Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

teilung, das heißt die Fünfzelinerteilung gekennzeichnet ist, welche als Entwicklung eines irischen Prin zips auf dem Eestlande bezeichnet werden kann. Der 77. Psalm zeigt ebenfalls eine fast seitengroße Initiale; er weist damit auf das byzantinische Prinzip der Psaltereinteilung, das die Mitte des Textes hervorhebt. Nach den übrigen neunzehn Kathismata der byzantinischen Liturgie sind mehrere Psalmen, der 9., 17., 46., 85. und 118., durch größere und auf fallendere Initialen, nicht aber durch Auszeichnung des Textbeginnes hervorgehoben, was jedoch für den 26., 68. und 109. Psalm gilt, die in der römischen Liturgie ausgezeichnet sind. Die übrigen Psalmen dieser Liturgie entsprechen dem Durchschnitt, die hebräische Teilung ist unberücksichtigt geblieben^. Jeden falls sieht man, daß in den Auszeichnungsprinzipien eine beträchtliche Uneinheithchkeit herrscht, die vielleicht der Aufklärung bedürfte. Schon Merton hat daraufhingewiesen, daß in St. Gallen die Initialen der Dreier- bzw. Eünfzehnerteilung durch Bandgeflecht, die der anderen Teilungen stellenweise mit ,,Akanthus"-Formen verziert worden sind. Als besonders bezeichnend gilt hier der Codex Sangallensis 22, das Psalterium Aureum*. Eine strenge Einhaltung solcher Prinzipien ist keineswegs bei allen St. Gallener Psalterien zu beobachten, und in unserer Handschrift ist sie nur insoweit festzustellen, als zwar das Prinzip des Bandgeflechtes in den großen Initialen vorherrscht, sich aber auch bei kleineren findet, während das florale Ornament sich auch in den großen Initialen an nebenrangiger Stelle beobachten läßt. Da die Göttweiger Handschrift außer den Arkaden zur Litanei, den Initialen der Vorreden und der ,,Titelseite" fol. 20v zu jedem Psalm eine Iiritiale besitzt, die noch um 21 Initialen des 118. Psalms und um 10 Initialen der Cantica vermehrt sind, kann leicht ermessen werden, welcher Formenreichtum hier zu erwarten ist. Der Schmuck wird von den Metallfarben Silber und Gold beherrscht, die anderen Farben, außer Rot, treten zurück, sie werden jedoch zur Füllung der Kapitalbuchstaben verwendet, mit denen die Textanfänge der besonderen Psalmen ausgezeichnet sind. Entgegen dem insularen Prinzip der Dreierteilung scheint uns die Ausstattung eines jeden Psalms mit einer Initiale eine kontinentale Tradition zu sein, da die ältesten Prunkpsalter, die wir besitzen, zum Bei spiel der Mondseer Psalter in Montpellier (vgl. Abb. 229), der sogenannte Psalter Karls d. Großen von St. Riquier (Paris, lat. 13159), der Psalter von Corbie (Amiens, ms. 18), alle durchlaufenden Schmuck besitzen. Das gilt auch für die Initialen des reich illustrierten Stuttgarter Psalters, Cod. bibl. fol. 23, und in gleichem Maße für die merowingisch gestalteten Initialen des älteren Stuttgarter Psalters (Cod. bibl. fol. 12a-c), obwohl dieser dem insular bestimmten Skriptorium von Echternach entstammen dürfte®. Soweit es sich um ,,gallLkanische" Psalterien handelt, gehören auch alle St. Gallener Handschriften hier her, eines der ältesten Beispiele, Zürich, ms. Rh. 34®, kennt noch keine Unterscheidung der einzelnen Prinzipien, und der altertümliche Sangallensis 27' deutet nur mit der Initiale zum 101. Psalm das Ein dringen der Dreierteilung an. Dennoch sind auch in diesen Handschriften Hinweise auf eine Wertigkeit des Ornamentes festzustellen, und zwar in einer besonderen Rolle des Bandgeflechtes. Dieses ziert die Arkaden, in denen zum Beispiel die Evangelisten im Codex Millenarius und Christus und David im Psalter von Montpellier stehen oder sitzen, es ziert aber auch die jeweils erste Initiale des letztgenannten Psalters, und ebenso Paris, lat. 13159®, wie Amiens, ms. 18®. Auch in unserer Handschrift nimmt dieses Ornament die erste Stelle ein (Abb. 217 und 218), es befindet sich freilich gegenüber den genannten Beispielen in weitgehender Auflösung; es ist teilweise als Band geschlinge zu bezeichnen, dem der strenge altertümliche Charakter verlorengegangen ist. Es ist in Um bildung zum späteren romanischen Ornament begriffen. Mehr oder minder deutlich wird auch der Einfluß des sogenannten franko-sächsischen Ornaments sichtbar (z.B. fol. 114r: Ps. 71, Abb. 226), ein Element der letzten Entwicklung jener Zeit. An allen wichtigen Stellen ist dieses Bandornament bekrönt und beendet durch Tiermotive, vor allem von Vierfüßlern, aber auch von Vogelköpfen. Manche der letzteren kann man als Adler bezeichnen, so ® Vgl. dazu die Übersicht bei Holter, 1. c., S. 426ff. 4 Merten, 1. c., S. 38ff., Taf. XXVIII-XXXII. - Holter, 1. c., S. 438 mit Lit. ' Literatur zu diesen Hss. ebenda, S. 435 bzw. 429. ® Merton, 1. c., S. 19. ' Vgl. Anm. 2. 8 Vgl. Holter, 1. c., Abb. 4. 8 Mss. ä peintures, Paris 1954, Pl. XII, Nr. 84.

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