abzustimmen Wie Frimmel sieht Bauer-Bolton in diesen photographischen Unterlagen eine Möglich keit, die immer noch herrschende Geheimnistuerei im Restaurierwesen zn überwinden. Mit Entwicklung der photographischen Technik weiten sich die Möglichkeiten dieser Doknmentation immer weiter ans: Routinemäßig wird sie in jede durchgreifende Restanrierung und Bilduntersuchung eingeschaltet Schließlich wird auch versucht, mit Hilfe photographischer Vorlagen die Rekonstruktion fehlender Teile zu ermöglicheni®, und hier und da vertritt man die Ansicht, die Zurschaustellung photo graphischer Dokumentation könne dem Betrachter neue Möglichkeiten der Begegnung mit dem lUmstwerk vermitteln. Zustandsphotos u. ä. versetzen ihn in die Lage, den Reichtum und die Feinheit des Nebensächlichen aufzuspüren2®. Trotz wertvoller Hilfestellung der photographischen Dokumentation muß ihre Begrenzung erkannt werden. Absichtlich oder ungewollt können Photographien den wirklichen Zustand eines Gemäldes außerordentlich entstellt wiedergeben. Die Aussage einer photographischen Vorlage ist darum relativ und ihre Zuhilfenahme in der praktischen Restaurierung nur unter Vorbehalt zulässig^^. Ähnlich wie bei der Verwendung alter Stiche und dergleichen kann sich die Restaurierung verleiten lassen, auf einen fiktiven ursprünglichen Zustand und nicht auf das tatsächliche Original hinzuarbeiten. Wie eine Kopie hat das Photo im Verhältnis zum Original nicht den Charakter eines sicheren Dokumentes, sondern bestenfalls den einer Analogie. Einzig bei der Frage nach tatsächlich vorhandenen Fehlstellen und deren Ergänzung scheint die Photographie weitmögiiche (und bessere als jedes andere Doknment) Klarheit zu vermittelnd^. Auskunft über Oberflächenstruktur, Farbcharakter, Firnis usw. vermag sie nur bedingt zn geben. Darum kann die Photographie - auch die Farbaufnahme - z. B. bei Fragen der Firnisabnahme (Reinignng) kaum stichhaltige Argumente liefernd®, jjgjj meisten Fällen werden schriftliche Protokolle und naturwissenschaftliche Untersuchungsergebnisse aussagekräftiger sein. Noch größere Znrückhaltung ist gegenüber anderen Bildvorlagen, wie Stichen, Kopien und dergleichen, geboten, die als direkte Vorläufer der photographischen Doknmentation anzusehen sind. Hier ist, besonders bei Kopien, das interpretative Element ungleich größer als bei einer vergleichsweise objek tiven Photographied^. Trotzdem gibt es Fälle, in denen ein Stecher in minutiöser Exaktheit den Znstand und eventnelle Schäden eines Gemäldes überliefert hat. So in einem Stich nach Vernet, ,,Meer bei Mondbeleuchtung", in der Graf Harrach'schen Gemäldegalerie in Wiend® (Abb. 99). Der Stecher hat die 1848 erfolgte Beschädigung (ein Loch in der rechten unteren Bildecke, diagonal gemessen 11x9 cm) mit einer Präzision wiedergegeben, die von keiner Photographie übertroffen werden kann. Die Beschädi gung, anläßlich einer Restaurierung am Anfang unseres Jahrhnnderts von Jasper absichtlich belassen, befand sich bis zur Restaurierung von 1961 auf dem Bild und konnte Punkt für Punkt mit dem Stich verglichen werden. Nach der Ergänzung der Fehlstelle hat der Stich die Qualität einer einwandfreien Dokumentation des Vorzustandes. Allerdings ist der Stich nicht als Restaurierungs- sondern als Ders., S. 52ff. M. Hours-Miedan, A la decouverte de la Peinture, Paris 1957, pp. 27ff. E. W, Kudrjawzew, Die Technik des Gemälderestau rierens, Leipzig o. J. (Moskau 1945), S. 155. K. 8chmidt-Thomsen, Rekonstruktion barocker Wandmalereien. Maltechnik, 1955, 3, S. 82-86, und Österr. Zeitschr. f. Kunst u. Denkmalpflege XI.I, 1958, 1/2, 8. 59, Abb. 77. - Bei der Verwendung jjhotographischer Vorlagen, die direkt in eine Fehlstelle eingebaut werden, ergibt sich die Möglichkeit, das Restphoto als Sekundärdokurnent aufzubewahren. Fi-eundliche Mitteilung von Restaurator Reimold, Niedersächs. Landesmuseum, Hannover. M. Horster, Die Ausstellung ,,Quattro Maestri del Primo Rinascimento'' in. Florenz. Kunstchronik, 1954, 8. 177-180. Vgl. Les Primitifs Flamands. III. Contributions ä l'etude des Primitifs Flamands, 2. L'Agneau Mystique au Laboratoire. Examen et traitement. 8ous la direction de Paul Coremans, Antwerpen 1953. Bespr. v. Chr. Wolters in: Kunstchronik 1954, 8. 227f. W. Frodl, Die Romanischen Wandgemälde in der 8tiftskirche am Nomiberg in 8alzburg. Österr. Zeitschr. f. Kunst u. Denkmalpflege, IX., 1955, 8. 90ff. Dazu: M. Friedländer, Von Kunst und Kennerschaft, Berlin 1955. 8. 51 f. u. 131 f. Vgl. Bericht vom 12. Sept. 1923 im Archiv der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Vgl. dazu: C. Brandl, The Cleaning of Pictures in Relation to Patina, Varnish and Glazes. The Burlingtoii Magazine, 1949, pp. 183ff. Gerade die Diskussion um das Thema der Firnisabnahme zeigt die Relativität der Dokumentation bzw. ihrer Aus wertung und Zurschaustellung. Vgl. H. Aulmann, Die Ausstellung ,,Cleaned Pictures" in der National Gallery in London. Kunstchronik, 1948, 8. 1-7, und Verena Hahn, The Problem of Cleaning pictures - subject of international discussion. Zbornik zastite spomenika kulture, 1951, 8. 51-57. Auf die Fragwürdigkeit alter Stiche als Vorlagen bei Restaurierungen weist bereits H. Holey in seinen Erläuterungen zum ,,Denkmalschutzgesetz für Österreich" hin. Vgl. Flugschriften des Vereins zum Schütze und zur Erhaltung der Kunstdenkmäler Wiens und Niederösterreichs, Bd. V, Wien u. Leipzig 1911, 8. 35. Siehe auch H. Althöfer, Die Retusche in der Gemälderestau rierung. Museumskunde, 1962, 2, Anm. 67. Daraufhat mich Robert Keyszelitz, Wien, hingewiesen. 3 Denkmalpflege
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