Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

Rohzustand. Die größere Distanz, in der er zu den oft mittel mäßigen Malereien der Alpenländer steht, gewährt oft genug eine freiere Beurteilung, sie läßt Beziehungen erkennen, die aus der Nähe kaum oder weniger gut sichtbar sind; die Distanz bedingt gelegentlich auch das Gegenteil: Umstände, die der Ver fasser neben anderen Einschränkungen, die sich aus der Natur des großzügigen Forschungsunternehmens als unvermeidbar ergeben haben, in seinen Vorbemerkungen selbst erwähnt. Die Disposition der beiden vorliegenden entspricht der der vorausgegangenen Bände. Je nach Zahl und Bedeutung der Objekte werden die erste und die zweite Jahrhunderthälfte in getrennten Kapiteln behandelt, wie für Salzburg, Tirol, Wien und Niederösterreich, während für Steiermark, Kärnten und Oberösterreichmit einem Kapitel für das ganze Jahrhundert das Auslangen gefunden wird. In sehr verdienstvoller Weise wird in der Regel auf die Kunst des 14. Jahrhunderts zurück gegriffen, um die Grundlagen für die Malerei des neuen Jahr hunderts zu gewinnen. Enthalten doch die Jahrzehnte zwischen etwa 1370 und 1430 einen der spannendsten Abschnitte der österreichischen Malerei, die, zwischen Italien, dem Westen und Böhmen sich entwickelnd, nun ihr unverwechselbares Profil annimmt. Wie unschwer sich auch der italienische Gehalt jeweils zu erkennen gibt, weil seine Merkmale gleichsam an der Oberfläche liegen, so schwierig scheint manchmal das ,,Böhmische" zu fassen, das komplexer und, seit den letzten Dezennien des 14. Jahrhunderts, zum ,,Österreichischen" gewandelt und mit westlichen Zügen vermengt, auftritt. Der Feststellung solcher Komponenten, etwa in der Brixener Malerei (Kreuzgang, Arkade VIII), kann nur beigepflichtet werden, wobei wir nicht unbedingt annehmen wollen, daß ,,der Maler in Böhmen gelernt" haben müsse. Die am Wiener Hof unter und nach Rudolf IV. gepflegte Malerei hat sich von der böhmischen Quelle doch schon ein wenig entfernt und typische Züge angenommen, und es ist nicht uninteressant zu beobachten, daß sie, etwa in Steiermark oder in Tirol, im Zusammenhang mit dem Auftreten dieser Habsburger in Erscheinung treten. Die künstlerische Entwicklung über einen längeren Zeit abschnitt hinweg einmal unter Berücksichtigung der nicht unbedeutenden Rolle der Auftraggeber zu verfolgen, wäre eines Versuches wert. So oft etwa Maximilian zum Ausgangs punkt kunstgeschichtlicher Betrachtungen gewählt worden ist, so unergiebig sich in dieser Hinsicht Nikolaus Cusanus erwiesen hat, die Zahl der profanen und küchlichen Persön lichkeiten, deren Mäzenatentum und Initiative auf Kunst und Künstler — nicht nur hinsichtlich der Themen — einwüken konnte, ist groß genug, um derartige Untersuchungen zu recht fertigen. Unter solcher, freilich umfassender geistesgeschicht licher Studien bedürfenden Sicht würde vielleicht das Fresko werk von Runkelstein, würden andere Schöpfungen dieser ,,Übergangsperiode", neue Aspekte gewinnen können. Die gründliche Auseinandersetzung mit den zu Burgund und Frankreich offensichtlich bestanden habenden Beziehungen, scheint für die österreichische Malerei noch zu fehlen. Auch hinsichtlich der italienischen Vorbilder scheint unser Blick zu sehr von den nördlich des Apennin gesetzten künstlerischen Taten angezogen, so daß etwa die toskanische Malerei vor und um 1400 wenig Beachtung findet. Gerade für das seltsame Votivfresko (1417) in der Turmhalle der Meraner Pfarrkirche könnte nicht nur der Westen, sondern auch die Toskana als Quelle in Betracht kommen. Es hieße nun den knappen Raum, den unsere Zeitschrift den Buchanzeigen gewährt, weit überschreiten, wollten wir uns mit allen Fragen, die der Verfasser zu lösen trachtet oder wenigstens anschneidet, auseinandersetzen, ganz abgesehen davon, daß diese Auseinandersetzung (hingewiesen sei etwa auf die Probleme, die das Werk des ,,Uttenheimers" nach wie vor bietet) kaum in Form einer Besprechung, sondern nur in Aufsätzen, die einzelnen Komplexen zu widmen wären, nutz voll sein würden. Wenn der Verfasser in seinem sehr schönen Vorwort zum 11. Band, der das ganze, lange vor dem Kriege begonnene Werk abschließt, schreibt: ,,Das gestellte Ziel ist in etwa er reicht, da es galt, den auf uns kommenden Bestand deutscher gotischer Tafelbilder zu sichten und zu ordnen. Manches blieb übersehen, anderes entzog sich unseren Bemühungen. Aber der bei weitem größere Teil ist nun ans Licht gestellt, mag es auch nicht immer geglückt sein, den rechten historischen Ort ausfindig zu machen, mögen Zusammenhänge übersehen, andere falsch gedeutet worden sein. Da wird man bedenken müssen, daß es ein erstes durchgreifendes Bemühen gewesen ist." usw., so erhöht diese menschliche Einsicht in die Begrenztheit der Möglichkeiten des Unternehmens nur unsere Hochachtung vor der Leistung. Nun, da der Boden umgebrochen ist, möge die Arbeit nicht ruhen; es wäre die Krönung von Stanges Werk, wenn die Diskussion um seine Feststellungen und Thesen in Gang kommen und die beabsichtigte Anregung ihre Früchte tragen würde. W. Frodl Corpus der romanischen Kunst Mitteldeutschlands, herausgegeben von Richard Hamann und Edgar Lehmann, Reihe A, Band I, Die Prämonstratenser-Klosterkirche zu Veßra in Thüringen, bearbeitet von Ernst Badstübner, Akademie-Verlag, Berlin 1961. 106 Seiten, 224 Abbildungen auf 85 einfarbigen und 10 mehrfarbigen Tafeln, 1 Land karte. 4°. DM 65.—. Mit dieser Monographie legt die Arbeitsstelle für Kunst geschichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin den ersten Band einer Gesamtveröffentlichung vor, die in drei Reihen (A. Architektur, B. Plastik, C. Wandmalerei) als Corpus der romanischen Kunst Mitteldeutschlands geplant ist. Dem Denkmälerbestand entsprechend soll das Haupt gewicht der Architekturreihe zufallen, für die eine Zusammen arbeit von Historücer, Architekt und Kunsthistoriker an gestrebt wird, wie sie Edgar Lehmann als Herausgeber bereits bei dem ersten Band mit überzeugendem Erfolg durchgeführt hat. Die gewählten Arbeitsgrundsätze haben sich an dem Modellfall der Ruine Veßra sowohl in der Auswertung des Befundes für die Rekonstruktion als auch in der instruktiven Darstellung der Ergebnisse bewährt. Von den letzteren ist hervorzuheben, daß sie durch Vergleiche mit verwandten Bau- und Schmuckformen und durch deren Aufnahme in das Bildmaterial über das gestellte Thema hinausweisen — ein vielversprechender Beginn für das weitreichende Unternehmen, dessen Zielsetzung einem dringenden Anliegen der Kunst geschichte gerecht wird: durch gewissenhafte Erfassung des Bestandes und Ermöglichung von Vergleichen die schwanken den Datierungen wichtiger Baudenkmäler allmählich zu festigen und so eine Klärung architekturhistorischer Probleme herbeizuführen, um die sich die Wissenschaft seit mehr als fünfzig Jahren bemüht. E. Doberer

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