Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

kröliulig, Türme und Dachreiter, verraten diese Wieder herstellung des 17. Jahrhunderts. Im Jahre 1944 entstand von neuem schwerer Kriegsschaden; der Dachstuhl und die Türme gingen völlig verloren und die Mauern des Gebäudes litten schwereji Schaden. Abb. 35 zeigt den Zustand nach der Restaurierung (1947-1956); die verlorengegangenen Teile wurden in der Form, die sie vor der Zerstörung hatten, wiederhergestellt. Das Rathaus in Sluis stammt aus dem Ende des 14. Jahr hunderts. Im Jahre 1944 wurde der Turm gesprengt, nur die Bruchstücke dej' Außenmanern des Gebäudes blieben stehen. Heute sind Turm und Dachstuhl völlig in der alten Form wiederhergestellt (Abb. 34); im Innern ist das schwere eichen hölzerne Gebälk nach altem Muster wiederhergestellt. Im allgemeinen war die Verbindung zwischen dem Restau rieren der alten Gebäude und der modernen Architektur nicht stark und sicher schwächer als in der Vorkriegsperiode. Das Restaurieren erfolgte vielfach durch Architekten, die sich ganz auf diese Arbeit verlegt hatten. Der einzige Anlaß, bei dem einige Male nach einer modernen Formgebung gesucht wurde, war die Wiedererstellung von Turmspitzen. In einigen Fällen versuchte man mit Hilfe eines Preisaus schreibens eine neue Form zu finden. Im allgemeinen aber sind die ganz in alter Form neuerbauten Türme besser gelungen als die, bei denen man neue Wege gesucht hat. Nicht nur bei dej' Wiederherstellung des Gebäudes selbst, auch bei der Behandlung des Inneren hat man das extrem Moderne möglichst vermieden. Kirchentore und Mobiliar wurden häufig in einfacher traditioneller Form ausgeführt. Die Experimente mit modernen Glasmalereien rechtfertigen bis jetzt die Vorliebe des Denkmalamtes für blanke Glasfenster. Der wichtigste Schmuck unserer alten Kirchen, die Tonnen gewölbe aus Eichenholz, der Flur aus Hartsteinplatten, die weißen Wandflächen mit den blanken Glasflächen der Fenster (vgl. Abb. 36), kann beim Wiederaufbau häufig wieder instand gesetzt werden. Neben der Behebung der Kriegsschäden an insgesamt ungefähr achthundert großen Objekten nahm auch die normale Restaurierungsarbeit nach dem Kriege einen immer größeren Umfang an. Beeinflußt durch die Resultate bei der Wieder herstellung der kriegsbeschädigten Bauwerke bildeten sich hier die Ansichten etwas freier und weniger doktrinär aus. Ohne Preisgabe der Ansichten aus der ersten Hälfte des Jahr hunderts ergab sich eine größere Freiheit, in den Fällen, in denen Daten verfügbar waren, eine weitergehende Rekon struktion zu wagen. Das dauernde »Studium der Gebäude während der Restaurierung lieferte meistens noch viele weitere Hinweise auf die ursprüngliche Form. Diese sich jetzt ent wickelnde Dokumentation bringt mit sich, daß unsere Re konstruktionen viel stärker der Wirklichkeit nahe kommen werden als die aus dem vorigen Jahrhundert. Es hat den Anschein, als ob die bei der Behebung der Kriegs schäden gemachten Erfahrungen und die Ergebnisse der Dokumentation eine neue Periode der Restaurierungstätigkeit einleiten würden, in der man die historische Bedeutsamkeit des Gebäudes mögliehst respektieren, doch auch die ur sprüngliche architektonische Konzeption, die es repräsentiert, vielleicht mehr zu Worte kommen lassen wird, als dies in der vorherigen Periode der Fall war. Als Beispiele für die ,,friedens mäßige" Restaurierungstätigkeit seien hier drei Objekte aus drei verschiedenen Lebensgebieten herausgegriffen: eine Kirche, ein städtisches Wohnhaus und ein Sclilößchen. Abb. 36 zeigt eine der vielen sj)ätgotischon Dorfkirehen unseres Landes nach der Instandsetzung. Im Jahre 1624 brannte das Gebäude völlig aus, wurde jedoch später in alter Form wiederhergestellt, wobei die Tonnengewölbe im Dachstuhl auf mittelalterliche Art konstruiert wurden. Aus diesei' Zeit datiert auch ein großer Teil des schönen Mobiliars. Im Jahre 1958 wurde das Gebäude gründlich restauriert; die Fundierung und der Dachstuhl wurden wiederhergestellt und die Fenster mit neuem Maßwerk und bronzenen Stäben versehen. Das Gebäude »Singel 2—2a in Amsterdam (Abb. 37, 38) ist cm doppeltes Wohnhaus mit Packspeichern aus der Zeit um 1600. Es ist eine vollständige Holzkonstruktion (Abb. 39); die Mauern bilden nur eine Verkleidung. Bei der Restaurierung ist nur der untere Fassadenteil in der alten Form wieder hergestellt worden; die Fenster an der Vorderfront sind auf ihre alten Maße zurückgefühi-t. Bleigefaßte Scheiben, die das Haus ursprünglich besessen haben muß, wurden im Hinblick auf die Bewohnbarkeit und in Anpassung an das »Straßenbild nicht wieder angebracht. ,,De blauwe Kamer" in Oostcrhout, eines der vielen kleinen Schlößchen, die unser Land zählt, wird seit dem 17. Jahi'- hundertals Klosterbenützt.Es wurde im Jahre 1958 restau riert, wobei jüngere Hinzufügungen geschont wurden (Abb. 40). Ein Ausblick auf die Zukunft Bis jetzt lag der Schwerpunkt der Betrachtungen und Experi mente immer in der Frage, wie wir restaurieren müssen. Jetzt beginnt das Problem der Quantität über das Problem der Qualität das Übergewicht zu erhalten. Die Frage der Zukunft wird sein: wieviel müssen und können wir restau rieren. Aus dieser Frage ist das sogenannte nationale Restau rierungsprogramm hervorgegangen, das eine »Schätzung der in der kommenden Zeit notwendig werdenden Restaurierungen gibt. Wir besitzen etwa 1500 Kirchtürme von Bedeutung, von denen beinahe 1000 noch aus dem Mittelalter stammen. Von den 2000 Kirchenbauten, die als bedeutsam angesehen werden können, sind ebenfalls etwa 1000 mittelalterlich, 500 stammen aus dem 17. und 18. und 500 aus dem 19. Jahr hundert. Es gibt 750 wichtige städtische Bauten, wie Rat häuser, Waagen und Stadttore, und etwa 500 besondere Gebäude, wie Anstalten, Versorgungsheime, Wohnhöfe, Klöster. Rund um die Kirchen und städtischen Bauten vervollkommnen die zahlreichen Bürgerhäusei* und Lager häuser, von denen unser Land noch 40.000 besitzt, das ver traute Stadtbild. Auf dem Lande draußen sind es vor allem die Schlösser und später die bürgerlichen Landhäuser, die der Landschaft das typische Gepräge verliehen haben. Ungefähr 600 davon stehen noch mehr oder weniger gut erhalten. Außerdem gibt es noch zahlreiche andere zum ländlichen Dasein gehörende Bauten, wie Bauernhöfe, Bleichereien, Mühlen, Brücken und Gitterwerke. In diesem reichen Schatz einfacher Architektur auf dem Lande, der sicher mehr als 10.000 Objekte umfaßt, ist die Umgebung, in der sich lange Zeit das Leben abgespielt hat, bewahrt geblieben. Es wird also auch die Möglichkeit berücksichtigt werden müssen, einen Teil der schönen alten Städte und Dörfer wiederherzu stellen. Der Hafen von Goedereede (Abb. 41) bietet dafür ein charakteristisches Beispiel. Zu diesem Zwecke werden viele Häuser restauriert werden müssen. Diese Häuser sind zwar

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