Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

Zutat und Veränderung des Gemäldes durch den Restaurator und jeweilige Bestandsaufnahme vor und nach jeder Restaurierung fordert". Ähnlich äußert sich Adalbert Stifter im Nachsommer". Frimmel fordert bereits um die Jahrhundertwende für alle öffentlichen Sammlungen ausführliche „Protokolle über jeden Schritt zur Erhaltung einzelner Bilder" und deren Publizierung. Diese Protokolle sollen u. a. Hinweise „auf die guten oder schlimmen Erfahrungen, die mit den ausgeübten Methoden früher erzielt worden sind" enthalten^^. Frimmel geißelt mit diesen Forderungen die Geheimnistuerei der Restau ratoren und Museen und vermutet mit Recht, daß öffentliche Protokolle für spätere Restaurierungen und damit für die Bilder nützlich sind. Er vertritt 1896 einen Gedanken, der erst Jahrzehnte später von wenigen Instituten systematisch aufgegriffen wird: die Gründung einer ,,Sammlung für Gemäldekunde'"^. Darunter versteht Frimmel eine Sammlung aller alten Bestandteile, die beim Restaurieren abfallen: Leinwandreste, Malbretter, Marken usw. Er erkennt die Chance des Restaurators, während der Arbeit wichtige Einblicke in Bildschichten zu erhalten, die sonst nicht untersucht werden können. Frimmel regt an, diese Beobachtungen ,,in wissenschaftlicher Weise festzuhalten". Damit ist bereits um die Jahrhundertwende fast der ganze Bereich einer erstrebenswerten wissen schaftlichen Restaurierdokumentation abgesteckt. Alle nachfolgenden Bemühungen und Forderungen können nur noch Erweiterung, Systematisierung und Verfeinerung bedeuten. Vor allem mit der Weiter entwicklung der technischen Mittel, wie Photographie, Röntgenuntersuchungen usw., ergeben sich neue Möglichkeiten der Dokumentation, die anscheinend eine direkte Bezeichnung der Veränderung am Objekt selbst (Primärdokumentation), zumindest was die musealen Kunstwerke betrifft, weitgehend überflüssig machen. Dieser Gesichtspunkt spiegelt sich am deutlichsten in der Frage der Fehlstellen ergänzung. Entwicklung und Vorläufer der photographischen Dokumentation Mit Beginn unseres Jahrhunderts gewinnt die photographische Dokumentation (Sekundärdokumenta tion) immer mehr Bedeutung. Sie baut auf jene Vorläufer auf, die schon kurz nach der Mitte des 19. Jahrhunderts anzutreffen sind. Ein Gemälde von Quaglio (etwa 1830) wird 1859 von Albert photographiert und auf Veranlassung Pettenkofers 1864 nochmals aufgenommen. Der Vergleich zeigt die Zunahme der Sprünge, Risse und Trübung innerhalb der dazwischenliegenden Jahre. Nach der Regenerierung wurde eine Besserung und nach weiteren fünf Jahren keine neuerliche Veränderung festgestellt. Diese Untersuchung - für Pettenkofer eine Bestätigung seines Verfahrens^^ - ist eines der frühesten Beispiele systematischer Auswertung photographischer Dokumentation in der Gemälde restaurierung. Pettenkofer empfiehlt, solche Zustandsphotos (vor und nach der Restaurierung) neben die restaurierten Bilder zu hängen, um so dem interessierten Publikum Einblick zu gewähren und Rechenschaft über den Eingriff zu geben. Von 1877 ist die photographische Dokumentation einer Fehlstellenergänzung im Archiv der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen überliefert": Anläßlich der Spaltung einer Tafel von Lucas van Leyden, die 1874 erfolgte, wurde die Seite mit der ,,Verkündi gung" angesägt. Die anschließend notwendige Retusche führte der Historienmaler Ludwig Löfftz aus. Ein Photo vom 20. April 1877 zeigt die mit Bleistift eingezeichnete Ergänzung. In den folgenden Jahren wird der Wert der photographischen Dokumentation immer mehr erkannt. Nach 1900 weist besonders Bauer-Bolton^® auf die Bedeutung von Zustandsphotos hin und meint, daß gerade für den Restaurator die von Justi und Glück vorgeschlagenen schriftlichen Angaben von Zuständen in Büchern und Unterlagen wertlos seien. Er fordert die Einrichtung eines photographischen Zentralarchivs und schlägt vor, die photographische Dokumentation der einzelnen Museen aufeinander R. Emmerich, Festrede ... zu Ehren Max v. Pettenkofers, München 1915, S. 50. Vgl. E. Bertram, A. Stifter als Bewahrer alter Kunst. Festschrift Paul Clernen, 1926, S. 40. Th. V. Frimmel, Handbuch der Gemäldekunde, 2. Aufl., Leipzig 1904, S. 123. Th. V. Frimmel, Handbuch der Gemäldekunde, a. a. O., S. 30f. " M. V. Pettenkofer, Über Ölfarbe, a. a. 0., S. 45f., 70, 99. Restaurierungsprotokoll von 1877 und zwei Briefe des Bayer. Staatsminist, des Inneren an die k. Centrai Gemäldegallerie vom 4. Okt. 1875. V. Bauer-Bolton, Sollen fehlende Stellen bei Gemälden ergänzt werden? München 1914, S. 45.

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