Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

die bessere Lösung anerkannt wurde'. Vorn Standpunkt der Denkmalpflege war die Erhaltung des Turmes deshalb nicht unbedingt zu fordern, weil dieser Bauteil als Ganzes keine unwiederholbare künstlerische Individualität darstellt. Seine in Stein gearbeiteten Arehitekturteile, wie Fensterrahmen, Basen und Kapitelle, wurden hingegen im neu errichteten Turm wieder verwendet. Wegen inzwischen eingetretener ,,Gefahr im Verzug" mußte bei der Bauverhandlung im Mai 1963 der Abbruch bescheidmäßig aufgetragen werden. Die Abbrucharbeiten wurden im August 1963 begonnen und waren im Februar 1964 vollendet. Der Grundriß der Bauaufnahme zeigt, daß der Nordturm mit der Westwand der Kirche nicht verbunden war, sondern in den oberen Geschossen frei stand (Abb. 195, 196). Dieser Turm enthielt bis in die Höhe der Glockenstube noch Teile der romanischen Anlage, wie aus dem aufgefundenen doppelten Rundbogenfenster hervorgeht. Der Südturm ist mit der Kirchenwestwand verbunden; seine Obergeschosse sitzen auf ihr auf. Im Verhältnis zur romanischen Anlage erscheint dieser Tmm etwa lun seine Breite nach Norden verschoben'', sein Grundriß ist größer als der des ehemaligen romanischen Nordturms. Das Mauerwerk und die Kaffgesimse des Süd turms weisen darauf hin, daß er in gotischer Zeit errichtet' und anläßlich der Barockisierung neu fassadiert wurde. Der in den Grundmaßen wesentlich kleinere Nordturm wurde durch Hinzufügen einer allseitigen Verblendung an die Maße des Südturms angeglichen. Seine Mauerstärke betrug in Gelände höhe etwa 1,60 m, die sich nach drei Absätzen auf 1,35 m ver jüngte. Die Tm'mwände bestanden zum Teil aus zwei ver schiedenen, nicht innig miteinander verbundenen Mauer schalen, nämlich dem mittelalterlichen Kern und der barocken Vormauerung". Das Verblendmauerwerk wurde wohl durch sechs in verschiedenen Höhen angelegte Holzschließenkränze zusammengehalten, doch sind diese Schließen im Laufe der Zeit abgemorscht; die gewünschte statische Funktion ging daher verloren (Abb. 191). Eine einwandfreie Übertragung der Last auf die Fundamente war also nicht gegeben. Durch die Neigung des Turmes ruhte der größte Teil der Lasten auf dem später errichteten Verblendmauerwerk; so kam es durch Druck zu einer Überbeanspruchung dieses Bauteiles. Die Schwächung der Tragfähigkeit bewirkten auch mehrere ver hältnismäßig große Öffnungen in der hochbelasteten Erd geschoßzone, die bereits vor 1700 entstanden sein könnten. ' Die Kosten für den Abbruch und für den Wiederaufbau wm-den mit den Kosten der Sanierung als etwa gleich groß berechnet. Aus alten Ansichten kann abgeleitet werden, daß der vor gotische Südturm ursprünglich südlicher gestanden ist. Seine südliche Begrenzung scheint noch vor die Südwand des Langhauses zu reichen. Die Verbindung zwischen Südturm und Nordturm wurde durch eine breite, mindestens zwei geschossige Vorhalle hergestellt. Bei der Errichtung der Kriegergedenkkapelle in der Ecke zwischen Südturm und Kirchenwestwand stieß man auf breite Fundamente, die vom Unterbau des Südturmes stammen könnten. •' Vgl. den Bericht über die Ergebnisse der am 10. und 11. September 1958 von Dr. Benno Ulm durchgeführten Untersuchungen der Bausubstanz der ehemaligen Stiftskirche in Mondsee. ' Vgl. die ,,Mauerwerksbeschreibung des abgebrochenen Nordturmes der Pfarrkirche in Mondsee", verfaßt von Polier Ebner, aus der hervorgeht, daß verschiedenartiges Material verwendet wurde und die Mauerschalen aus mehreren Schichten in unterschiedlicher Mauertechnik bestanden. ■ . 4 SS 191. Mondsee, OÖ., ehem. Stiftskirche; schadhaftes Mauer werk der Westwand vor der Sanierung (Dr. W. Kunze) Wie aus dem Quellenrnaterial hervorgeht, sind Bauschäden am Nordturm bereits in der Barockzeit aufgetreten'. Weil seine statische Sicherheit als nicht ganz ausreichend erkannt wurde, empfahlen Umbauvorschläge vom Jahre 1700, die Fundamente entsprechend zu dimensionieren, Schließen einzuziehen und die oberen Turmteile wegen der geringeren Lasten in Tuffstein auszuführen. Wegen neuerlicher, zu Beginn des 19. Jahr hunderts aufgetretener Schäden wurde der teilweise Abbruch und Wiederaufbau erwogen, aber nicht durchgeführt. Da in den vergangenen 150 Jahren nennenswerte Gebrechen offenbar nicht mehr wahrgenommen wurden, muß die Frage nach der Ursache der plötzlich in so starkem Maß aufgetre tenen Baufälligkeit gestellt werden. Erschütterungen durch Sprengungen bei Bauarbeiten für die Autobahn und der Auto verkehr in der Umgebung der Kirche selbst können als Ursache ausgeschaltet werden, da der Untergrund aus Schotter Er schütterungen nur mit stark gedämpfter Intensität weiter leitet. Hingegen kann mit einiger Wahrscheinlichkeit das Umdecken des mächtigen Kirchendaches von Schindeln auf Eternit und eine damit zusammenhängende Neuinontage von Regenrinnen, die das Niederschlagwasser ohne Ableitung in Kanäle in das an die Kirche anschließende Gelände ,,ent wässern'', verantwortlich gemacht werden. Tatsächlich waren bei starken Regenfällen die abgeleiteten Wässer auch ins Innere der Kirche gedrungen. Nach den Berechnungen kann angenommen werden, daß jährlich auf diese Weise im Mittel ' Vgl. N. Wibiral, Der Nordturm der ehemaligen Stiftskirche von Mondsee, in: Mühlviertier Heimatblätter, Heft 11/12, III. Jg., 1963.

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