Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

exakter Dokumentation, wie sie znm Beispiel in der Archivalienrestauriernng üblich ist: Bei Neu einbänden werden Reste des originalen Einbandes am alten Platz eingefügD'^. Innerhalb der Primärdoknmentation sind die verschiedenen Arten sichtbarer Retnschen die am häufigsten wiederkehrenden Zeichen verantwortungsbewußten Bemühens nm die Wahrung des urkund lichen Bildwertes. Sie sind Ausdruck ernsthafter Auseinandersetzung mit der Frage, wie bei restaura torischen Eingriffen der historisch-dokumentarische Charakter des Kunstwerkes respektiert und jede Veränderung nnd Zutat entweder vermieden bzw. mehr oder weniger deutlich bezeichnet werden kann''®. Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die zeitgenössische Restaurierung reichen hier die Bemühungen, der historisch-dokumentarischen Erscheinung des Kunstwerkes bei Berücksichtigung seines ästhetischen Charakters gerecht zu werden. Das Ergebnis ist eine Fülle verschiedenartiger Lösungen vom bloßen konservierenden Bewahren des gewachsenen, beschädigten, veränderten Bildes im Laufe seiner Geschichte bis hin zu ausgeklügelten Zeichen, die über den Eingriff Rechenschaft ablegen. Die sichtbarste Form einer einwandfreien Fehlstellendokumentation ist die Neutralretusche, die konsequenteste die Restaurierung des ,,Gemäldes als Fragment", bei der die Fehlstelle nicht einmal gekittet wird. Das Istitnto Centrale del Restauro in Rom entwickelte das ,,Tratteggio", um die ästhetisch störende Wirkung der Nentralretusche bei Respektierung des urkundlichen Bildwertes zu vermeiden (Abb. 102). Andere Restauratoren versuchen das gleiche, indem sie die retuschierte Fehl stelle netzförmig schraffieren (Abb. 103), durch eine Umrißlinie die Ergänzung abgrenzeid®, vertieft anlegeiP" oder indem sie im Ton heller bleiben als die originale Umgebung^'. Entscheidend für die gewählte Methode der Fehlstellendokumentation sind in der Praxis die vor liegenden Schäden, Art, Wert und Aufbewahrungsort des Bildes. Konservatorische Belange allein können nicht, vor allem nicht außerhalb der musealen Gemäldepfiege, der alleinige Maßstab der Restaurierung und der dokumentarischen Bezeichnung im Bild selbst sein. Vor allem aber sind Zeit geschmack und Einstellung des Restaurators ausschlaggebend: Kunststil imd Kunstwertung der restaurierenden Zeit beeinflussen das Ob und Wie der Primärdokumentation. Möglichkeiten und Einrichtung der Sekimdiirdoiniwentaiiori Das Vertrauen in die Objektivität und die vielseitigen Möglichkeiten der modernen technischen Mittel und die Entwicklung des Restaurierwesens haben dazu beigetragen, die Notwendigkeit einer Primär doknmentation immer mehr zu verneinen. Die Geräte eines modernen Untersnchungslaboratorinms sind in der Lage, Veränderungen und Ergänzungen nachträglich aufzuspüren. Schriftliche Berichte und detaillierte Restaurierungsprotokolle verzeichnen jeden Moment des Eingriffs. Kommissionsberichte, Restaurierausstellnngen mit umfangreichem Dokumentationsmaterial, die ausführlichen Kataloge dieser Ausstellungen nnd schließlich die Hereinnahme der restauratorischen nnd naturwissenschaftlichen Untersuchungsfakten in die kunstwissenschaftliche Literatur machen, zumindest bei den bedeutenden Werken, ein breites Publikum mit den Arbeiten bekannt und liefern Belege in einer Vielzahl und Dichte, daß sie kaum verloren gehen könneir^^. Diese Bemühungen können dazu beitragen, verbindliche Methoden moderner Sekundärdokumentation zu entwickeln. Sie haben im Gegensatz zur Primärdokumentation den Vorzug, Vergleichsmaterial an ■" Vgl. H. Schörnaim, Richtlinien für die Instandsetzung gebundener Archivalien, a. a. 0., S. 39-41. Vgl. H. Althöfer, Die Retusche in der Gemälderestaurierung. Museumskunde, a. a. O., S. 73-88. ■" Vgl. L. Birchlor. Restauriemngspraxis und Kunsterbe in der Schweiz, a. a. O., S. I8f. So V. Bauer-Bolton, Sollen fehlende Stollen bei Gemälden ergänzt werden ? a. a. O. ■" P. Cellini, II restauro di 8. Luca dl Raffaello, a. a. O. ■'2 Vgl. dazu Ch. Moreau-Vauthier, La Peinture, Paris (1913), p. 262. H. Wilm, Die gotische Holzfigur, 1923, 8.96. Katalog der Aus stellung ..Cleaned Pictures", London 1947. Buletim do Museo Nacional de .Vrte Antiga, Lissabon, II., 19.52. Nr. 3. Katalog der Ausstellung ,,Hommage ä Leonard de Vinci", Musee du Louvre, Paris 1952. Katalog der Ausstellung ,,Antichi dipinti restaurati della soprintendenza alle gallerie delle Marche", Urbino 1953. F. Neugass, Zur Pflege von Kunstwerken. Weltkun.st, XXIV, 1954, 2. .1. Thielraann, Ausstellung ,,Wiedergewonnene Schönheit". Deutsche Kunst und Donkmalpflege. 1955, 8. 72-73. Katalog der Ausstellung ,,Cleaned Pictures". The Walkei'S Art Gallery, Li\'erpool 1955. Katalog der ..Mostra di dipinti restaurati della Pinacoteca Ambrosiana", Mailand 1956. W. Frodl, Denkmalpflege-Ausstellungen 1958. Österr. Zeitschr. f. Kunst und Denkmal pflege, XIII, 1959, S. 28—30. Katalog der ,,IV Mostra di i-estauri", Palazzo Reale. Neapel i960.

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