teilweise wird die Sigvaldplatte als Altarfrontale angesehen^^, manchmal auch als Chorschranken platte Zum Problem der ursprünglichen Bestimmung ergeben die Inschriften auf den vier Tafeln der Evangelistensymhole einen wichtigen Hinweis. Die Texte der Inschrifttafeln gehen auf ein literarisches Vorbild zurück: sie sind einem geistlichen Werk aus dem fünften Jahrhundert, dem ,,Carmen paschale" des Caelius Sedulius, entnommen^®, wobei auf jede Tafel ein Hexameter entfällt und die vier den Evange listensymbolen zugeordneten Inschriften ein geschlossenes Zitat ergeben. Im ,,Carmen paschale" beginnt die Reihe der Evangelisten mit dem Vers des hl. Matthäus, der sich im oberen Medaillon der rechten Seite, auf der vom Engel gehaltenen Tafel findet: t HOC MATHEVS AGENS HOMINEM GENERALITER IMPLENS Unterhalb des Matthäus-Symbols weist der Löwe des hl. Markus seine Tafel mit dem entsprechenden, im Text des Sedulius auf den Matthäus-Vers folgenden Hexameter vor: t MARCUS UT ALTA FREMENS VON PER DISERTA LEONIS Der nächste Vers im ,,Carmen paschale" ist dem Evangeli,sten Lukas gewidmet, dessen Sinnbild im linken unteren Feld eine ornamentierte Tafel mit der Inschrift hält: t IVRA SACERDOTIS LVCAS TENET ORF IVVINCI Im oberen Medaillon der linken Seite vertritt der Adler den Evangelisten Johannes mit folgendem, inhaltlich besonders bezeichnendem Vers: t MORE VOLANS AQUILAE VERB(o) PETIT ASTRA JOHANNIS Den Sinn der vier Hexameter ergänzen die beiden folgenden Verse im Carmen paschale: Quatuor hi proceres, una te voce canentes Tempora seu totidem latum sparguntur in orbem. Die Inschriften der vier Tafeln, die von den symbolischen Figuren vorgewiesen werden, erläutern das Thema des Reliefs. Die Evangelisten, deren Sinnbilder hier durch die gemeinsame Geste und eine streng symmetrische Anordnung verbunden sind, vereinigen sich in der Verkündung der Heilsbotschaft und in ihrer Verbreitung. Vom Evangelium her, von seiner Bedeutung und seiner Rolle m der Liturgie, ist die Sigvaldplatte ikonographisch zu verstehen. Dies gilt nicht nur für die Medaillons mit den Evangelistensvmbolen, sondern auch für die Mittelzone mit dem Standkreuz und den beiden Leuchtern. Im frühen Mittelalter wurde nämlich der Lesegottesdienst mit einer Prozession begonnen, die das Evan gelium mit zwei von Akolythen getragenen Leuchtern vom Altar zum Amho geleitete; die Ehrung des heiligen Buches durch das Entzünden und Voran tragen von Lichtern ging dem Absingen des Evangeliums unmittelbar voraus^'. Der erhöhte Podest, auf dem der Diakon hei der Lesung stand, war mit einer ver zierten Brüstung versehen, deren Reliefschmuck zumeist auf die liturgische Funktion der Lesebühne abgestimmt war. Von den vorromanischen, in Stein geschaffenen Ambobrüstungen, die uns erhalten geblieben sind, zeigen manche ebenfalls in der Mitte ein ornamentiertes Kreuz mit stilisierten Palmetteni^. Selten aber ist bei derartigen Werkstücken inhaltlich ein so deutlicher Bezug zur Verkündung des Evangeliums gegeben, wie er bei der Sigvaldplatte in den Sinnbildern der vier Evangelisten und ihrer " C. Cecchelli (Mem. Stor. Forog., 1919), 62, n. 2; A. Haseloff (1930), Tat. 46; A. Santangelo (Cat. 1936), 16; R. Kautzsch (Rom. Jahrb. f. Kunstgesoh., V, 1941), 18; E. Sohaffran (1941), 99; Marionl-Mutinelli (1958), 347; Riehard Hamann, Geschichte der Kunst von der altchristlichen Zeit bis zur Gegenwart, Berlin 1933, 128, Abb. 107. C. Cecchelli (Mem. fStor. Forog., 1919), 62, n. 2; A. Haseloff (1930), 51; E. Schaffran (1941), 99; A. M. Pous, Untersuchungen zum Kompositionsscheina vorromanischer römischer Chorschranken von der byzantinischen bis zur langobardischen Zeit, in: Karolingische und ottonische Kunst, Forsch, z. Kunstgesch. u. christl. Archäol., III, Wiesbaden 1957, 244. Carmen paschale, L. I., in: M. L. XIX, 194/95. Vgl. den Artikel s. v. Sedulius (Caelius) von A. Mauser, in: LThK, IX, 1937, 399/400. Dieselben Stellen aus dem Carmen paschale finden sich auf den Inschrifttafeln der zwei erhaltenen Evangelistensymbole, die auf einem Reliefbruchstück des 8. Jhs. an der Brüstung des ,,Calixtus-Baptisteriuras" dargestellt sind (Abb. 216, vgl. oben, Anm. 3); C. Cecchelli (J Monuraenti..., 1943), 35. W. A. Jungmann, Missarum Sollemnia, Wien 1948, I, 548—550. So die bekannten Arnboplatten aus Burgund; Julius Baum, Die Flechtwerkpiatten von St. Aurehus in Hirsau, in: Zs. f. Württ. Landesgesch., XVII, 1958, 248-250, Abb. 7.
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