Mit Hilfe dieser Abbildungen wurde die komplizierte malerische Ausschmückung der Zimmer Schritt für Schritt wiederhergestellt, wohl eine der wichtigsten, aber auch die schwierigste Arbeit. Zunächst mußten die Abbildungen sozusagen entschlüsselt werden. Vorzüglich eignete sich dafür der impressio nistisch orientierte Realismus Rudolf Alts, dessen beide Darstellungen als absolut verläßliche Vorlagen gelten können'^®. Natürlich wurden die anderen Abbildungen zur Ergänzung oder Klärung immer wieder herangezogen. Von Alts Aquarellen wurden vorerst die wesentlichen Farben abgelesen, unter Abstrahierung der durch Licht und Schatten bewirkten Verfärbungen, und in einer Reihe von Versuchen in Grund- und Muster farben zerlegt. So ergaben sich z. B. für die Wohnzimmerwand drei Grautöne. Danach wurden die Formen der Wandmuster ,,enträtselt". So konnte das Wandmuster der Bibliothek Strich für Strich nach der verhältnismäßig deutlichen Wiedergabe in der rechten oberen Ecke des Alt-Aquarelles erfaßt werden (Abb. 29). Die ersten Ausdeutungen der leichten Hand des Künstlers ergaben freilich ein etwas wirres Ornament, das — immer mit dem Blick auf die Abbildung - ein wenig auffrisiert zusehends Form gewann und sich schließlich zu einem regelrechten Schablonenmuster zusammenschloß. Hingegen wurden Versuche, die Arabesken der Wohnzimmerwand nachzuzeichnen, bald aufgegeben. Die vor handenen Schablonen des Grillparzer-Zimmers von 1888 ergaben bei probeweiser Verwendung einen völlig zufriedenstellenden Effekt, sie sind daher wieder verwendet worden. Sodann wurde das bei Alt malerisch und doch exakt wiedergegebene System von Bändern, Linien und Friesen, das die Plafonds zu einem guten Teil bedeckt, mit Hilfe einer feststellbaren Größe in den wirklichen Ausmaßen ermittelt und zunächst als maßstabgetreuer Entwurf gezeichnet. Schwieriger war die Rekonstruktion der Plafondrosetten^'. Alle diese Entwürfe hat Museumsrestaurator Franz Leihsner mit außerordentlicher Geduld gezeichnet, immer wieder ändernd und sich selbst korrigierend. Der eigentlichen Malerarbeit, die von Malermeister Karl Miss und seinem Gehilfen Josef Broz teils mit Schablonen, teils freihändig mit intensiver Einfühlung ausgeführt worden ist, gingen zahlreiche Erprobungen voran^®. Eine Überprüfung des schon weitgehend fertig gemalten Wohnzimmers ließ erkennen, daß die Wandabschlußleiste unterhalb der Hohlkehle plastisch gewesen sein muß; die von Rudolf Alt auf dieser Linie aufgesetzten Lichter - also Lichtreflexe — waren bisher nicht richtig gedeutet worden. Die Leiste wurde aus vergoldetem Gips wiederhergestellt. Sockelhöhe, Fachenbreite u. a. Einzel heiten wurden immer wieder an Hand der Abbildungen abgestimmt. Alle Dekorationen sind zuerst probeweise angebracht worden. Auf harmonische Wirkung und altmeisterlich handwerksgerechte Aus führung ist stets Bedacht genommen worden. Zu 1. Aus dem Nachlaß. Ein Geschenk der „Grünen Insel" zum 70. Geburtstag, vgl. Gespräche VI/S. 250. Zu 2. Aus dem Nachlaß Dumba 1937 im Dorotheum erworben, wo das Aquarell, am Rande seis vermerkt, als ,,Interieur studie ausgeboten worden ist. Ursprünglich war darauf Grillparzer, im Lehnstuhl sitzend, dargestellt, wie eine frühe Photographie dieses Aquarells zeigt. Die Figur ist irgendwann ausgewaschen worden (Inv.Nr. 57.777). Zu 3.-6. Mit einer dazugehörigen Lederkassette 1922 im Dorotheum erworben. Vormals Besitz des Hofschauspielers J. Lewinsky (vgl. Kat. der Nachlaßauktion im Dorotheum, Oktober 1907, Kat.Nr. 584), der sie wahrscheinlich von dem wenig bekannten Landschafts- und Stillebenmaler anfertigen ließ (Inv.Nr. 43.598/1—4). Zu 7.-8. Im Auftrag der Stadt angefertigt und im Februar 1884 um 200 Gulden angekauft (Inv.Nr. 31.416 u. 31.417). Zu 9. Im ,,Extrablatt" vom 8. VII. 1884. Weitere, jedoch unbedeutende Abb. bei Backmann, a. a. O., S. 194ff. Das ihm nur in Reproduktionen bekannte Ölgemälde von Alwin von Stein, Besuch Bauernfelds bei Grillparzer, ist seit 1941 im Besitz des Museums, jedoch ohne Bedeutung, da es 1893 entstanden ist. Die wenigen Mängel, die Backmann, a. a. 0., S. 191, festzustellen meint, sind eigene Sehfehler. Hingegen verundeutlieht die noch sehr biedermeierliche Darstellung Franz Alts einem romantischen Gesamteffekt zuliebe die Einzelheiten zu sehr. Die vier dilettantischen Aquarelle von Spieß bieten wohl eine Fülle von Einzelheiten, aber allzu viel ist falsch gesehen und verdorben wiedergegeben. Die Sepiazeichnung von Kanitz zeigt einen früheren Zustand des Zimmers, und die Strichätzung gibt nur eine flüchtige Skizze. Vorweg war schon unklar, ob das Mittelstück der Wohnzimmer-Rosette plastisch oder bloß plastisch gemalt war. Nun zeigt ein Vergleich des Alt-Aquarells mit der Sepiazeichnung von Kanitz, daß das Zimmer zwischen 1860 und 1872 neu ausgemalt worden ist (Backmann, a. a. O., S. 177, meint, kurz vor dem 80. Geburtstag). Dabei wurde die Deckenbemalung verändert, das Mittelstück ist aber augenscheinlich gleich geblieben. Man kann also annehmen, daß es sich um eine Stuckrosette gehandelt hat. Das entspricht ja auch damaligen Gewohnheiten. Die Rosette wurde daher als Stuckimitation aus Papiermache wieder hergestellt. Die flache Verzierung der Rosetten, in allen Abbildungen sehr undeutlich wiedergegeben, wurde mit Hilfe von Zimmermaler-Vorlagen aus dem vorigen Jahrhundert möglichst getreu nachgebildet. So wurden die Plafonds erst ziemlich dunkel, mit viel Grau, angelegt und allmählich bis zu einem stumpfen gelblichen Ton aufgehellt. Die Wandfarbe der Bibliothek fand sich rasch, hingegen wirkte die auf dem Papier gefundene Farbe des Wohnzimmers im Räume selbst zu dunkel. Sie mußte entsprechend aufgehellt werden.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2