sich leider auch jene zahlreichen Villen, die nun als bäuerliche Wohnungen, als Speicher für landwirt schaftliche Zwecke oder als Lagerräume genutzt sind. Der Hauptgrund für den Verfall dieser Herrschaftssitze ist jedoch nicht das Fehlen finanzieller Mittel für eine Wiederherstellung seitens der Besitzer oder der neuen Mieter; die wahre Ursache für diese Situation liegt in der Gleichgültigkeit und in der negativen Einschätzung all dessen, was noch vor kurzem als die unvergleichlichen Annehmlichkeiten des ,,Lebens in der Villa" angesehen wurde. Der Mangel an Kultur, an Allgemeinbildung, Erziehung und Kunstsinn ist auch hier wieder die eigentliche Ursache für jene oftmals unüberlegte, oft sogar völlig unbewußte Verachtung, die zur Zerstörung vieler Kunstdenkmäler führt. Gelehrte in der Provinz Venetien haben, dank einer glücklichen Initiative, eine Dokumentation - ich scheue mich nicht, sie als niederschmetternd zu bezeichnen - über die erschreckende Vernachlässigung der Villen der ,,Tre Venezie" zusammengetragen. Die Bilder vom Verfallszustand, der in diesen adeligen Wohnbauten herrschte, fanden ihren Weg von der Lokalpresse zu den Zeitungen gesamtitalienischer Bedeutung und von den Fachzeitschriften zu den Revuen mit großen Auflagezahlen. Diese Bild-Dokumentation wurde schließlich Gegenstand einer Ausstellung, die in allen bedeutenden Städten Italiens und in den Hauptstädten Europas gezeigt wurde. Vielleicht machten auf die öffentliche Meinung die Namen der berühmten Architekten und bildenden Künstler, die mit den herrlichen Villen verbunden sind, mehr Eindruck als der künstlerische Wert der Baudenkmäler und die Gefahr ihres Verfalls. Die Hoheitsverwaltung hat die Popularität dieses Problems sowie das öffentliche Interesse an seiner Lösung in glücklicher Weise zu werten verstanden und konnte daher Maßnahmen für die Erhaltung der ,,Ville Venete" ins Auge fassen. Der Gesetzgeher wagte mit dem Gesetz vom 6. 3. 1958, Nr. 243, und dessen Novellierung vom 5. 8. 1962, Nr. 1336, einen beispielhaften Versuch, ohne dadurch den Besitz einer Region Italiens zum Nachteil anderer Regionen zu bevorzugen. Der in besonderem Maß besorgniserregende Zustand der ,,Ville Venete", ihre eindrucksvolle Zusammen gehörigkeit, ihr hoher baukünstlerischer Wert, die ornamentale malerische und bildhauerische Innen ausstattung sowie die bereits überaus ernsten Verfallserscheinungen spielten eine wesentliche Rolle dabei, daß diesen Baudenkmälern bei der Organisation von Erhaltungsarbeiten an Kunstdenkmälern die Vordringlichkeit zuerkannt wurde. Es wird jetzt also im Fall der ,,Ville Venete" ein Gesetz ver wirklicht, das, wie wir alle hoffen, tatsächlich auf alle italienischen Villen Anwendung finden wird. Nach dieser Einleitung werde ich versuchen, in Kürze die Bestimmungen des Gesetzes und die Wirkungsweise der durch dieses Gesetz ins Leben gerufenen Körperschaft öffentlichen Rechtes, der ,,Ente per le Ville Venete", zu erläutern. Gestatten Sie mir vorerst noch eine Präzisierung: Das Problem, welches auch die Vorbereitung der Erhaltungsmaßnahmen einschließt, findet keineswegs mit der Wiederherstellung des Denkmäler bestandes automatisch eine befriedigende Lösung; diese hängt vielmehr von unserer Fähigkeit ab, das Bau werk wieder zu neuem Leben zu erwecken. Ein Gebäude ohne Lebenszweck ist zum Sterben verurteilt. Ein Haus, das seine Bewohner nicht lieben, weil sie es nicht angenehm finden, ist zum Untergang verurteilt. Um es zu lieben, muß man darin wohnen oder, genauer gesagt, man muß den Willen, die Mittel und die Fähigkeit haben, darin zu leben; und das ist mehr, als bloß darin zu wohnen. Es ist daher fraglos unumgänglich notwendig, daß jedes Bauwerk, das zu einem bestimmten wirtschaftlichen und sozialen Zweck errichtet wurde, die konkrete Möglichkeit erhält, sich in die wirtschaftliche und soziale Wirklichkeit der Epoche einzugliedern, es muß dazu ,,erzogen" werden, sich den dauenrden Evolutionen der Geschichte anzupassen. In unserem Fall müssen die ,,Ville Venete", die als Orte der ,,Erlustigung" geschaffen wurden, diesen Charakter für die Einzelpersonen ebenso wie für die Gemeinschaft weiterbehalten, um ihrer msprünglichen Bestimmung gerecht zu bleiben, wie sie von Palladio so schön formuliert wurde: ,,. . . die Villen, wo die körperliche Gesundheit und Widerstandsfähigkeit auch dmch Bewegung, die auf dem Land sowohl zu Fuß wie auch zu Pferd erfolgen soll, viel leichter erhalten wird, und wo sich auch der von der Hast der Städte ermüdete Geist gut erholt..." Es ist dies eine vorweggenommene Lobpreisung
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