höhlt, will er sich vorwärtsbewegen. Aus dem unterhöhlten Figurenblock treten Leib und Schenkel vor. Aber es entsteht keine reine Identität von Absicht und Verwirklichung, aus der Bewegtheit er wächst keine zwingende Ranmvorstellnng, in der ausgeprägten Formgebung bleibt alles wie erstarrt. Solche Divergenzen drücken sich in den Königsstatuen, wo schon die Spielarten der zeitgenössischen Tracht zu kontrastreicher plastischer Ausgestaltung anregten, naturgemäß deutlicher aus als in den Gewandfiguren der Verkündigung, die überlieferten Vorbildern enger verpflichtet sind. Die Untersuchung der Statuen anläßlich der Restaurierung (von der nur der junge König ausgenommen war) ergab folgendes: Das Material der etwa 175-180 cm hohen Figuren ist ein hellgelber feinkörniger Sandstein (Schleifstein). An allen fanden sich Reste von Bemahmg, die aber kaum von der Original fassung herrühren dürften. Die ältesten Fassungsspuren an der Engelsfignr (Rot am Mantel) liegen ohne Grundiernng direkt auf dem Stein, darüber hinaus lassen sich mehrere Überfassungen rekonstruieren. Vermutlich anläßlich der Neuaufstellung der Statuen im Zuge der Restaurierung und Regotisierung der Kirche im frühen 19. Jahrhundert wurde die Fassung grob abgearbeitet, so daß von der feinen glatten Oberfläche, außer in den oberen Teilen des Rückens der Maria (Abb. 7), nichts erhalten ist. Besonders rücksichtslos wurde die zarte Linearität der heute kränklich aussehenden Gesichter angegriffeiV. Die Bildwerke wurden in der Literatur wiederholt genannt. Die Verkündigungsmaria gilt seit ihrer Würdigung durch Rinder als eine der eindrucksvollsten, charakteristisch wienerischen Schöpfungen der österreichischen Skulptur des 14. Jahrhunderts. Eine zusammenhängende Betrachtung dieser Gruppe und der Versuch einer Präzisierung ihrer knnsthistorischen Situation wurde aber nicht unter nommen. Rinder bildet die Maria als Werk eines vorwiegend nordfranzösisch orientierten Bildhauers des 8. Jahrzehnts ab, allerdings ohne auf die zugehörigen Figuren einzngeheiF. Das westliche, ,,höfische" Element wird von Rinder unter Hinweis auf die französischer Hofkunst verpflichtete Skulptur der ,,Herzogswerkstatt" stark betont. Vorher erwähnte Kieslinger die Statuen kurz in seinem Buch ,,Znr Geschichte der gotischen Plastik in Österreich" und datierte sie in die Zeit der Fürstenportale um 1380; später schlug er den von ihm nachgewiesenen Baumeister der Herzöge, Michael, als ihren Bildhauer vor, dem er auch die Grabstatuen Rudolfs IV. und seiner Gemahlin sowie die Fürstenstatuen vom Stephans turm zuschrieb®. Einen anderen Weg beschreitet H. Bachmann in ihrem Buch ,,Die böhmische Plastik vor Reter Parier"', indem sie als einzige versucht, die Verkündignngsmaria, die sie wie Rinder von den zugehörigen Statuen isoliert, in einen Wachstumszusammenhang südostdeutscher Marienbilder ein zureihen. Im Gegensatz zu Rinders und Kieslingers Äußerungen versuchte sie, Verbindungen mit Werken der ersten Jahrhunderthälfte nachzuweisen. Die von ihr beobachteten Beziehungen zu böhmi schen Arbeiten sind indessen nach unserer Meinung zu wenig spezifisch, als daß sie zur Klärung des komplizierten Verhältnisses böhmischer zu österreichischer Bildnerei, außerhalb der schon immer betonten Verbindungen der parlerischen Skulptur des Veitsdoms zu der ,,Herzogswerkstatt", wesentliche Aufschlüsse zu geben vermöchten. Die letzte kurze Würdigung der Statuen durch Ginhart hält an der alten Datierung ins 8. Jahrzehnt fest und bringt über die ältere Forschung hinaus nichts Neues®. Dieser Stand der Forschung rechtfertigt daher den Versuch, die kunstgeschichtliche Stellung der Skulpturen von Maria am Gestade zu präzisieren. Man hat stets vermutet, daß die Statuen ursprünglich in den um 1330 begonnenen, vor 1369 im Bau vollendeten Chor der Maria-Stiegen-Kirche gehört haben. Da der Grundstein zum Langhaus der Kirche '• Zur Erhaltung der Statuen: 1. Maria: ergänzt rechte Hand, Teil der Draperie rechts unten, vorderer Teil der Plinthe, Teil der großen Schüsseifalte. 2. Engel: ergänzt 1., 2., 3. Finger der rechten Hand; Ausbrüche im Spruchband und im Faltenwerk. Rückseits in Schulterhöhe vier rechteckige Löcher (zur Anbrmgung von Flügeln?). Zahlreiche Spuren einer einstmals roten Bemalung ohne Grundierung dii-ekt auf den Stein, darüber mehrere jüngere Farbschichten. 3. Bärtiger König: ergänzt l., 2. Finger der rechten Hand. Wenige Fassungsreste im Inkarnat und in. den Gewandteilen. 4. Junger König: ergänzt linker Unterarm mit Hand. '' W. Findel', Die deutsche Plastik des 14. Jahrhunderts, München 1920, S. .Iti, Alib. 71; ders., Die deutsche Plastik vom ausgehen den Mittelalter bis zum linde der Renaissance, in: Handbuch der ILunstwissonschaft, hrsg. von F. Burger, Bd. 1, S. 64. " ,F. Kieslinger, Zur Geschichte der gotischen Plastik in Österreich, Belvedere III, 1923, S. 149ff.; 3. Fortsetzung in Bolvedere IV (S. 43ff.), S. 40; ders.. Mittelalterliche Plastik in Österreich, Wien 1926. S. liIO. ' H. Bachmann, Die böhmische Plastik vor Peter Parier, 1943, S. 22. Zur Situation der österreichischen und böhmischen Skulp tur der ersten Jahrhunderthälfte siehe auch G. Schmidt, Der Ritter von St. Florian und der Manierismus in der gotischen Plastik, Festschi'ift K.M. Swoboda, Wien 1959, S. 249ff. ® K. Ginhart, Die gotische Plastik in Wien, in: Geschichte der bildenden Kunst in Wien, a. a. O., S. 102.
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