Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

t lii.l" Ji „Iii t^ f-.%- - 126. Soest, St. Patroklus, Zwei Köpfe aus der ehemaligen Hauptapsisverglasuug, 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts. Die stark deckende Verwitterung des unbemalten Glases im Gegensatz zu den transparent gewordenen {außen seitigen) Schatten hat eine Umkehrung der ursprünglichen Wirkung herbeigeführt ; die Schatten wurden zu den höchsten Lichtern (aus: H. Wentzel, Meisterwerke der Glasmalerei, 2. Aufl., Abb. 15) verderbliche Praxis auch heute noch, und sogar an prominenter Stelle, geübt^. Nach allem, was oben über die Bemalung der Außenseite und das komplizierte optische Verhältnis gesagt wurde, das sich aus dem Zusaminenwirken der Verwitterung auf den bemalten und den unbemalten Stellen des Glases ergibt, muß klar sein, daß eine Entfernung der gesamten Verwit terungsschicht entscheidende künstlerische Werte vernichtet. Denn selbst dort, wo der Alterungsvorgang die ursprüngliche malerische Erscheinung stark verändert bzw. in ihr Gegenteil verkehrt hat, bleibt sie für den Forscher und aufmerksamen Betrachter immer noch rekonstruierbar (vgl. Abb. 121—126); wo aber die Verwitterungsschichten, auf die im positiven oder negativen Sinn die optischen Funktionen der außenseitigen Bemalung übergegangen sind, entfernt wurden, dort sind auch die Spuren der ursprünglichen Erscheinung getilgt, und ihre Rekonstruktion ist nie mehr möglich®. Wähi'end die konservatorischen Aspekte einer Säure- oder Laugebehandlung der Außenseite hier übergangen werden können, ist es für den Glasmalerei-Forscher wichtig, eine so ® Z. B. im Victoria und Albert Museum, London. Vgl. W. Lowe, The conservation of stained glass. in: Studies in Conservation, Vol. 5, Nr. 4, 1960, S. 139-149. ® Vgl. die beiden Abb. 73 und 74 in: Jb. der rheinischen Denk malpflege, XXII, 1959, bzw. Abb. 69 und 70 in ÖZKD 1960, S. 82f., und die dortigen Ausführungen. behandelte Oberfläche von einer intakten oder natürlich gealterten unterscheiden zu lernen. Selbstverständlich wechselt auch hier das Erscheinungsbild je nach dem Grad der Ein wirkung der Säure oder Lauge. Radikale Behandlung führt eine vollständige Aufschließung der Oberfläche herbei, sie nimmt die gleichmäßig grieslige Struktur eines Mattglases an, die leicht entfernbare oberste Schicht ist weißlich und sandig. Diesem Zustand, in dem die Zersetzung nicht nur auf die Verwitterungsschichten beschränkt geblieben ist, sondern auch das Glas darunter ergriffen hat, begegnet man in der Praxis naturgemäß selten. (Beispiel einer weitgehenden Zersetzung durch Säurebehandlung im 19. Jahrhundert: Obergadenfenster des Kölner Doms.) In der Regel hat die Säure oder Lauge tatsächlich nur die Verwitterungsschichten weggelöst; da diese aber (entsprechend der nicht ganz homogenen Struktur mittelalterlichen Glases) verschieden tief reichen, bleibt nach ihrer Ablösung keine durchaus ebene, sondern eine narbig reliefierte Oberfläche zurück. Zum Unterschied von einer natürlich gealterten ist die neue Oberfläche aber gleichmäßig glatt (Abb. 130; Beispiele für solcherart behandelte Außenseiten boten auf der Erfurter Ausstellung die Scheiben aus Naumburg). Werden die Verwitterungsschichten mechanisch abgeschliffen, so geht auch der letzte Hinweis auf den natürlichen Alterungs prozeß des Glase.s, den das Relief der Oberfläche bietet, verloren.

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