tiefgründige Erwägungen über Doublierung von Leinwand bildern mit Wachs oder mit Kloisteremulsion bringt, so ist dies kennzeichnend für die bescheidene Art, wie hier tief gründiges Wissen dargeboten wird. Die hohe Ethik, welche die Restaurierwerkstätte in Bonn beseelt, geht auch aus einem Beitrag von Willemsen hervor, in dem er über Aufgaben und Probleme spricht und als wesentliches Motiv der Wieder herstellungsarbeit die Erkenntnis des Kunstwerkes in seiner originalen Realität bezeichnet. Die Ehrfurcht vor dem Alters zustand bringt es mit sich, daß das Kunstwerk nach Frei legung des originalen Bestandes der schützenden Übermalungsschiehten entbehrt und daß sich nun der Abnützungspi'ozeß in Zukunft an der originalen Substanz ab.spielen wird, ein Bedenken, das den ernsthaften Restaurator sehr beunruhigen muß. Die Gewissenhaftigkeit der Bonner Werkstätte muß als vorbildlich bezeichnet werden. Das Bestreben, das originale Kunstwerk in seinem gewordenen Alterszustand zu zeigen und jede Form von Keuwertigkeit zu vermeiden, ist bei allen Arbeiten rühmlich hervorzuheben. Es mag hier eine Spannung zwischen den Intentionen der Denkmalpflege au den Bau werken und der Restaurierung r'on Werken der Plastik und Malerei vorliegen. Der Beurteilungsmaßstab muß jedoch deshalb verschieden sein, weil ja die Architektur durch ihre raumbildende Funktion - zweckbostirnmter erscheint. Weit über den Rahmen des Restauratorischen hinaus gehen die Einzeluutersuchuiigen, die an einzelne Restaurierungs arbeiten anschließen. So etwa der bedeutende Aufsatz von Rudolf Wesenberg über den Frauenberger Kruzifixus aus dem 12. Jahrhundert, der nun nach Freilegung seiner ursprüng lichen eindrucksvollen Polychromierung in die romanische Plastik des Rheinlandes neu eingeordnet wird und als bedeut samer Abschluß einer Reihe erscheint, wobei uns der Autor die Erkenntnis vermittelt, daß gerade bei der Darstellung des Gekreuzigten ältere Formen immer wieder hindurch schimmern. Zu einer ähnlichen Erkenntnis war Wesenberg schon bei seinem Beitrag über das Kruzifix aus Brem)3t im Jahrbuch XXIll gekommen, in welchem er eine Grujrpe romanischer Kruzifixe aus dem 11. Jahrhundert mit gleich zeitiger Buchmalerei vergleicht und als Nachklang ottonischer Kunstübung sieht. Ein Beitrag Fried Mühlbergs beschäftigt sich mit zwei rheinischen Kruzifixen der Gotik (aus den katholischen Pfarrkirchen in 8t. Jöris und aus der Pfarrkirche St. Mauritius in Köln), wobei uns über diese beiden Kunst werke hinaus eine Abfolge von Gabelkreuzen aus den Rhein landen vom Anfang bis zum Ende des 14. Jahrhunderts geboten wird. Die kunstgeschichtliche Bearbeitung der restaurierten Gegenstände erscheint so wertvoll, daß keine Kunstgeschichte der Zukunft ohne diese Berichte auskommen wird. Viele dieser Artikel stellen erstmalige Publikationen bedeu tender Kunstgegenstände dar, mit einer Ftille von Ab bildungsmaterial und eingehender Dokumentation des Zustandes vor und nach der Restaurierung. So bringt der Bericht des Restaurators Ernst Willemsen über die Wiederherstellung eines Antwerpener Altars in der Pfarrkirche zu Linnich mit der Darstellung der Katharinenlegende nicht weniger als gegen achtzig großartige Lichtbilder, welche dieses bisher uns unbekamite, komplexe Kunstwerk in Einzelaufnahmen mit allen technischen Details, die wir nur wünschen können, zeigt. Ebenso wertvoll sind, uns die Dctailaufnahmen dos Ant werpener Schnitzaltars aus der Pfarrkirche in. Ophoven. So wird uns ein Kunstbereioh zugänglich, der in seinem Ursprungs land Belgien kunstgeschichtlich bisher nicht vollkommen aus gewertet erscheint. Es wäre verlockend, über alle Beiträge zu sprechen, welche sich mit Einzelplastiken oder Gruppen von Plastiken be schäftigen, wie etwa den Aufsatz von Heinrich Appel über eine Sitzmadoima vom Typus ,,>Sedes sapientiae" in der Pfarrkirche zu Drove oder den Beitrag des gleichen Autors über die Vesperbilder aus Heimbaeh und Drove. Es müßten dabei aber jene Leistungen zu kurz kommen, welche auf dem Gebiet der Freskenfroilegung und Restaurierung von der Bonner Werkstätte vollbracht worden sind. Den Kunsthistoriker inter essieren hier vor allem die Berichte und eingehenden Unter suchungen über den Freskenzyklus im Kapitelsaal der ehem. Abtei \'ou Brauweiler, die neben den Malereien \'on 8chwarzrheindorf die wichtigsten Doktnnente der monumentalen Malerei des 12. Jahrhunderts aus dem Rheinland dar.stellen. Wem es vor wenigen Jahren noch geglückt ist, durch das Gefangenenhaus, als welches die Abtei heute dient, bis in den Kai^itelsaal vorzudringen, der war enttäuscht, nicht nur vom Gesamteindruck, sondern von den einzelnen Darstellungen, die im Jahre 1862 durch den Bonner Universitätszeichenlehrer Christian Hoho übermalt worden sind. Freilich war vorher schon eine starke Reduktion eingetreten, die davon herrührte, daß in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Gemälde übertüncht worden waren. Bei der Freilegung in der er.sten Hälfte des 19. Jahrhunderts war viel von der originalen Substanz verlorengegangen. So gewissenhaft die Arbeit Christian Hohes für seine Zeit auch gewesen sein mag, so zerstörte sie doch für den Kunsthistoriker jede Illusion. Hiezu kam, daß noch 1930 ein Dekorationsmaler Bildgründe und Ornamontbänder neuerdings übermalt hat. Hartwig Beseler gibt nun eine lückenlose Darstellung dessen, was über die Geschichte dieses Freskenzyklus bekannt ist und welche Problematik für den Denkmalpfleger und den Kunsthistoriker seit der Auffindung am Anfang des 19. Jahrhunderts mit diesem Zyklus verbunden gewesen ist. Der Freilcgungsbericht von Wolf hart Glaise gibt eine genaue Dokumentation aller Einzelheiten, wobei zutage kommt, daß sich Hohe bei der Übermalung wohl sehr präzise an die Konturen des Originals gehalten hat, daß jedoch die Lokalfarbe in ihrer Dichte eine so weitgehende Veränderung des Eindrucks mit sich brachte und der Duktus der Ausführung so den Gesamteindruck veränderte, daß wir gerne die starke .Reduktion hin nehmen, in der sich die Malereien uns heute zeigen. Auch hier befällt den Denkmalpfleger freilich das Bedenken, daß nun der Rest des Originals freiliegt und unmittelbar allen jenen Prozessen ausgesetzt ist, welche die Zukunft zwangsläufig mit sich bringt. Ein Vergleich mit den im Jahre 1935 freigelegten Fresken aus 8chwarzrheindorf zeigt aber deutlich, um wieviel strenger die Auffassung von dem geworden ist, was als Original bezeichnet werden kann. Von besonderem Interesse scheint auch der Berieht über die Restaurierung der mittelalterlichen Monumentalmalercieii in der Pfarrkirche zu Lipp von Wolfhart Glaise, wobei uns das Original trotz seiner starken Reduktion einen ungewöhnlichen Einblick in den Vorgang seiner Entstehmig ermöglicht. Wolfhart Glaise hat sehr überzeugend dargetan, daß es sich bei der hellroten Umrißzeichnung um den Entwurf, bei der dunklen graphischen Gestaltung um die Endlronturierung und bei anderen Zeichnungsresten um Pentimeuti handelt. Selbst-
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