Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

die — übrigens begreiflicherweise - nicht für die Dauer der Arbeit an einem Band, sondern jeweils für eine bestimmte Zeitspanne (ein bis zwei Jahre) honoriert und damit auch nur für diesen Zeitraum finanziell gesichert werden können. Nun weiß jeder, der sich mit mittelalterlicher Glasmalerei beschäftigt hat, daß allein die Sammlung des vielfach schwer zugänglichen Materials — man denke etwa an eine englische Grafschaft mit ihren zahllosen, in kaum bearbeiteten Landkirchen verstreuten Glasgemälden — längere Zeiträume beansprucht. Davon ab gesehen bietet die Materie in höherem Maß als andere For schungszweige technische Schwierigkeiten, die eine aus gedehntere Eiaarbeitungszeit unerläßlich machen. Ein junger Kunsthistoriker wird nur bereit sein, dieses zeitraubende und nicht immer einfache Einarbeiten in die unvertrauten Gegeben heiten der mittelalterlichen Glasmalerei auf sich zu nehmen, wenn er sicher sein kann, nicht nur einen Band tatsächlich vollenden, sondern die mühevoll erworbenen und darum zur Herzenssache gewordenen Kenntnisse auch noch weiter verwerten zu können. Es müßte unter allen Umständen vermieden werden, daß bewährte Mitarbeiter aus dem begreif lichen Streben nach finanzieller Sicherung aus der Arbeit aus springen. um eine Stelle im öffentlichen Dienst mit einem fremden Arbeitsgebiet anzunehmen, oder daß begabte junge Kunsthistoriker aus diesen Gründen überhaupt vor der Übernahme der Bearbeitung eines Bandes zurückscheuen. Wie bitter, unrationell und zugleich wie teuer im Gesamt effekt die für jeden Band neu zu leistende Heranbildung junger Kräfte ist, davon wissen die Herausgeber der öster reichischen Kunsttopographic ein Lied zu singen. Es will daher der Referentin scheinen, daß die vordringlichste Aufgabe dei' internationalen Leitung des Unternehmens — es wurde nicht umsonst unter das Patronat der Union des Academies des Sciences gestellt — darin bestehen wird, den nationalen Komitees Wege finden zu helfen, um den Mit arbeiterstab so zu sichern, daß eine kontinuierliche Weiter arbeit gewährleistet ist. Selbstverständlich sind die Bedin gungen dafür in den einzelnen Ländern völlig voneinander verschieden. In Großbritannien etwa werden ganz andere Möglichkeiten gesucht worden müssen als in der Deutschen Bundesrepublik. In Österreich hat sich die Bindung der Corpus-Arbeit an das Bundesdenkmalamt in orgajiisatorischer Hinsicht bestens bewährt: alle technischen Hilfeleistungen für den Autor, wie Photos, Zeichnungen und Gerüste, sind in einem solchen, auf praktische Tätigkeit gerichteten Amte leichter zu erhalten als etwa durch ein Universitätsinstitut. Allerdings soll nicht verschwiegen werden, daß der Autor selbst infolge seiner amtlichen Belastung sich niemals in dem Maß der ungestörten Kontinuität seiner Arbeit erfreuen wird wie ein freier Mitarbeiter. Trotzdem wäre nach Meinung der Referentiu in Ländern, in denen es regionale Denkmal ämter gibt, eine solche Verbindung anzustreben (in der Bundesrepublik existiert in der Person von Dr. Rentsch ain Landesdenkmalamt in Bonn bereits ein Präzedenzfall. Aber auch das Institut für Denkmalpflege in Halle beteiligt sich durch Dr. Maercker an der im ganzen von der Akademie der Wissenschaften zu Berlin betreuten Corpus-Arbeit). Der Vorteil einer solchen Verbindung wäre im übrigen keines wegs einseitig; der alarmierende, in unseren Tagen sich rapid verschlechternde Erhaltungszustand gerade der bedeutendsten mittelalterlichen Glasgemälde vor allem in Deutschland, macht umfassende und wirksame Konservierungsmaßnahmen unab wendbar. Dafür aber fehlen die internationalen Erfahrungen, wie sie etwa auf dem Gebiet der Holz- und Steinkonserviermig vorliegen. Der normal ausgebildete Denkmalpfleger kami in dieser schwierigen Materie nicht die sachlichen Vorkenntnisse besitzen, um zwischen den angebotenen, teils unerprobten, teils geradezu schädlichen Restaurierungsverfahren eine nicht verderbliche Wahl zu treffen. Noch viel weniger kann ihm zugemutet werden, neue Methoden für Teilgebiete, auf denen überhaupt noch so gut wie keine Vorarbeiten vorliegen (Schwarzlotsicherung), selbst zu entwickeln. Auch die not wendige Mitarbeit des Chemikers kann hier nur fruchtbar werden, wenn sie sich auf die gründliche Vertrautheit des Denkmalpflegers mit den technischen Gegebenheiten der mittelalterlichen Glasmalerei stützen kann. Auf jeden Fall sollte verhindert werden, daß von unserer Generation den Glasmalereien ähnlich übel mitgespielt werde, wie das in der Generation der Großväter und Väter den mittelalterlichen Wandgemälden widerfahren ist. Dazu wird es aber notwendig werden, daß jene Denkmalämter, die mittelalterliche Glas gemäldefolgen zu betreuen haben, einem Konservator die Möglichkeit zur Einarbeitung in dieses abseitige Sachgebiet geben. Was wäre natürlicher, als sich dafür der Person des wissenschaftlichen Bearbeiters des Corpus, der diese Voraus setzungen bereits mitbringt, und der im Verlauf seiner Arbeit immer wieder auf die Fragen der Konservierung gestoßen wird, zu versichern? Wie eng die Fragen der Konservierung mit der Corpus-Arbeit verknüpft sind, bzw. wie dringlich sie sich daraus erheben, wurde auf der Tagung immer wieder deutlich und verdichtete sich schließlich zu dem Appell an die Leitung, Wege zur Errichtung einer speziellen Forschungsstelle für die Konservierung von Glasgemälden zu suchen. Hiebci sei auch an das Versprechen der Teilnehmer erinnert, ihre eigenen Erfahrungen auf diesem Gebiet den Kollegen durch Rundschreiben zugäTiglich zu machen. Das österi'eichischo Bundesdenkmalamt hat in diesem Sinn kürzlich ein Expose über ,,Grundsätzliche Möglichkeiten und praktische Vorarbeiten zur 8chwarzlot-Konservierung" verschickt. Auch auf einem anderen Teilgebiet wird sich die Zusammen arbeit der Corpus-Bearbeiter bewähi'en müssen: Die lebhaften, ja vor den Goethe-Scheiben in Weimar beinahe hitzigen Diskussionen, die Fragen des Erhaltungszustandes (Über malungen, Datierung von Ergänzungen) entfachten, haben gezeigt, daß unsere Kriterien für derartige Feststellungen, die, in den Corpus-Bäiidcn niedergeschlagen, wissenschaftliche Gültigkeit beanspruchen, noch sehr mangelhaft sind. Es wird sich einerseits darum handeln, zur Feststellung von Über malungen wenn, möglich objektive Methoden zu entwickeln, andererseits urkundlich belegte Beispiele von historischen Ergänzungen, vor allem aus der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, zu sammeln und den Kollegen zugänglich zu machen. Das lebhafte Bedürfnis nach Schaffung einer tragfähigen Basis für die Beurteilung einer Glasmalerei als Dokument hat sich auf dem Kongreß in dem Interesse bekundet, dem alle Fragen der Technik und des Erhaltungszustandes begegneten. Es hat sich damit erwiesen, wie richtig der Gedanke der Leitung war, ihnen im Tagungsprogramm diesmal einen breiteren Raum zu überlassen®. ® Das Doppelreferat Frenzel—Frodl-Kraft, ,,Zur Technik der mittelalterlichen Glasmalerei und nachträglichen Veränderun gen des originalen Erscheinungsbildes" wird in Heft 2/1963 dieser Zeitschrift abgedruckt werden.

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