Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

GIAN PIERO BOGNETTI t Am 22. Februar 1963 ist der Generalsekretär der Internatio nalen Gesellschaft für Frühmittelalterforschung, Universitäts professor Dr. Gian Piero Bognetti, im Alter von 61 Jahren von uns gegangen. Nach dem Ableben von Dozent Dr. Franz v. Juraschek, der als Spiritus rector der Vereinigung seit ihrer Gründung diese Stelle eingenommen hatte, wurde im Herbst 1959 G. P. Bognetti, Ordinarius für Rechtsgeschichte an der Universität Mailand, zum Generalsekretär gewählt, nachdem er die Vereinigung seit ihren ersten Anfängen durch Rat und Tat unermüdlich gefördert hatte. Die Annahme der Wahl durch den hochgeschätzten Gelehrten bedeutete für die europäische Frühmittelalterforschung eine Bestätigung ihrer bisherigen Leistungen und zugleich die Verpflichtung zu neuen wissen schaftlichen Aufgaben, die von der überragenden Persönlich keit dieses Forschers richtungsweisende Impulse empfangen konnte. Über sein spezielles Lehrfach hinausgehend, erstreck ten sich seine wissenschaftlichen Untersuchungen auf die kultur- und geistesgeschichtlichen Bereiche sowie auf wesent liche Phänomene des Frühmittelalters, wobei sein universeller Geist zu einer grundlegenden Methodologie dieses Zeitalters gelangte. G. P. Bognetti, der in allen entsprechenden fachwissenschaftlichen Gremien seines Heimatlandes Sitz und Stimme hatte, ließ sich die Förderung der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiete der Forschung außerordentlich angelegen sein. Es bedeutet für die Frühmittelalterforschung, die an einer Ko ordinierung verschiedener Disziplinen zur Erreichung eines gemeinsamen Zieles interessiert sein muß, einen besonders schmerzlichen Verlust, daß die weitgespannten Pläne des Ver storbenen nicht mehr ausgearbeitet werden konnten, nachdem er sie auf dem letzten internationalen Kongreß in Katalonien zur Debatte gestellt hatte. Seine Lehrtätigkeit führte ihn von Mailand über Pisa und Genua wieder in seine Heimatstadt Mailand zurück. Er hat sich durch grundlegende wissenschaftliche Arbeiten in der Forschung über die Langobarden und ihre Zeit auf einer Reihe von Fachgebie ten einen international anerkannten Namen gemacht. Von seinen zahlreichen Publikationen, deren bekannteste wohl sein Beitrag in der Monographie über S. Maria di Castelseprio (1948) ist, sei als besonders charakteristisch nur sein im dritten Kon greßbericht der Frühmittelalterforschung (1954) veröffent lichter Aufsatz angeführt: ,,Sul Tipo e il Grado di Civiltä dei Langobardi in Italia, secondo i dati dell'Archeologia e della Storia del Arte". Dem wissenschaftlichen Wegbereiter und repräsentativen För derer der Frühmittelalterforschung wird die österreichische Gruppe der Vereinigung ebenso wie dem warmherzigen Freund und Menschen und der eindrucksvollen Persönlichkeit stets ein dankbares und ehrenvolles Gedenken bewahren. H. Mitscha-Märheim Kurt Holter RICHARD KURT DONIN t Am 1. Mai 1963 ist Hofrat DDr. Richard Kurt Donin im Alter von 82 Jahren verschieden. Sein Leben hat eine doppelte Er füllung gefunden. In seiner juristischen Beamtenlaufbahn bei der Niederösterreichischen Landesregierung war es ihm ver gönnt, als Leiter des von ihm gegründeten Landesjugendamtes eine überaus fruchtbare Tätigkeit für die Betreuung der ge fährdeten Jugend von Wien und Niederösterreich zu entfalten. Neben dieser seiner hauptberuflichen Tätigkeit studierte Richard Kurt Donin Kunstgeschichte bei Dvofäk und Strzygowski an der Wiener Universität und erwarb im Jahre 1913 den Doktorgrad. Eine Einladung Prof. Dvofäks, des damaligen Leiters der k.k. Zentralkommission zur Erforschung und Er haltung der Kunst- und Baudenkmale, die Stellung eines Landeskonservators von Niederösterreich zu übernehmen, schlug er aus, da er in der Jugendfürsorge seine Berufung sah. Durch fast zwei Jahrzehnte wirkte er gleicherweise in der Jugendfürsorge und als Kunsthistoriker und sah eine besondere Aufgabe darin, durch Führungen und Vorträge die Ergebnisse seiner Forschungen auch der Jugend zugänglich zu machen. Als seine Forderung nach weiterer finanzieller Förderung der Jugendfürsorge im Jahre 1933 nicht das entsprechende Gehör fand, trat er als Beamter in den Ruhestand, um sich nun ganz seinem zweiten Berufe zu widmen. Donin gehört zu jenen wenigen Persönlichkeiten, die als Privat gelehrte auf großen Erfolg und weitgespannte Wirksamkeit hinweisen können. Seine Tätigkeit als Forscher und Kunst pädagoge mag an anderer Stelle gewürdigt werden. Hier soll vor allem auf die Beziehung des Verewigten zur Denk malpflege Bezug genommen werden. Seine ersten Arbeiten galten der romanischen Baukunst und Plastik, der Kirche in Sehöngrabern, den romanischen Portalen, den Karnern, der Rundkirche von Petronell. Eine eigene Arbeit ist dem Typus der Ostturmkirchen im Waldviertel gewidmet. Von überragender Bedeutung ist jedoch das Ergebnis seines Hauptwerkes, ,,Die Bettelordenskirchen in Österreich, Zur Ent wicklungsgeschichte der österreichischen Gotik" (1935). Damit war die Erforschung der Baugeschichte des Mittelalters in Österreich auf eine konkrete Grundlage gestellt und von allen vagen stilgeschichtlichen Kombinationen befreit worden. Von nicht geringerer Bedeutung sind seine Arbeiten über den,, Wiener Stephansdom als reifstes Werk bodenständiger Bautradition" (1943) und spätere Untersuchungen über den ,,Wiener Ste phansdom und seine Geschichte" (1946). Einen weiteren wichtigen Beitrag zur Erforschung der öster reichischen Baukunst hat Richard Kurt Donin durch seine Studien über den Einfluß Venedigs auf die Baukunst Öster reichs geleistet. Sein wichtigstes Werk auf diesem Gebiet ist wohl ,,Vincenzo Scamozzi und der Einfluß Venedigs auf die Salz burger Architektur" (1948). Der Erforschung des Einflusses der venezianischen Baukunst auf Wien und Niederösterreich galt sein besonderes Interesse in den letzten Jahren. Es ist nicht möglich, von den mehr als hundert bedeutenden Publikationen auf dem Gebiet der Kunstforschung hier auch nur alle jene namentlich zu nennen, welche für die Erforschung öster reichischer Kunst von Wichtigkeit sind. Erwähnt möge hier nur werden, daß Richard Kurt Donin an verschiedenen Auflagen des Bandes ,,Niederösterreich'' in der Reihe der Dehio-HandbücherwesentlichenAnteilhatte. Die Bedeutung Donins bestand jedoch nicht nur in der Er forschung der Bau- und Kunstdenkmäler. Die romanische

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