DAS DENKMALWESEN IN ISRAEL Werte sind relative Begriffe. Nicht zuletzt ist es die vor handene Menge eines materiellen oder ideellen Gutes, die dessen Wert bestimmt. vSo werden auch Altertumsfunde und antike Monumente in einem Lande wie Israel, wo sie in unübersehbarer Menge vorhanden sind, von ganz anderen Aspekten her bewertet als in einem europäischen Lande, sagen wir in Österreich. Durch die historische Vergangenheit des innerhalb des israeli schen Staatsgebietes liegenden Bodens, der ein Teil des Heiligen Landes ist, sind, von den urzeitlichen geologischen Epochen unserer Erde angefangen bis zum Aufhören der Türken herrschaft in der neueston Zeit, die mannigfachsten archäo logischen Funde sowohl an Kleingegenständen als auch an Baudenkmälern oder Bauresten zu verzeichnen. Man kann daher von der Verwaltung eines jungen Staates, abgesehen von dem oben erwähnten Motiv der Werte als Faktor, kaum erwarten, daß sie, die in erster Linie für seine Sicherheit zu sorgen hat, diejenigen Mittel aufbringt, die eine ausreichende wissenschaftliche Aufarbeitung derartiger Men gen an Altertumsfunden benötigt, oder daß sie in der Lage sein soll, jenen Apparat bereitzustellen, den die Pflege der Monumente in jeder Hinsicht, sowohl wissenschaftlich als auch praktisch, erfordert. Darüber hinaus gibt es aber in Israel, als asiatischem Staat, keinen Denkmalschutz im europäischen Sinne, und besonders nicht so wie zum Beispiel in Österreich oder in der Schweiz. Länder des deutschen Kulturkreises haben mit dem schönen Ausdruck ,,Heimatschutz" ihren Willen bezeichnet, alles zu schützen, zu fördern und zu pflegen, was auf ihrem heimatlichen Boden mit bodenständigem Charakter jemals entstand, zu seiner Schönheit gehört, den Einheimischen das Land heimisch und Fremden anziehend macht: Landschaft, Berge und Wiesen, Bäume und Pflanzungen, Tiere, Menschen und Trachten, Bauten, Denkmäler und Kunstwerke jedweder Art. Das Gefühl und die Einschätzung des Begriffes ,,Heimat schutz", das heißt die Liebe zur Schönheit der Heimat wächst mit der Erziehung der Jugend zum Bewußtsein des Bürgers, und so ist es zu verstehen, daß zum Beispiel in der Schweiz die administrativen Bestimmungen gegen eventuelle Über treter diesbezüglicher Gesetze erübrigt werden könnten, weil die Schonung der Natur wie auch die Pflege der Denkmäler und Kunstgegenstände selbstverständliche Pflichten des - Bürgers werden; das Gefühl dieser Pflichten geht durch die Erziehung in sein Blut über und wird so zur Tradition. Der Staatsgedanke ist in dem den diversen Verfolgungen entronnenen Häuflein des israelischen Volkes noch nicht zum Bewußtsein gereift. Die Bevölkerung, die nach einer fast zweitausendjährigen Unterbrechung auf einem Territorium innerhalb eines Teiles des Heiligen Landes wieder zu einem staatlichen Eigenleben gelangte, setzt sich aus von allen Ecken und Enden der Welt heimgekehrten, kaleidoskojiartig zusammengewürfelten Schichten zusammen. Die heute etwa zwei Millionen zählende Bevölkerung spricht außer der offiziellen hebräischen Sprache gruppenweise ungefähr sech zehn Sprachen, die verschiedenen Dialekte nicht gerechnet. Daß eine derart zusammengewürfelte Bevölkerung, die durch sozialen Stand, Kulturhöhe, Erziehung, Beligion, Lebens gewohnheiten und Bechtsempfinden verschiedene, sehr oft bis zu äußersten Gegenpolen sieh ergehende Auffassungen über Recht und Ordnung hat, ist selbstverständlich. Deshalb hat diese Bevölkerung wenig Verständnis für die Schonung und Pflege ihrer Denkmäler, trägt auch nicht gebührend dazu bei, da sie zu ihnen bisher in keiner Beziehung stand, sie nicht einmal mit dem Auge des Eingeborenen sieht, dem diese Objekte doch nahe stehen. Eine positive Einstellung der Bevölkerung ihren Denkmälern gegenüber zu erreichen, ist auch in solchen Ländern ziemlich schwer, wo die dazu berufenen Instanzen bestrebt sind, durch Propaganda, Erziehung, Schulunterricht, aufklärende Vorträge usw. die Bevölkerung, hauptsächlich aber die Jugend dazu zu bringen. Leider wird in Israel auch in dieser Richtung nichts unter nommen, und die Liebe des Publikums zu Altertumsgegenständen äußert sich in der Sammelwut für solche, die leicht verschleppt werden können und Gegenstand eines Handels objektes bilden. In diesem Belange sei als mustergültiges Beispiel die Einrichtung in den osteuropäischen Staaten, besonders in Xlngarn, der Öechoslovakei und Polen erwähnt, wo mit großzügig aufgebauter Propaganda im Radio, Vor trägen für die Öffentlichkeit und Unterricht in den Schulen Liebe und Verständnis den Altertumsfunden und Denkmälern gegenüber im Volke verbreitet wird. Eine unverständliche Leichtfertigkeit der hohen Beamtenschaft in den Projektie rungsstellen in Israel äußert sich im Denkmalwesen des Landes. Aber die Verantwortung für die Erhaltung der Denkmäler kommenden Generationen gegenüber lastet doch immer auf der ganzen" Generation der jeweiligen Zeit. Es ist uns wohl bekannt, daß auch andere Länder mit den Problemen zu kämpfen haben, die ihnen die Denkmäler auferlegen. Diese Probleme bestanden in derselben Form auch im Altertum. Wir kennen eine Inschrift aus dem alten Rom, in der es wörtlich heißt: ,,c[ajus] julius anicetus ex imperio/ SOLIS RECAT, NEQUIS VELIT PARIETES/AUT TRICLIAS, INSCRIBERE AUT SCARIPHARE"^. Bereits im Jahre 154 n. Chr. also hat der römische Bischof Anicetus eine Tafel an irgendwelcher Ruinenstätte oder einem damals schon als Denkmal geltenden Gebäude anbringen lassen, um das Publikum vor Beschädigung oder Bekritzelmig der Mauer zu warnen. Die derzeit in Israel bestehenden Verordnungen zum Schutz der Denkmäler sind in die allgemeinen Vorschriften lür Museen und historische Plätze eingeschlossen; sie wurden von der seinerzeitigen englischen Mandatsregierung noch im Jahre 1929 verfaßt (Antiquities Ordinances and Rules) und vom israelischen Staat übernommen, im Jahre 1959 etwas ergänzt und haben noch heute in IsratJ ihre Gültigkeit. Diese Ver ordnungen sind sehr oberflächlich, mangelhaft, enthalten keine Bestimmung über die Pflege der Denkmäler und lassen einen breiten Raum für Mißbräuche. Laut diesen Verordnungen können in Israel nur solche Objekte den staatlichen Schutz beanspruchen, die vor dem Jahre 1700 ii. Chr. errichtet worden sind. Jüngere Objekte, ohne Rücksicht auf ihren eventuellen künstlerischen, historischen oder sonstigen kulturellen Wert, können ohne weiteres abgetragen werden. Es ist aber nicht immer möglich, das Jahr der Errichtung eines Bauobjektes mit Genauigkeit zu bestimmen; dazu kommt noch, daß seitens der Archäologen des Landes alles, was aus 1 CIL, VI, 52.
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