Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

BUCHBESPRECHUNGEN H.Belting: Die BasMica dei SS. Martiri in Cimitile und ihr frühmittelalterlicher Freskenzyklus (For schungen zur Kunstgeschichte und christlichen Archäo logie, hg. von F. Gerke, 5. Bd.). F. Steiner Verlag GmbH., Wiesbaden 1962 In der unter dem Patronat von G. v. Opel (wo gibt es in Öster reich Ähnliches ?) erscheinenden, von Professor Friedrich Gerke, Mainz, herausgegebenen, sehr verdienstvollen Reihe darf der vorliegende Band in gleicher Weise das Interesse des Kunst forsehers, des Historikers und des Topographen beanspruchen: in jeder der genannten Richtungen bietet die Studie Vorbild liches. Der in der frühchristlichen und italo-byzantinischen Kunstgeschichte schon erprobte junge Gelehrte beschreibt, analysiert, deutet und datiert den interessanten campanischen Bau der Basilica dei Martiri von Cimitile, dessen hauptsäch liche malerische Ausstattung aus der Zeit der Restaurierung der alten Kapelle und der Errichtung des Portalvorbaues, dem frühen 10. Jahrhundert stammt. Die Ausmalung erfolgte in zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Phasen (1. Apsis, 2. alles übrige), wurde um 1100 und im frühen 13. Jahrhundert übermalt und ergänzt und vor kurzem gereinigt. Der Zyklus mit Maria und Engeln in der Apsis, Majestas an der Ostwand und einem christologischen Zyklus im Hauptraum wäre ange sichts der Kargheit an Denkmälern des 10. Jahrhunderts schon interessant genug; dazu kommt aber noch ein Zyklus (in Resten) aus dem Leben Petri, in dem besonders ein Bild von höchstem historischem Wert ist: die Darstellung der Hinfüh rung Petri zur Kathedra (,,Pasee oves meas"). Diese an sich eimnalige Darstellung wird von Belting mit der spezifischen historischen Situation zur Zeit Leos III. von Nola, des voraus zusetzenden Stifters der Wandgemälde, in Zusammenhang ge bracht. Die Darstellung war „veranlaßt durch die Anfechtung der Ordination des gleichen Leo, den wir als Stifter der Basilica dei Martiri zu betrachten haben. Die Komposition findet mit allen Bildelementen eine ausreichende Erklärung in den Ver teidigungsschriften, zu denen Leo von Nola seinen Gesinnungs und Parteigenossen, den Formosianer Auxilius, aufgefordert hat. Die Konzeption der Kathedraszene... ist dmch die schwer ste Krise bedingt, die die Idee des Petrusprimats im frühen Mittelalter erlebt hat." Damit ergibt sich eine Datierung in die Zeit des genannten Leo, ,,der in den frühen neunziger Jahren des 9. Jahrhunderts von Papst Formosus zum Bischof geweiht worden und 20 Jahre später noch als Inhaber der Nolaner Kathedra bezeugt ist." Der Terminus ante quem wäre das Jahr 911, damit dem Tod des Papstes Sergius III. die Kathedra szene ihre Aktualität bereits verloren hatte - die größte Wahr scheinlichkeit besteht für die Jahre 904 und 911. Eine allgemeine Bestätigung der Datierung ins 10. Jahrhundert ergibt sich aus dem Vergleich mit dem liturgischen Rotulus der Benedictio fontis, Rom, Bibl. Casanatense, Cod. 724, IB 13, der zwischen 969 und 981 in Benevent entstanden ist. Die sehr enge Verwandtschaft der Miniaturen dieser Handschrift wird von Belting als willkommener Beweis für die Richtigkeit der Datierung der Fresken von Cimitile gebucht. Allerdings ist diese Verwandtschaft so eng, daß man sogar an die gleiche Hand für Miniaturen und Fresken denken möchte. Das ist aber nicht gut möglich, da nach den historischen Fakten die Ent stehungszeit der beiden Werke ca. 60 Jahre auseinander liegen muß. Wenn an diesen Fakten nicht zu zweifeln ist, was wir Belting glauben müssen, dann ergibt sich für den Kunst historiker die wenig ermutigende Erkenntnis, daß — wenigstens in einer an Denkmälern so armen Zeit wie dem 10. Jahr hundert — die engste stilistische Verwandtschaft, die unter anderen Umständen zur Annahme einer absoluten Gleich zeitigkeit berechtigen, ja sogar verpflichten würde, nicht aus reicht, um zu einer auch nur auf ein halbes Jahrhundert ge nauen Datierung zu gelangen. Umso verdienstlicher war es, diese Situation einmal ausführlich dargelegt zu haben. Dr. Belting und der Herausgeber sind zu der wichtigen, auf schlußreichen und vorbildlich ausgestatteten Veröffentlichung aufrichtig zu beglückwünschen. O. Demus Karl Forstner: Die karolingischen Handschriften und Fragmente in den Salzburger Bibliotheken (Ende des 8. Jahrhunderts bis Ende des 9. Jahrhunderts). Mit teilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, 3. Ergänzungsbd., Salzburg 1962. 70 S., 20 Abb. auf 14 Tafeln Es ist sehr erfreulich, daß aus Salzburg, dem ursprünglichen Zentrum der wichtigsten Schreibschule des Südostens in der Karolingerzeit, eine Zusammenfassung des lokalen Materials vorgelegt wird, das alle wechselvollen Zeitereignisse und Bücher verbringungen an Ort und Stelle überdauert hat. Als Ausgangs basis dient die Paläographie, doch ist sehr erheblicher Wert auf Beschreibung und Einordnung auch des kunsthistorisch inter essanten Materials gelegt. Die Publikation ist daher für den Kunsthistoriker ebenso interessant wie für jeden anderen Fach wissenschaftler, der sich mit den frühen Handschriften be schäftigt. Forstner gibt einen genauen Katalog der einzelnen Stücke, befaßt sich aber auch eingehend mit der Entwicklung der Schreibschule, ohne hier eine Vollständigkeit anzustreben, da von B. Bischoff, München, eine Gesamtdarstellung seit langem vorbereitet wird. Wer bisher seine Kenntnisse über das in Salzburg verbliebene Material aus dem Band des beschrei benden Verzeichnisses von H. Tietze geschöpft hat, wird eine beträchtliche Überraschung erleben. Forstner verzeichnet 56 Handschriften bzw. Fragmente, von denen eine ganze An zahl mit verzierten Initialen geschmückt ist. In den Kapiteln, die dem Katalog vorausgehen, wird dieses Material nach den verschiedensten Gesichtspunkten untersucht und nach seiner entwicklungsgeschichtlichen Eingliederung besprochen. Es ist daher selbstverständlich, daß das Hauptproblem des Buch wesens der Karolingerzeit in Salzburg, das Verhältnis Salzburg - St. Amand in Nordfrankreich, ausführlich behandelt wird. Das Problem ergibt sich daraus, daß der spätere Erzbischof von Salzburg vorher Abt des genannten Klosters war, dessen Schriftwesen in Salzburg einen keineswegs in einem Satz zu sammenzufassenden Niederschlag gefunden hat. Da Forstner allein das in Salzburg befindliche Material untersucht, bleiben einzelne Fragen imberührt, so etwa das Problem des in Mün chen befindlichen Isidor (Clm. 16128) mitsamt der nahe stehenden und doch in die St. Amand-Problematik verwickel ten Hieronymus-Hs. in Köln, Dombibl. 35 (Lowe, Codices Latini Antiquiores, CLA, Nr. 1146). Von anderen Codices des nordostfranzösischen Klosters (Paris, lat. 1603, 2296, Douai, ms. 12, usw.) werden einzelne kurz erwähnt, aber nicht aus gewertet. Für eine endgültige Stellungnahme wird dies aber notwendig sein. Das gilt auch für die Stuttgarter Handschrift

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