teilnehmer die dringende Empfehlung ausgesprochen, bei großen öffentlichen Arbeiten des Verkehrs, der Elektrifizierung etc. rechtzeitig, das heißt schon im Stadium der Planung, das Einvernehmen mit den für das kulturelle Erbe verantwortlichen Behörden zu pflegen. Im Verlaufe der Tagung konnten den Teilnehmern auch zahlreiche Arbeiten der österreichischen Denkmalpflege gezeigt werden; sie fanden, ebenso wie die Publikationstätigkeit des Bundesdenkmalamtes, allgemeine Anerkennung, welche in einer besonderen ,,declaration" ausgedrückt wurde. Außerdem haben die Tagungsteilnehmer die Amtsleitung in ihrem Wunsche bestärkt, die von Professor Dr. A. Klaar verfaßten Baualterpläne österreichischer Städte und Märkte in geeigneter Weise zu ver öffentlichen und auch den Mitgliedstaaten des Europarates zugänglich zu machen. Für die Situation in Österreich ergibt sich als Polgerung aus den Erkenntnissen dieser Tagung: Ebenso wie in vielen anderen Staaten müßte auch in Österreich die unzulängliche Gesetzgebung auf dem Gebiet des Denkmalschutzes durch eine erweiterte und moderne ersetzt werden. Ein entspi'echender Gesetzentwurf ist seit langem ausgearbeitet. Als wesentliche Voraussetzung für jede fruchtbringende Tätigkeit aber müßte auch bei uns die Institution der Denkmalpflege ausgebaut und durch eine ausreichende finanzielle Basis untermauert werden. Im Sinne der Empfehlung des Europarates wären die Verantwortlichen im Staat und die gesamte Öffentlichkeit über die Dringlichkeit dieser Fragen zu unterrichten, um die Forderung der Denkmal pflege als lebendige Aufgabe unserer Epoche zu erkennen. PiBTRo Gazzola DIE „VIELE VENETE"! Das Thema, welches der Europarat in Zusammenwirken mit unseren österreichischen Freunden in Wien zur Diskussion gestellt hat, ist ein sehr nützliches und zeitgemäßes Problem. Gestatten Sie mir, unserem Generalberichterstatter, Frau Dr. Gertrude Tripp, für die Präzision und die hohe Einsicht, mit der sie die Problemstellung abgegrenzt und unsere Arbeiten organisiert hat, meine ganz besondere Anerkennung auszusprechen. Ich will versuchen, meinen bescheidenen Beitrag zur Entwicklung unserer Arbeiten beizusteuern, indem ich Ihnen darlege, wie mein Land, Italien, diesem Problem zu Leibe gerückt ist und sich in einem als Beispiel gedachten Versuch bemüht hat, eine Lösung zu finden : nämlich durch das Gesetz zur Erhaltung und Wiederherstellung der ,,Ville Venete". Es ist wohl am Platz, den Ausdruck ,,villa" näher zu präzisieren, der etwa soviel bedeutet wie das französische ,,chäteau". Er bezeichnet demnach ein Bauwerk oder ein Ensemble von Bauten, welches im offenen Land liegt und von Gartenanlagen umgeben ist; meistens gehört auch noch ein landwirt schaftlich genutzter Grundbesitz dazu (Abb. 79-86). Die durch die beiden Weltkriege bedingte wirtschaftliche Umwälzung, die damit verbundene Änderung der Lebensbedingungen und der sozialen Verhältnisse haben sich in besonders starkem Maße auf diese Kategorie von Herrschaftssitzen ausgewirkt, indem sie die Grundbedingungen für ihr Entstehen und ihre Entwicklung beseitigten. Die vorrangige Bedeutung der Mechanisierung, die Beschleunigung des Verkehrs, die neuen Ansprüche, welche heutzutage an einen ürlaubsort gestellt werden, die Anziehungs kraft der Berge und des Meeresstrandes, vor allem aber die neue Gesellschaftsstruktur, die immer weiter fortschreitende Zerteilung des Grundbesitzes, die immer geringere Wirtschaftlichkeit der Landwirtschaft, die allgemeine Verbürgerlichung, die zum Aufschwung gewisser Kreise und zum wirtschaftlichen Rück gang anderer führt: all das gehört zu den unmittelbaren Ursachen des Niederganges der Villen. Nur ein ganz geringer Teil der vielen Bauwerke, die man als ,,Villen" bezeichnen kann, vermochte seinen ursprünglichen Charakter zu bewahren und konnte durch die Tatkraft und den Kunstsinn der Besitzer zu neuem, blühendem Leben erweckt werden. Die Mehrzahl dieser Villen aber ist heute zu provisorischen Wohnzwecken herabgewürdigt und, um die Unterhaltskosten auf ein Minimum herabzudrücken, nur notdürftig eingerichtet und so dem Verfall preisgegeben. In dem gleichen ruinösen Zustand befinden ^ Übersetzung des Originalvortrags, gehalten bei der Tagung des Europarates am o. Oktober 1965 in Wien.
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