: Nur in vier Kirchen sind dort die Glas gemälde noch in situ erhalten, aber selbst diese Kirchen sind spätere Umbauten oder haben zumindest veränderte Fenster. Den auf das Festland entfallenden Anteil stellen im wesent lichen die Musealbestände; vor allem des Historischen Museums in Stockholm, in dem zahlreiche gotländische Scheiben eine Heimstatt gefunden haben, und an zweiter Stelle des National museums in Stockholm, welches in der Hauptsache ausländische Glasgemälde verwahrt; so fünf Scheiben aus dem Kloster Hauterive, von denen noch bei Besprechung des Schweizer Bandes zu reden sein wird, drei französische Scheiben unbe kannter Herkunft und eine spätgotische österreichische Apostelscheibe, deren Geschwister sich in der Sammlung von Kreuzenstein befinden (vgl. Abb. 221 mit 222, 223), ohne daß es freilich von da aus möglich wäre, die bisher ungeklärte Pro venienz aufzuhellen. Diese ausländischen Glasmalereien sind in Übereinstimmung mit den ,»Richtlinien" in den Katalog aufgenommen. Die Fülle schwedischer mittelalterlicher Glasmalerei aber ist ausschließlich auf die Insel Gotland konzentriert; und obwohl auch dort, wie der Autor immer wieder betont, außerordentlich viel verlorengegangen ist (nach der Schätzung Anderssons etwa 90%!), ist die Dichte des Erhaltenen, vor allem aus der Spätromanik, doch außerordentlich bemerkenswert. Sie ist allein dem Umstand zu verdanken, daß nach der Eroberung Gotlands durch die Dänen im Jahre 1361 die wirtschaftliche und damit auch die kunstgeschichtliche Aktivität auf der Insel erlosch und nie mehr wiederauflebte.

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