Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

STEIERMARK Vorbemerkung der Redaktion Unter den zahlreichen Kestaurierungen, die in den letzten Jahren in österreichischen Kirchen ausgeführt worden sind, verdient die hier beschriebene besondere Beachtung. Ab gesehen von der kunstgeschichtlichen Bedeutung des Bau werkes und seiner Einrichtung ist es die denkmalpfiegerische »Situation zu Beginn der Arbeiten, die unser Interesse heraus fordert. Es hat sich nämlich gezeigt, daß Fehlrestaurierungen aus dem Anfang unseres Jahrhunderts nicht immer auf ungenügender Erkenntnis der künstloi'ischen Gegebenheiten des Denkraales oder methodischen Mängeln beruhen, vielmehi' lehrt die Geschichte der Restaurierung der Aflenzer Kirche seit 1905, daß die zuständige k. k. Zentralkornmission damals dieselben Grundsätze vertrat, die die heutigen Richtlinien bestimmen. Lokale Stellen haben sich über diese Richtlinien damals hinweggesetzt und damit jenes Fehlergebnis herbei geführt, das für die Beurteilung der damaligen Denkmalpflege maßgebend war. Angesichts der Zweifel, die unsere heutige Tätigkeit häufig genug belasten, ist es immerhin tröstlich, daß es nicht so sehr die Grundsätze selbst sind, die immer von neuem in Frage gestellt werden müssen, sondern daß das Unglück erst aus ihrer Nichteinhaltung entsteht. Die Pfarrkirche von Aflenz und deren Innenrestaurierung Im Jahre 1959 wurde auf Initiative des Pfarrherrn, Dochant Alex Lukas, die Innonrestaurierung der Aflenzer Pfarrkirche durchgeführt. Bevor darüber berichtet wird, sei kurz auf Bau geschichte und Ausstattung dieses bedeutenden Baudenkmales eingegangen und eine kunstgeschichtliche Würdigung wenig stens andeutungsweise versucht. 1066 ist Aflenz bereits als Pfarre genannt. 1103 wurde das ganze Aflenztal durch Herzog Heinrich III. dem von ihm gegründeten Stifte St. Lambrecht übertragen, mit dessen Schicksal es nahezu 800 Jahre verbunden blieb. Für 1155 bezeugen Urkunden hier eine Cella mit 5 Benediktinermönchen, die den Grundstock für die Propstei bildete, die nach viel fachen Ausbauten der Spätgotik und des Barock heute noch nordwestlich der Kirche erhalten ist. Der gegenwärtige spätgotische Sakralbau, der im Bereich der ehemaligen romanischen Anlage errichtet wurde, entstand im wesentlichen in drei Bauabschnitten (Abb. 70): 1. Zunächst wurde an der Südwestecke des Schiffes der mächtige Turm errichtet, dessen Sockel die Datierung 1451 trägt. Die Fertigstellung des Turmes erfolgte erst um 1510 unter Steinmetzmeister Wolfgang^, der mit zahlreichen anderen Steinmetzen in Aflenz und Umgebung urkundlich als ansässig nachgewiesen werden konnte. Die Ausführung dieses Turmes zeugt von der Wirrnis der Zeiten, in denen er erbaut wurde, da er mit seinen Schießscharten und bekrönenden Eckeihern eine äußerst widerstandsfähige Fluchtstätte bildet. Sein Bau herr, Abt Johann Schachner, errichtete übrigens auch die nahegelegene Höhenburg Schachenstein (1464) und baute im selben Jahre die Kirche St. Sigismund bei Mariazell zu einer Wehrkirche aus. 2. 1471 wurde der Chor der Pfarrkirche auf Grund einer Stiftung von Peter Pögl, Inhaber des vom Stifte verlehnten Eisenhammers in Thörl und Begründer der bekannten Waffen schmiede, über seiner Familiengruft errichtet^. 3. Die Erbauung des räumlich bestimmenden Langhauses in Form einer einschiffigen Halle läßt sich auf die Jahre zwischen 1490 und 1510 festlegen. Die große Spannweite der Wölbung des Kirchenschiffes wird vor allem durch das weite Hineingreifen der Strebepfeiler in das Rauminnere ermöglicht, die, gemeinsam mit teils frei hängenden Gewölberippen, die Schubkräfte der Decke auf fangen (Abb. 71). Die Aufgabe der übrigen Gewölberippen ist, bezeichnend für die ausklingende spätgotische Bauperiode, eher als dekorativ, denn funktionsbedingt anzusprechen. Dem vielfältig ausgebildeten Steinrippendekor im Kii'cheninnern, der großteils technisch kompliziert ausgeführte Drehungen der Rippen, Bänder und Ornamente aufweist (Abb. 72, 73), ist ein verhältnismäßig reicher Bestand an Bauplastik zu geordnet, der an den Kapitellen der Orgelempore, den »Schluß steinen und an den Schiffwänden angebracht ist. Orgelempore: Die Konsole, die die gedrehten Bogenrippen der Orgelempore an der nördlichen Schiffswand aufnimmt, bildet eine männliche Fratze, die durch einen Backenbart in Pflanzen form, zwei Faugzähne im Unterkiefer und große Ohrmuscheln charakterisiert wird (Abb. 74)^. An den Kapitellen der beiden Rundsäulen, die die Emporenmitte abstützen, sind je zwei männliche und ein weiblicher Kopf angebracht. Auch hier wiegt Adelfach eine fratzenhaft realistische Darstellungsweise vor, die etwa durch das Herausstrecken der Zmige oder die Betonung der Falten und Zahnlücken gekennzeichnet wird (Abb. 75, 76). Vier »Schlußsteine, die sich im westlichen Gewölbebereich des Schiffes befinden, jener Partie, die dem Eintretenden vorerst nicht so augenfällig wird, sind teils als geometrisch ornamen tierte Scheiben, teils in reichen, tief durchbrochenen vege- ^ O. Wonisch, Der Markt Aflenz im Wandel der Zeiten 1458-1958. SelbstA^erlag der Marktgemeinde 1958, S. 21 und 61. - Die Gruft der Pögl wurde anläßlich der Restaurierung 1959 geöffnet. Der leer vorgefundene, in Steinmauerwerk aus geführte, tonnengewölbte Raum ist 4 m breit, 7,47 m lang und 3,50 m hoch. Photos und Vermessungspläne liegen im Archiv des Landeskonservators für Steiermark auf. ® Parallelen zu diesem Motiv sind seit der Hochgotik bei zahlreichen steirischen Baux^lastiken festzustellen, wie etwa an den Haui^tportalen der Wallfahrtskii-chen von Mariazell undPettauberg, Sy:)italskirche von Oberwölz; ebenso in Deutsch land, wie etwa im Dom zu Meißen u. a. m. Es kann wegen der reichen Verbreitung dieses Typs mit Sicherheit angenom men werden, daß derselbe eine ganz bestimmte, fest fixierte Bedeutung innehat. 9 Denkmalpflege

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