Das eigenartige Gebilde, das wie ein Vogelflügel aussieht und dem Bogenteil des U aufgesetzt ist, wird im Godescalc-Evangeliar öfters verwendet, besonders in der Randleiste auf fol. 125ri®. Nur im vorliegenden Blatt sind die beiden Motive der Kopfbüste und der Silhouetten zusammen dar gestellt. Die Verwendung von Tierfiguren zur Bildung von Buchstaben ist ebenfalls nur in diesem ein zigen Fall bekannt. In einigen anderen Handschriften sehen wir vereinzelt Tierfiguren in den Bändern des Flechtwerkes, aber nicht als Bestandteile von Buchstaben. Eine zeitliche Einordnung des Blattes bzw. des Evangeliars ist auf Grund stilistischer Merkmale kaum möglich. Auch Köhler gibt für die von ihm besprochenen acht Handschriften nur den zeitlichen Rahmen von 783-814 an^®. Auf Grund äußerer Hilfsmittel kann die Vollendung des Godescalc-Evangeliars für das Jahr 783, die Vollendung des Dagulf-Psalters vor 795 als gesichert gelten. Für das Wiener Blatt kommt ebenfalls ein äußeres Hilfsmittel in Frage, die insulare Schrift des IVxtes. Diese Schrift war für die Hofschule Karls des Großen nicht mehr in Verwendung. Alle anderen Werke sind in der karolingischen Minuskel geschrieben, die gerade von dieser Schule in vorbildlicher Form ge pflegt wurde. Ein Evangeliar, das noch in insularer Schrift geschrieben ist, muß entweder vor den anderen Werken der Hofschule entstanden sein, als dort noch Kalligraphen der alten Schule tätig waren, oder es ist anders wo entstanden, wo nach der Auflösung der Hofschule einer ihrer Künstler den Auftrag zur Ausschmükkung erhalten hat und wo noch die insulare Schrift gepflegt wurde. Da Lowe die Schrift in die Zeit der Wende vom 8. zum 9. Jahrhundert datiert^", ist eine Spätdatierung nach 814 nicht gut möglich. Einige charakteristische Motive, wie der Mäander und die Silhouetten, kommen schon in den ältesten Handschriften vor, dem Godescalc-Evangeliar und dem Dagulf-Psalter. • Das merkwürdige Motiv des Ornamentes in Form eines Vogelfiügels findet sich im Godescalc-Evangeliar öfters, verschwindet aber gänzlich in den jüngeren Handschriften. Die volle Ausbildung des Mäanders, die Kombination von Kopf und Silhouetten, die sonst nirgends vor kommende Bildung eines Buchstaben aus Tierkörpern sprechen eher für die Spätstufe eines künstle rischen Weges. Man würde daran kaum zweifeln, wenn nicht die insulare Schrift da wäre. Diese Schrift aber, in Verbindung mit einigen Motiven aus der ersten Zeit der Hofschule, läßt eine Datierung in den Anfang der achtziger Jahre des 8. Jahrhunderts möglich erscheinen, vielleicht noch vor dem für 781 bezeugten Beginn am Godescalc-Evangeliar. " Köhler, Tafelband, la. Köhler, Toxtband, S. 9f. Vgl. Anm. 1. ZUM SOGENANNTEN RUPERTUSKREUZ AUS BISCHOFSHOFEN Vor einiger Zeit wurde die Restaurierung des Rupertuskreuzes aus der Pfarrkirche Bischofshofen in Salzburg abgeschlossen. Durch die allzulange praktische Verwendung des Kreuzes waren verschiedenartige Schäden aufgetreten, deren Behebung im Interesse des kostbaren Werkes dringend geboten war. Die Metallverkleidung (vergoldetes Kupfer), die nicht mehr ge schlossen den Holzkern umzieht, wies an den Rändern der einzelnen Platten zahlreiche Riß- und Bruchstellen auf, so daß die Gefahr weiterer Verluste durch Abbrechen kleiner Teile drohte. Die Emailtondi saßen locker in ihren Fassungen, zwei waren gebrochen und unrichtig zusammengesetzt, einer hat eine große Aussplitterung. Der Holzkern (Bergahorn) war gegenüber der Metallverkleidung eingeschrumpft, außerdem war eine Ecke des Querbalkens verkohlt (offensichtlich ver ursacht durch eine brennende Kerze); das Holz an sich erwies sich als gesund. Schließlich war die gesamte Metallverkleidung stark verschmutzt. An jenen Stellen, an denen die alte Feuer vergoldung abgeblättert war, trat Oxydation auf. Um der Metallverkleidung wieder den notwendigen Halt zu geben, wurde der Holzkern sorgfältig ausgeflickt, ebenso auch die S^jalten, die durch das Schrumpfen des Holzes entstanden waren. Die locker gewordenen Dübel wurden erneuert. Diese Arbeiten führte Professor Franz Sochor am Kunsthistorischen Museum in Wien aus. Selbstverständlich wurden dabei auch alle Nägel, Klammern und Schrauben verschiedenen Alters entfernt, die man zur notdürftigen Festigung des Kreuzes von Fall zu Fall angebracht hatte. Die Konservierung der Metall teile besorgte Professor Otto Nedbal von der Akademie für angewandte Kunst in Wien. Zunächst mußten alle Metall platten sorgfältig abgenommen und dann gereinigt werden.
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