Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

I ll i 108. Straßbui'g, Fraucnhausmuseum, Kopf aus Weißenburg. Ende dos 11. Jahrhunderts. Die drei .Schichten der Beinalung heben sich deutlich voneinander ab (Strasbourg, Museo de l'Oeuvre) Selbstverständlich schließt die hier als Regel hingestellte Abfolge in der Bemalung Ausnahmen, vor allem bei der Anbringung von Retuschen, nicht aus. Für die Spätzeit hat Gruber sogar ein Brennen des Glases zwischen den einzelnen Phasen der Bemalung angenommen^. Bei der Beurteilung des Malvorganges ist schließlich auch zu berücksichtigen, daß es sich dabei nicht um freies Entwerfen, sondern um das Abpausen einer unter dem Glas befindlichen Vorlage handelt. Den Möglichkeiten subtiler Differenzierung der Bernalung vom zarten ,,Wasserton" - Überzug über Schattierungen verschiedener Deckungsgrade bis zum satten Schwarz ent spricht ein ebensolcher Reichtum an Möglichkeiten in der ,,negativen" Technik des Herausarbeitens der Lichter aus der Farbe. Ja, während die Technik der Bemalung selbst, also des Farb auftrags, sich bis zum Aufkommen neuer Malfarben grund sätzlich nicht wandelt, geht (soweit nur die Behandlung der Glas-Innenseite in Betracht gezogen wird) alle Differenzierung der malerischen Mittel, die in der Spätgotik zu beobachten ist, auf der ,,negativen" Seite, dem Herausarbeiten aus der Farbe, vor sich. (Diese scheinbare Abweichung von normalen ^ Gruber, a. a. O., S. 68. Malgepflogenheiten wird selbstverständlich, sobald man sich klar macht, daß wir es mit einem transparenten Malgrund zu tun haben.) Das Arsenal von Hilfsmitteln und Methoden, die der ,,negativen" Technik zur Verfügung stehen, erfährt im Lauf der Entwicklung eine unleugbare Bereicherung. Die Verschiedenartigkeit der erzielten Wirkungen, also etwa eine weich verlaufende Modellierung im Gegensatz zu scharf abgesetzten Lichtstegen, oder andererseits eine pointillistisch aufgelöste Schattenfläche (Abb. III), hängt ebensowohl von der Vielfalt der verwendeten Werkzeuge wie davon ab, ob aus dem noch feuchten oder schon getrockneten Überzug herausgearbeitet wird. Hat beispielsweise einerseits die Belebung einer Halbtonfläche durch quer darüber gezogene Bürstenstriche das Zusammenschieben der noch feuchten Farbmasse, wodurch hellere und dunklere Striche entstehen, zur Voraussetzung (Abb. 112), so ist andererseits die gi'aphische Auflockerung eines Faltenstriches nur durch das Arbeiten mit der Nadel in der trockenen Farbschicht möglich. Vom weichen Vertreibet' über den Haar- und steifen Borsten- ]3insel zum Holz und zur Nadel kommt jedem Werkzeug seine spezifische Funktion (Wischen, Stupfen, Zeichnen) in dieser ,,negativen" Malerei zu. Ihr Zusammenwirken ergibt erst den Reichtum an Modulationen, der etwa einen Kopf der Spät gotik von einem der Romanik oder Hochgotik unterscheidet (vgl. Abb. 105, 110 und III). Schon in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ist, z.B. für die Musterung von Hinter gründen, eine Verwendung von Schablonen nachweisbar (hl. Bartholomäus in Stift Seitenstetten, N.Ö.). Zu einem laufend gebrauchten Hilfsmittel werden sie in Deutschland freilich erst in der Hemmel-Werkstatt. Auch dort kommen aber neben den schablonierten auch frei herausradierte Hintergrüiide vor. Außenseite: Die Bemalung der Innen-(Ansichts-)seite des Glases bildet aber nur einen, oft nicht einmal ausschlaggebenden Teil der malerischen Behandlung überhaupt. In der Regel unter stützen Halbton-Schattierungen auf der Außenseite das zeichnerische Gerüst in der Weise, daß sie entweder die schon auf der Innenseite angedeuteten Schatten noch vertiefen oder selbständig jene Halbschatten beisteuern, von denen besondere Weichheit verlangt wird. Diese Weichheit ist durch die Dicke des als Filter wirkenden Glases von selbst gegeben (Abb. 113, 114). Liegt normaler weise die eigentliche Zeichnung auf der Innen.seite, so können gelegentlich das Streben nach malerischer Wirkung und ein gewisser Manierismus der Spätzeit das Verhältnis soweit verschieben, daß wesentliche Teile der Zeichnung, vor allem in den Gewändern, auf die Außenseite abwandern, während auf der Innenseite nur mehr einzelne Akzente gesetzt werden (Abb. 115, 116). In der österreichischen Glasmalerei bleibt es aber trotzdem die Regel, daß Gegenstände von einer klaren stofflichen Konsistenz (Architekturteile, Attribute, Kronen usw.) auf der Innenseite ausgeführt werden. Einen Sonderfall bildet die Wiedergabe von Geweben, Ketten hemden u. dgl., die seit der Romanik meist auf der Außenseite gegeben werden (Abb. 117; die im Angermuseum in Erfurt ausgestellten Scheiben boten mehrere Beispiele dafür; vgl. Abb. 127).

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