Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

¥\ : XY? 70. Aflenz. Pfarrkirche, Grundriß {BDA. Pi-of. .Dr. A. Klaar) tabilen Formen ausgeführt (Abb. 77). Der nachfolgende Schlußstein, etwa im Schiffszentrum, besteht aus vier in Form eines Blutenkelches zu einer Einheit verbundenen Männer büsten in gekonnten, aber bäuerlich derben, realistischen Formen. Auffallend erscheint der weit austretende Doppel kropf an einem der Dargestellten (Abb. 78)^. Vier nackte Kinder, die sicVi mit den Händen gegenseitig an den Gesäßen abstützen, bilden oirien kuriosen Reigen, der einem Sakralraum kaum zu entsprechen scheint (Abb. 79)''. Trotz der bestehenden Unklarheiten der ikonographischen Deutung im einzelnen scheinen die meisten Köpfe, die ja alle zum Tragen von .Lasten an Kapitellen, Konsolen usf. ver urteilt sind, heidnische Dämonen zu versinnbildlichen, die unter der Last der siegenden Kirche schjnachteii®. Die Bedeutung der letzten beiden Schlußsteine im Ostteil des Schiffes ist hingegen völlig klar. Die in der christlichen Kunst häufige Darstellung des Pelikans, der sich die Brust aufhackt, um seine getöteten Jungen durch das eigene Blut wieder zum Leben zu erwecken, bezieht sich in Anlehnung an den Physiologus auf Christus, der durch seinen Kreuzestod die Menschheit zum ewigen Leben erweckte. Als Abschlußstein am Triumphbogen ist die hl. Veronika mit dem Schweiß tuche abgebildet, und zwar nach dem Vorbild der jüngeren, nach 1400 auftretenden Legendenfassung, in der das Haupt Christi mit der Dornenkrone dargestellt wird. Beiderseits unter den Schiffenstern sind noch zwölf etwa lebensgroße farbig gefaßte Apostelbüsten aus Sandstein in der Reihenfolge des Kanons der Hl. Messe angebracht (Abb. 80). Sie dürften derselben Werkstätte angehören, die auch die ^ Dieses Motiv mit dreifach austretendem Kröpfe findet sich auch in der reichen Bauplastik von St. Marein bei Knittelfeld. Der Referent ist sich der Mängel der Berichterstattung liinsichtlich der inhaltlichen Deutung der angeführten Skulp turen durchaus bewußt; vielfache Lösungsversuche nach Typen, Zahlen, Elementen usw. führten zu keinen belegbaren Ergebnissen. .Wesentlich erscheint es in diesem Zusammenhang zu betonen, daß gerade auf dem Gebiete der gotischen Bau plastik die kunsthistorische Forschung Neuland vor sich hat, das in reichem Maße ergiebig ist. ® Vgl. Jung, Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit. München-Berlin 1939. Skulpturen der Orgelempore fertigte'. Für diese Annahme sprechen die Details der Gesichtsbildungen, wie etwa die doppelte Ausführung der Tränensäcke oder die Charakteri sierung der Stirnfalten. Die Draperien der Apostel sind in einem robusten, weichen Parallelfaltenstil ausgeführt, der die von Wonisch vorgeschlagene Datierung um 1503 nicht erlaubt®, sondern eine Entstehung um 1510—1520 annehmen läßt. Der eben beschriebene bauplastische Schmuck der Aflenzer Kirche ist kein Einzelfall im steirischen Kunstbereich, sondern eher als Abschluß einer recht umfangreichen Reihe gleich artiger Arbeiten anzusprechen, die, von der Romanik her verfolgbar, ihren Produktionshöhepunkt zwischen 1350 und 1450 erreichte. An zahlreichen Kirchen des Landes finden sich an Kapitellen, Gewölbekonsolen, den mit Maßwerk gezierten Musikemporen und Sossionsnischen, oder am Außenbau — gleich den Apotropäen antiker Tempel — an Portalen und Kranzgesimsen Tier- und Menschenköpfe, Fratzen, Fabelwesen u. dgl. Reichere Beispiele dieser Art sind in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in der Wallfahi'tskirche von Pöllauberg, dem Kreuzgang von Neuberg, in Maria Straßengel und dem Portal von Mariazell festzustellen. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts sind die Orgelempore der Spitalskirche in Oberwölz sowie die zur Zeit in Restau rierung befindliche Vorhalle der Pfarrkirche in St. Marein bei Knittelfeld hervorzuheben. Hinsichtlich der künstlerischen Qualität der Bauplastik steht Aflenz mit seiner zwar originellen, aber doch auch derb breiten Gestaltung nicht an der Spitze der angeführten Beispiele. Dieser Umstand ist jedoch teils damit zu begründen, daß der Leistungs höhepunkt der steirischen Plastik um 1400 lag und sich mit dem Vjeginnenden 16. Jahrhundert bereits eine allgemeine Verbreitei'ung der Formons])racho ankündigt. ' K. Garzarolli von Thurnlackh, Mittelalterliche Plastik in Steiermark, Steüische Verlagsanstalt Graz, 1941. S. 116 und 120, schreibt die Köpfe der Empore einem Brixener Bild schnitzer aus der Nachfolge Michael Pachers in Judenburg, um 1500-1505 tätig, zu, während er die Apostelbüsten dem Werke Hans Valkenauers um 1510 einreiht. ® O. Wonisch, a. a. O., S. 60.

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