Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

Bericht über die Restaurierung der großen Orgel in der Groote of St. Bavokerk in Haarlem, erbaut 1735—1738 durch Christiaan Müller Die große Orgel in der Bavo-Kathedrale zu Haarlem war zur Zeit ihrer Erbauung die ,»größte Orgel der Welt" und ist dank ihrer großartigen Gesamtkonzeption tatsächlich auch heute noch das grandioseste Werk der Welt, das gleichzeitig den wohlproportioniertesten Prospektaufbau besitzt (Abb. 30). Die Orgel stand zu jeder Zeit im Mittelpuiikt des Interesses. Händel und Mozart haben sie bewundert, sie wurde ständig in Konzerten gespielt. Sie hat auch die ,,romantische" Zeit mit Darstellungen von Orchestermusik überstanden, ohne grundlegend verändert zu werden. Verschiedene der jeweiligen Geschmackrichtung angepaßte Änderungen des 19. und des Beginns des 20. Jhs. ließen aber doch jetzt eine gewissen hafte Restaurierung notwendig erscheinen, seit die Orgel durch die alljährlich im Juli stattfindenden Wettbewerbe und Orgelwochen in die vorderste Reihe des Orgelgeschehens gerückt war. Die Orgel gehört der Stadt, nicht der Kirche. In langer Be ratung mit den staatlichen Denkmalstellen entschloß man sich, trotz der Tüchtigkeit holländischer Orgelbauer, die Re staurierung der ersten Orgelbauwerkstätte der Welt, Marcussen & Sohn, Aabenraa, zu übertragen. Ein langwieriger Kampf war vorausgegangen. Trotzdem siegten die sachlichen Argumente. Die Ausführung der Orgelrestaurierung, die größenordnungsmäßig für den orgelbaulichen Teil ca. 200.000 Hfl. kostet, ist beispielgebend verantwortungsbewußt vonstatten gegangen. Das Ergebnis hat alle frühere Kritik an der Vergebung des Auftrages ins Ausland völlig verstummen und in eine einhellige Würdigung der großartigen Leistung verwandeln lassen. Die Orgel wurde gänzlich in den Ur sprungszustand zurückgeführt unter Anwendung der tech nischen Vervollkommnung der Windladen und der Traktur, welche im mechanischen skandinavischen Orgelbau bewährt sind. Die Rückführung der Intonation gab ihr den im Ur sprungszustand vorhandenen Glanz und die Pracht ihres vollen Werkes wieder, so daß man heute wieder die monu mentale Barockorgel der Bachzeit hören kann. Die Restaurierung des riesenhaften Gehäuses führte die Firma Hans Schubert, Karlstadt am Main, durch. Die späteren Öl farbenanstriche wurden abgelöst, um die originale Fassung in Kasein-Tempera bloßzulegen und auszubessern. Die reich liche, in der Zwischenzeit zerstörte Poliment-Vergoldung wurde mit 23% karatigem Blattgold neu gemacht. Da in Holland keine genügende Erfahrung mit solchen umfangreichen Ar beiten vorhanden war, entschloß man sich auch da zur Bei ziehung der ausländischen Firma. Das Ergebnis ist ausge zeichnet. Die in vielen Farbabstufungen unterschiedene Fassung besitzt eine Leuchtkraft, die zum prächtigen Klang ein ebenbürtiges Gegenstück bildet. Ein besonderes Problem bilden die Prospektpfeifen. Die aus 99%igem englischem Zinn bestehenden, teils riesenhaften Pfeifen (bis Ilm, echter 32') waren durch die Gasbeleuchtung des 19. Jahrhunderts schwarz korrodiert. Zu Anfang unseres Jahrhunderts ließ man die Pfeifen anstreichen. Da man ein Abschleifen oder Nach polieren für die Wandstärke und dadurch für den Ton zu gefährlich hielt, entschloß man sich, die Pfeifen mit Zinnm.m 30. Haarlem, Bavo-Kathedrale, große Orgel nach der Restaurierung (Egon Krauss, Wien) folie zu belegen, wie dies bei Bleipfeifen im 17. Jahrhundert üblich war. So gewann der Prospekt wieder sein richtiges Aussehen, ohne den Ton zu gefährden. Die Kosten der Ge häuse- und Prospektrestaurierung sind sogar etwas höher als die Orgelbaukosten, da auch die Chorbrüstung und der Unterbau sowie der Hintergrund restaui-iert wurden. War die Orgel im 19. Jahrhundert durch den Gehäuse-Ölanstrich und die grau gestrichenen Pfeifen dunkel geworden und hob sich von der weißen Rückwand als dunkler, in seiner Glie derung nicht auffallender Vorbau ab, so ist jetzt auf dunkelgrauem Hintergrund eine helle und strahlende, in allen ihren Gliederungen plastisch hervortretende und in raffinierter Farbabstufung gefaßte Orgel als beherrschender Kirchenab schluß zu sehen. In Zusammenhang mit der feierlichen Einweihung der restau rierten Orgel ist im Monat Juli in Haarlem auch die Aus stellung ,,Nederlandse Orgelpracht" veranstaltet worden. Diese überaus sehenswerte Ausstellung hat 152 Exponate, darunter 94 Ölbilder und Zeichnungen seit dem 16. Jahr-

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