Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

etwa 1000 Wasser in unmittelbarer Nähe des Turmes ab geführt wurden, was bei der Beschaffenheit des Baugrundes zum Auswaschen von Feinteilen geführt und damit die Trag fähigkeit ungünstig beeinflußt haben dürfte. Der Nordturm wurde nicht in traditioneller Bauweise wieder aufgebaut. Die tragenden Schalen wurden in Stahlbeton er richtet, die außen je nach Gliederung eine 12-27 cm starke, nicht tragende Ziegelverblendung erhielten. Sämtliche stei nernen Architektlirteile (Basen, Kapitelle, Verdachungen, Fensterrahmen) wurden wieder an ihrer ursprünglichen Stelle versetzt. Eine neue Stiegenanlage führt vom Erdgeschoß zu zwei übereinanderliegenden, im Grundriß der Vorhalle ent sprechenden, ursprünglich ungenutzten Räumen, die als Chorj)robenraum und als Heimzimmer für die Pfarrjugend ein gerichtet werden (Abb. 195,196). Zudem konnte ein in gotischer Zeit durch Brand zerstörter und nicht wieder vollendeter Raum über dem nördlichen Seitenschiff für Zwecke des Heimatmuseums adaptiert werden (Abb. 192, 193). B. Reichhabt DIE SANIERUNG DES BLUTGASSENVIERTELS IN WIEN* Im ,,Blutgassenvierter' sind die Häuser der Singenstraße Bauten des Mittelalters, die der Blutgasse jüngeren Datums. Sie alle können als typische Beispiele für die bürgerliche Bau weise ihrer Zeit innerhalb der Stadtmauern Wiens gelten (Abb. 197, 198, 204). Die Häuser Singerstraße 11, 11a und Blutgasse 7, 9 sind auf schmalen, tiefen Parzellen erbaut (Abb. 199) und haben daher nur zwei bis drei Fensterachsen. Interessant ist, daß die Feuermauer zwischen Singerstraße 11 und 11a auf dem Scheitel des Einfahrt-Gfewölbes bzw. des Torbogens steht. Auf diese Weise kommen also beide Häuser mit einer gemeinsamen Einfahrt aus, und im Erdgeschoß wird Nutzraum gewonnen. Die große Tiefe der Parzellen erforderte häufig die Anlage von Höfen, entlang deren Umfassungs mauern Pawlatschen genannte offene Gänge auf Stützen die Verbindung der Trakte in den oberen Geschossen herstellen. Typische Beispiele hiefür sind die Häuser Blutgasse 3 und 9 (Abb. 203, 208). Am Haus Blutgasse 7 ist bemerkenswert, daß die enge Wendeltreppe als turmartiger Vorbau in den ,,Fähn richhof" hineinragt und so im Hausinnern die ganze, an sich kleine Grundfläche für Wohnzwecke genutzt werden kann. Von den Häusern um den „Fähnrichhof" (Abb. 205-207) ist das Haus Blutgasse 5 das jüngste, es wurde erst 1819 fertig gestellt. Die Sanierung solch alter Häuser ist wirtschaftlich wohl nur dann vertretbar, wenn unbewohnbar gewordener Hausbestand durch die Schaffung neuer, bestens ausgestatteter Wohnungen und Geschäftslokale aufgewertet werden kann. Die Erhaltung einer ,,Altstadt-Romantik" als Attraktion für den Fremden verkehr allein wird kaum jemals die ausreichende Begründung für eine Sanierung sein können. Im Jahre 1956 hat die Gemeinde Wien einen Ideenwettbewerb ausgeschrieben, der Vorschläge für die Sanierung eines typi schen Bereiches der Wiener Innenstadt, des von Stephansplatz, Schulerstraße, Riemergasse und Singerstraße umschlossenen Gebietes, bringen sollte. Die Ausschreibung stellte als Planungsziel die Schaffung eines unserer Zeit entsprechenden ,,Wohnzentrums", das nebst den funktionsbedingten und sanitären Erfordernissen auch alle heute üblichen öffentlichen Einrichtungen enthalten sollte. Die architektonisch wertvollen Bauteile der Vergangenheit * Vgl. auch F. Euler, Die Sanierung des Blutgassonviertels in Wien, in: Der Aufbau, 18. Jg., März/April 1963, Nr. 3/4, S. 85ff.. und F. Euler-H. Thurner, Sanierung Blutgassen viertel in Wien I, in: Der Bau, 19. Jg., Heft 1/1964. S. 18ff. waren möglichst zu erhalten und mit dem Neuen harmonisch zu verbinden. Die Wahrung des historischen Charakters des Planungsgebietes war verlangt, die Einhaltung denkmalpflegerischer Vorschreibungen erwünscht, jedoch nicht Be dingung. Der Wettbewerb wurde durchgeführt und die Preise vergeben, aber abgesehen von einigen Debatten und schrift lichen Stellungnahmen in der Öffentlichkeit und in Fachkreisen zeitigte er keine für Außenstehende erkennbaren Folgen. Ver mutlich bildete dieser Wettbewerb aber doch die Grundlage für Überlegungen, die dazu führten, vom Ausbau des ursprüng lich geplanten großen ,,Wohnzentrums" Abstand zu nehmen und die Sanierung vorerst auf ein innerhalb des größeren Bereiches gelegenes kleineres Gebiet, das ,,Blutgassenviertel", zu beschränken. Das Stadtplanungsamt verfaßte eine Struktur skizze, welche die Sanierung des ,,Pawlatschenhauses" (Blut gasse 3), der Objekte um den ,,Fähnrichhof" (Blutgasse 5, 7, 9, Singerstraße 11, 11a, 11b, 11c) und den Wiederaufbau des unmittelbar benachbarten, im Kriege völlig zerstörten Wohn hauses in der Nikolaigasse 1 umfaßte. Im Herbst 1960 fanden erstmalig Besprechungen der Wiener Stadtbauamtsdirektion mit den Architekten Prof. F. Euler und Prof. H. Thurner statt, die bereits von privater Seite mit der Planung des schon erwähnten, dem Bereich des ,,Blut gassenviertels" organisch zugehörenden Wohnhaus Wieder aufbaues in der Nikolaigasse 1 befaßt waren. Die Ziele der neuen Planung waren: 1. Die Wiederbesiedlung des ,,Blutgassenviertels" durch die Schaffung von Wohnungen und Geschäftslokalen, die den heutigen Anforderungen in jeder Hinsicht entsprechen, zu ermöglichen. 2. Trotz weitgehender Entrüinpelung den Altbestand mög lichst zu erhalten und unter Berücksichtigung denkmalpflegerischer Wünsche das Neue dem Alten harmonisch einzufügen. 3. Die Abzonung der gegen die Nikolaigasse gelegenen Häuser (Singerstraße 11b und 11c) um ein bzw. zwei Geschosse, wodurch einerseits ein günstigerer Lichteinfall im ,,Fähn richhof" bewirkt und andererseits der Blick von der Grünan gergasse auf den Stephansturm frei gemacht werden sollte. 4. Die Bereinigung aller im Lauf der Zeit durch unsachliche Um- und Einbauten entstandenen unorganischen Dach formen und Fassaden (Abb. 197—201). 5. Die Anlage einer Fußgängerpassage durch das ,,Pawlatschenhaus" (Blutgasse 3), vorläufig von der Blutgasse bis in die Grünangergasse, später einerseits durch das ,,Deutsche

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2