Gelegentlich haben mittelalterliche Gläser, deren Zeichnung abgeätzt wurde, das Material für neuzeitliche Fälschungen oder Kopien abgegeben. Ein Nachweis der Fälschung ist hier umso schwieriger, als die vorangehende Säurebehandlung durch die Aufschließung des Glases seiner natürlichen Ver witterung Vorschub leistet; die Frist eines Mensehenalters kann genügen, um solchen Scheiben eine ,.Patina" zu ver leihen, die einer durch Jahrhunderte gewordenen täuschend gleicht. Die zweite Verwendung des Glases ist zumeist daran zu erkennen, daß seine Innenseite, auf der keine Verwitterungs schichten zu beseitigen waren, nur eben so weit abgeätzt wurde, wie zur Beseitigung des Farbkörpers der ursprünglichen Bemalung notwendig war. Im auffallenden Licht tritt der Verlauf der originalen Zeichnung, die im durchfallenden Licht verschwunden bleibt, infolge der leichten Unterschiede in der Oberflächenbeschatfenheit deutlich in Erscheinung (Abb. 131). Solche Zweitverwendungen liefern zugleich den Beweis, sofern es eines solchen bedürfte, daß mittelalterliche Gläser in zahlreichenFällen übermalt bzw. neu bemalt und auch neuerlich gebrannt wurden. Leider gibt es für das Erkennen von Übermalungen keine Faustregel. Auch die bei GemäldeÜbernialungen so bewährte Beleuchtung mit ultraviolettem Licht versagt. Allein die zumeist körnigere Konsistenz und der stärker ölige Glanz modernen Schwarzlots vermögen objektive Anhaltspunkte zu bieten (Abb. 132, 133); im übrigen müssen Auge und Kritikfähigkeit des Forschers das Urteil - zumindest heute noch - verantworten. Erst die Sammlung ausreichenden Bildmaterials von sicher datierten Restaurierungen und Ergänzungen wird das subjektive Urteil methodisch untermauern können. Gelegentlich sind außer Schäden in der Feinstruktur des Glases (Haarrisse) auch sichtbare Veränderungen die Folge des neuerlichen Brandes. So können die Verwitterungsschichten der Außenseite infolge der Erhitzung zum Teil abfallen, so daß die verbleibende Patina auf dem Glas ein mehr oder weniger irreguläres Ornament bildet, das in der Durchsicht äußerst verunklärend wirkt (vgl. Farbtafel Abb. 134, Gewän der, Hände, Gesicht des Johannes). Auch Verfärbungen, und zwar sowohl der Verwitterungsschichten als auch des originalen Schwarzlots, können als Folge der starken Er hitzung auftreten. In der Regel haben aber die Restauratoren des 19. Jahrhunderts, zumindest in Österreich, in Erkenntnis dieser Gefahren die Brenntemperatur so niedrig gehalten, daß sie gerade noch zum Aufschmelzen des neuen Schwarzlots aus reichte. Dessen Haftfähigkeit ist deshalb meist auch sehr gering. Verbleiung (G. Frenzel) Zu den geläufigsten Restau rierungseingriffen in den originalen Bestand eines mittelalter lichen Glasgemäldes gehört die Erneuerung der alten Ver bleiung. So notwendig dieser Eingriff bei den überholten Restaurierungspraktiken der Vergangenheit oftmals auch gewesen sein mag, so bedauerlich ist andererseits dieser Verlust für uns heute: Nur eine äußerst bescheidene Anzahl mittelalterlicher Originalverbleiungen ist erhalten geblieben (Abb. 136). Ein Vergleich zwischen alter und neuer Bleiung zeigt, daß das gleichförmige, meistens viel zu breit gewählte, moderne Maschinenblei ausschließlich einer technischen Zweckfunktion dient (Halterung der Gläser), während der mittelalterlichen Bleiung darüber hinaus nicht wiederholbare handwerklich-künstlerische Qualitäten eigen sind, die letztlich die Homogenität eines Originales ausmachen. Im Gegensatz zu den gezogenen, völlig monoton verlaufenden neuen Bleien sind die alten Ruten handgehobelt und variieren lebhaft in Flanschenbreito und Oberflächenstruktur (Abb. 135). Der hohe glatte Kern mit seinen zierlichen halbrunden Flanschen paßt sich den Kröselkanten der Gläser so genau an, daß die Bleiung wirklicher Bestandteil der Zeichnung wird. Ahnlich wie hier ein Kontur an- oder abschwillt, variiert auch die Bleiung in Stärke und Verlauf. Hauptkonturen (in Abb. 135: Nimben bei Maria und dem Kinde, Hauptfaltenpartien im Gewand Mariä, Hintergrundteilung und Umrandung) sind durch Verwendung von Doppelbleien mit grün eingezogenen Weidengerten kräftig betont. Erst in der ausgewogenen Begegnung zwischen filigraner Zeichnung (durch Bemalung und Bleiung) und kräftig akzentuierender Hauptkonturierung (Doppelbleie) einerseits und fein abgestufter Diaphanität (Halbtonbemalung) andererseits offenbart die mittelalterliche Glasmalerei wahre Originalität. Überglasung (G. Frenzel) In dem Bestreben, die veralteten Restaurierungspraktiken vergangener Jahrhunderte den neu zeitlichen Grundsätzen einer verantwortungsbewußten Denk malpflege anzupassen, sind in den letzten Jahrzehnten einige vielversprechende Versuche unternommen worden, das Leben gefährdeter Glasmalereien durch konservatorische Eingriffe zu verlängern. Da sich diese Bemühungen noch im ersten Anfangsstadium bewegen — und vorerst nicht abzusehen ist, welcher Erfolg oder Mißerfolg ihnen im einzelnen beschie den sein wird —, beschränken wir uns hier auf die deskriptive Vorführung derjenigen Überglasungsverfahren, die eine nach trägliche Veränderung des originalen Erscheinungsbildes bewirken. Primäres Ziel dieser Überglasung ist die möglichst risikenfreie Konservierung mittelalterlicher Glasmalereien. Drei verschiedene Richtungen kennzeichnen diesen Weg: 1. Konservierung der Gläser durch Überschmelzen mit einer neuen Glashaut (Abb. 137), 2. Konservierung der Gläser durch Aufbringen von ein oder zwei Deckgläsern - in ,,losem" oder ,,festem" Verbund, 3. Konservierung des gesamten Fensters durch Schaffung musealer Bedingungen am Unterbringungsort — Außenschutzverglasung. Das erste Verfahren, ,,Konservierung durch Überschmelzen", hat besonders im fränkischen Raum weite Verbreitung gefun den (Nürnberg, St. Sebald, St. Lorenz, Abb. 137). Es dient ausschließlich der Konservierung gefährdeter Schwarzlot malerei. Die Festlegung gelockerter Bemalung erfolgt durch Übersprühen der einzelnen (ausgebleiten) Gläser mit einem leicht schmelzbaren Glas-Emaillestaub, der durch Einbrennen (bei reduzierter Brenntemperatur) das Original mit einer neuen, widerstandsfähigen Glashaut überzieht. Verfahrens mäßig bedingte Verändei-ungen lassen sich bei normaler Durchsicht aus der Entfernung kaum oder nur sehr bedingt konstatieren (je nach Situation und Reaktion einzelner Glas arten unterschiedlich: Nachdunkeln, besonders bei lebhaft korrodierten Scheiben; desgleichen Farbveränderungen; kur venförmiges Reißen bei großen Glasteilen; grünspanartige Verfärbung der Halbtonbemalung bei zu hoch gewählter Brenntemperatur). In Nahsicht zeigt die Oberfläche ein griesligkörniges Aussehen. Die Zeichnung liegt wie hinter einem dünnen Schleier verborgen und läßt sich nicht mehr ,,ertasten". Beim
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