Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

Baues einen neuen Dachstuhl mit hölzernen Tonnengewölben. Kirchen, die vor dem Brand Steingewölbe hatten, bekamen also beim Wiederaufbau häufig ein hölzernes Tonnengewölbe, wodurch der Druck auf die geschwächten Mauern verringert wurde. Darnach wurden die Fenster hergestellt und zuletzt die Innenarbeiten in Angriff genommen, wobei in vielen Fällen die vom Feuer angegriffenen Säulen, Dienste, Halbsäulen, Querbögen, Langhausarkaden und Kapitelle durch Stukkatur arbeit wieder auf ihre frühere Form zurückgeführt wurden. Die Restaurierungen aus dem 17. Jahrhundert Keine historische Periode hat sich auf die niederländischen Bau- und Kunstdenkmäler so einschneidend ausgewirkt wie das letzte Viertel des 16. Jahrhunderts. Die Reformation und der achtzig Jahre dauernde Freiheitskampf gegen Spanien (1568—1648) brachten große Veränderungen mit sich. Die Pfarrkirchen in den Städten wurden vom reformierten Gottes dienst übernommen. An den Gebäuden wurde bei diesem Ubergang nur wenig verändert, hingegen ging das In\'^entar größtenteils zugrunde. Die Kloster- und Stiftskirchen verloren ihren Zweck. In der Stadt wurden sie manchmal als Lagerhaus oder Arsenal verwendet, auf dem Lande wurden sie alle vernichtet. Häufig wurden sie bereits in den ersten Jahren des Krieges abgebrochen, um dem Feind die Stützpunkte in der Umgebung der Städte zu nehmen und um das Steinmaterial für Festungszwecke zu verwenden. Diese Gruppe von Bauten, die jahrhundertelang mit so viel Sorge behandelt worden war. ging in einigen Jahren vollkommen zugrunde, ohne daß Abbildungen oder auch nur Fundamente übrigblieben. Neben der Zerstörung alten Kulturbesitzes, gegen die sich auch damals warnende Stimmen erhoben, sehen wir eine Restaurierungstätigkeit von enormem Umfang, die darauf deutet, daß bereits während dieser stürmischen Geburtsi^oi'iode einer neuen Zeit auch das Bedürfnis nach der Erhaltung fester Punkte in Stadt und Land vorhanden war. Das zeigte sich, als in den ersten Jahren des achtzigjährigen Krieges im Westen unseres Landes fast das gesamte platte Land ab gebrannt wurde, wobei Bauerngehöfte, Kirchen und vSchlösser in Flammen aufgingen. Sobald sich der Kampf nach den Außenprovinzen verlagert hatte, wurde der Wiederaufbau in Angriff genommen. Die Bauernhöfe und Dörfer erstanden wieder in der von der früheren wenig verschiedenen Form, die Schlösser wurden mit Hilfe des erhalten gebliebenen Mauer werks in der alten Gestalt wieder aufgebaut, aber vor allem wurden die Kirchen sehr sorgfältig wiederhergestellt. Man begann meistens damit, über dem Chor der Kirchenruine ein Notdach aufzustellen. Die endgültige Wiederinstandsetzung erfolgte erst viel später und vollzog sich oft in mehreren Etappen. Es dauerte beinahe em Jahi'hundert, bevor, um 1660 herum, der größte Teil der verwüsteten Kirchen wieder hergestellt war. Trotz der Tatsache, daß in diesen Jahren der Renaissancestil seinen Einzug hielt, daß der römisch-katho lische Glaube der reformierten Religion Platz gemacht hatte, und daß die zerstörten Kirchenbauten manchmal länger als eine Generation als Ruinen gestanden hatten, hielt man an einer möglichst getreuen Wiederherstellung des Zustandes vor der Zerstörung fest. Das Restaurieren im 17. Jahrhundert war in der Hauptsache ein Restaurieren in gotischen. Formen, die der Technik und dem Stilgefühl nach noch sehr zeitnahe waren. Man baute in diesem Stil bis gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts auf dem Lande neue Kirchen. Auch bei der Vergrößerung älterer städti scher Kirchen fand der gotische Baustil Anwendung. Mög licherweise wurde dieses hartnäckige Weiterleben der Gotik in unserem Lande durch die rege Restaurierungstätigkeit in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts gefördert. Das großartigste Beispiel der Restaurierung einer mittelalter lichen Kirche aus dem 17. Jahrhundert ist der Wiederaufbau der Am.sterdamer Nieuwe Kerk, die 1645 durch Feuer weit gehend zer.stört worden war (Abb. 28). Das vernichtete Dach und das hölzerne Tonnengewölbe wurden neu errichtet, die beschädigten Pfeiler und das Fenstermaßwerk unter genauer Beachtung ihrer sehr verschiedenen Formen im Laufe von drei Jahren in ihrer alten Gestalt hergestellt. Im Innern nahmen das kujoferne Chorgitter und die reiche Kanzel in ihrem durch die mittelalterlichen Vorgänger angeregten 8til wieder den alten Platz ein. Der Bau bekam ein schönes Inventar im Stil des 17. Jahrhunderts, das Mobiliar aus Eichenholz, die kupfernen Leuchter und die vollkommen weißen Wandflächen ergaben eine starke Kontrastwirkung. Nur einige Fenster wurden nach dem Neubau mit Glasmalereien versehen. Als Ganzes war ein derartiges Innere viel farbloser und stiller als ein Jahrhundert vorher. Der Bau war genau wiederhergestellt, aber die Atmosphäre darin war eine andere geworden (Abb. 29). Die Wiederinstandsetzungen im 18. Jahrhundert Der vorbildliche, intensive Restaurierungseifer, hauptsächlich zwischen etwa 1600 und 1660, begann dann nachzulassen. Einerseits ist der andauernde und mühsame Kampf gegen das durch Witterungseinfiüsse verursachte Abbröckeln und Verfallen eines Gebäudes schwieriger als ein eindrucksvoller Aufbau nach einer Katastrophe. Andererseits veränderte sich die Baugosinnung und Bautechnik allmählich so, daß das Restaurieren mittelalterlicher Bauten immer schwieriger wurde. Ein paarmal, wie bei der Wiederherstellung der Türme der St. Johannes-Kirche in Maastricht (1713), wurde mit Sorgfalt gearbeitet. Interessant ist die Bestimmung, daß kein altes Ornamentstück entfernt werden durfte, ohne daß vorher eine Kopie gemacht wurde. Im allgemeinen aber ist mit der Wiederinstandsetzung in steigendem Maß eine starke Verein fachung der Zierformen verbunden. Das variierte Fenstermaßwei'k wurde durch gerade Holzpfosten oder im günstigen Falle durch ein einfaches Maßwerk aus Ziegeln ersetzt; die Detailformen an Strebepfeilern und Balustraden verschwinden. Der Verfall der mittelalterlichen Architektur hatte begonnen. Eben in diesem Jahrhundert begannen sich die Auswirkungen des niederländischen Klimas auf die Gebäude aus dem späten Mittelalter immer deutlicher abzuzeichnen. Im allgemeinen hielt sich das Ziegelwerk vortrefflich, es wurde durch die Jahrhunderte kaum angegriffen. Die Natursteinbauten hielten sich ziemlich gut, sie bestanden in der Regel aus Steinen von sehr guter Qualität, da man immer eingeführte Steinsorten und niemals Steine aus den örtlichen minderwertigen Gruben verwendet hatte. Die gotische Baukunst hatte zwei schwache Punkte, die in unserem feuchten Klima zum Untergang führen mußten. Der erste war die vielfache Verwendung von Eisenkonstruktion. Bereits im 18. Jahrhundert mußte viel altes Fenstermaßwerk wegen des Verrosteiis der Quereisen herausgenommen werden. Auch die Außenhaut der Gebäude hatte durch rostendes

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