Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

blickenden mit den dünnen, scharfen Zügen, den einzeln aufgedrehten Locken, läßt sich dem (leider stark überarbeiteten) Kopf des bärtigen Königs vergleichen, die Faltenbehandlimg hat in der Ver kündigungsgruppe enge Analogien. Zum weiteren Werkstattumkreis sind ferner die künstlerisch minderwertigen vier Apostelstatuetten in der Arcbivoltenspitze des Singertors zu zählenes sind brettartig flache Gestalten, in ledern kompakte Gewandmassen gehüllt, mit kleinen maskenhaften Gesichtern. Sie leiten sich von den männlichen Heiligenfiguren im linken Gewände des Minoritenportals her und illustrieren gleichzeitig den Verfall dieser im Grund bereits überholten Stilrichtungi®. Ebenfalls vom Stephansdom stammt eine ursprünglich am Südturm aufgestellte, heute im Museum der Stadt Wien befindliche, eindrucksvolle Statue einer heiligen Dorothea vom Typus der Maria der Stiegen-Kirche, spiegelbildlich abgewandelt (Abb. 12)^". Umriß und Bewegung sind jedoch altertümlich gebunden und raumlos, das Verhältnis des schweren Kopfes, der großen Gliedmaßen zu dem vergleichsweise steifen, ungegliederten Rumpf ist vollkommen abweichend und verweist die Statue, deren Entstehung wohl nicht allzu weit von den Maria-StiegenEiguren gedacht werden kann, in ihrem stilistischen Grundgehalt als Werk eines traditionell arbeitenden Bildhauers zurück in die Zeit um 1340-1345. Abschließend soll hier noch eine Marienfigur aus Holz genannt werden, die sich im Stift Schlierbach in OberÖsterreich befindet (Abb. 13)^i. Ähnlich wie bei der Minoriten-Pfeiler-Madonna sitzt das Jesuskind mit entblößtem Oberkörper steil auf dem linken Arm Mariens. Der schmale, etwas eckige Figurentypus, die Organisation und die Anlage der Gewandung, der feine Kopf mit den rundlich aufgedrehten Locken erinnern stark an die Verkündigungsmaria, gleichzeitig erhellt aber der Vergleich, in welch überlegener, großartiger Tradition monumentaler Bildhauerkunst die Stiegen-Maria entstanden ist. In der Schlierbacherin ist diese Sprache in die eines Bildschnitzers übersetzt, vereinheitlicht und versteift, ,,ein gedeutscht". Das aus der Berührung mit bedeutenden Vorbildern erwachsene innere Pathos des Stein bildwerks weicht der freundlichen Eindeutigkeit eines klösterlichen Andachtsbildes. Wann sind die Statuen aus St. Maria am Gestade entstanden? Die Datierung der Portalplastik bei den Minoriten hat von den Untersuchungen Kieslingers auszugehend^. Auf Grund der Baugeschichte kam er zu einer kontinuierlichen Ansetzung der drei Westportale: vor 1350 Nordwestportal, um 1350 Haupt portal und nach 1350 Franziskus-Portal. Ginhart wollte die Figuren des Haupt- und Franziskus-Portals schon in die frühen Vierzigerjahre datierend^. Der zeitliche Abstand in der Entstehung beider Skulpturen portale ist vermutlich nicht erheblich. Verbinden sich doch die Türsturzpropheten des FranziskusPortals, von denen wir trotz ihrer unangenehmen Glätte annehmen, daß sie alt sind, mit den Skulpturen des Hauptportals, die sich als vergleichsweise,,westlicher" von den schwereren, organischer empfundenen Gestalten des bekanntlich von einem giottesken Vorbild unmittelbar abhängigen Franziskus-Reliefs abheben. Dürfen wir den Forschungen zur Baugeschichte der Minoritenkirche trauen, so erscheint eine Datierung der Skulpturen beider Portale in das fünfte Jahrzehnt am glaubhaftesten, wobei man mit Rücksicht auf die Rittertracht des Hauptmanns und seines Begleiters im Kreuzigungsrelief zu einer Ansetzung gegen oder um 1350 neigen wird. Der anliegende Waffenrock mit tiefsitzendem Gurt und ausgezaddeltem Saum, der ein breites Stück des knielangen Plattenrocks freiläßt, wurde nach 0. Gambers Forschungen erst in den Fünfzigerjähren getragen^''. Einen entsprechenden Harnisch trägt auch der Hauptmann auf der Kreuzigungstafel des Hohenfurter Altars^®. Damit ist eine ungefähre obere Grenze Tietze, a. a. O., S. 147, 158, Abb. 109, 110. Von links nach rechts: Bartholomäus, Thomas — Judas Thaddäus, Jacobus maior. Der Stil dieser Figuren wird von Tietze wohl nicht zu Recht von dem der Statuen im Apostelchor des Stephansdoms abgeleitet. Tietze nennt im Zusammenhang mit den Apostelfiguren des Singertors zu .Recht auch das untere Relief im Bogenfeld des nördlichen Bischofstors mit der Darstellung des Marientodes, dessen Bildhauer das Erbe der Minoritenwerkstatt etwas ab weichend interpretiert. S. hierzu auch A. Kosegarten, Plastik am Wiener Stephansdom unter Rudolf dem Stifter, ungedr. Diss. phil., Freiburg/Br. 1960, S. 131 ff. Tietze, a. a. 0., S. 519, Abb. 652; Bachmann, a. a. O., S. 21. F. Kieslinger, Österreichs frühgotische Madonnenstatuen, Jahrbuch der österreichischen Leogesellschaft, 1932, S. 200. 22 F. Kieslinger, Belvedere XI, 1927, S. 103ff.; G. Schmidt, Das Marientympanon der Wiener Minoritenkii'che, Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege, 1957, XI, S. 119. 23 Ginhart, a. a. 0., S. 72. 2^ 0. Gamber, Stilgeschichte des Plattenharnisches von den Anfängen bis um 1440, Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien, 50, 1953 (S. 53ff.), S. 56, Abb. 42. 2^ A. Matejczek, Gotische Malerei in Böhmen, Prag 1939, S. 51, Nr. 3—11, Abb. 14.

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