Diese Grillparzer-Zimmer erhielten sich im wesentlichen unverändert bis 1940, sie bildeten den Mittel punkt der Gedächtnisausstellungen von 1891 und 1922®, immerzu aber einen Hauptanziehungspunkt des Museums. Sie sind während ihres fünfzigjährigen Bestandes von schätzungsweise zwei Millionen Menschen besucht worden. Ältere Leute haben sie noch gut in Erinnerung. Es verdient, festgehalten zu werden, daß die der unmittelbarsten Berührung ausgesetzten Gegenstände diese Zeit gut überdauert haben^. Im Herbst 1940 wurde die alte Aufstellung aufgelöst und daim durch eine Nachbildung der Wohnräume ersetzt, die zunächst einen Teil der dritten Gedächtnisausstellung 1941 bildete. Schon seit vierzig Jahren war eine solche Nachbildung möglich geworden. 1900 war das Haus Spiegel gasse 21 abgebrochen, Grillparzers Wohnung jedoch auf eigentümliche Weise bewahrt worden. Es ist dies einer Anregung des Stadtrates Ludwig Zatzka zu danken. Zatzka, von Beruf Stadtbaumeister, hat die Wiederherstellung der Wohnung innerhalb des Stadtmuseums, dessen Bau eben beschlossen worden war, vorgeschlagen. In diesem Zusammenhang ließ die Magistratsdirektion am 31. Oktober 1900 folgende Anordnung an das Stadtbauamt ergehen®; ,,Da das Wohnhaus Grillparzer's I. Spiegelgasse 21 nach dem November-Termine 1900 demoliert werden wird, haben die Eigenthümer desselben, die Herren Dr. Adolf Daum und Georg Demski, die in der ehemaligen Wohnung Grillparzer's /: top. No- 40 :/ befindlichen Thüren, Fenster, Öfen, weichen Fuß böden, ferner die Eingangsthür mit der No. 40, den Thürglockenzug an derselben und das Stiegengangfenster davor an die Gemeinde Wien für das Grillparzer-Zimmer des städtischen Museums geschenkt. Ferner hat Herr Stadtbaumeister Georg Demski gestattet, daß die Wohnung nach ihrer Räumung vom Bauamte vermessen werde ... Das Stadtbauamt wird beauftragt, eine genaue Vermessung und Zeichnung der Wohnung, speciell des Schlafzimmers und Arbeitscabinetes des Dichters, sowie des an ersteres anstoßenden Zimmers seiner Braut zu veranlassen; ferner sind die einzelnen Gegenstände, insbesondere auch die Kacheln der schwe dischen Öfen, genau zu bezeichnen, so daß auf Grund der vom Bauamte verfaßten Behelfe im neuen Museum der Stadt Wien die Grillparzer-Zimmer ganz in der gleichen Art, wie sie der Dichter benützte, eingerichtet werden können..." Zunächst wurde die eben von den Mietern geräumte Wohnung von Stadtbauamtsingenieur Emil Bistritschan vermessen, und von Architekt S. Neiss ein Plan gezeichnet (Abb. 17), der daim in der Druckerei Hierhammer in hundert Exemplaren lithographisch vervielfältigt wurde. Noch vor Begiim der Abbrucharbeiten wurden die Türen samt Staffel, Stockfutter und Verkleidung, die Fenster mit allem Drum und Dran, die Öfen, die Fußbodenbretter und überhaupt alle demontierbaren Teile aus den Räumen des Dichters und dem anstoßenden Wohnzimmer der Geschwister Fröhlich geborgen, in Abstimmung mit dem Plan numeriert und in Listen erfaßt. Die wohldurchdachte Rettungsaktion ist ganz planmäßig ausgeführt worden, zu einer Zeit, in der die Denkmalpflege eigentlich noch in den Kinderschuhen steckte. Dann freilich konnten die Dinge nur in ein Depot gebracht werden, wo sie bis zur Errichtung des Stadtmuseums bewahrt werden sollten. Aber das Projekt eines Kaiser Franz JosefStadtmuseums wurde bis zum Ausbruch des Weltkrieges nicht verwirklicht und 1919 ,,wegen der geänderten Verhältnisse" fallengelassen. Erst 1940 wurden die Bestandteile verwendet, um für die dritte Gedächtnisausstellung, die wiederum in den Räumen des Rathauses stattfinden sollte, eine Nachbildung der Wohnung zu schaffen; eine dankenswerte Idee Reinhold Backmanns', denn wahr scheinlich hat nur diese provisorische Verwendung die ,,zerlegte Wohnung" vor dem Untergang in Kriegs- und Nachkriegstagen gerettet, wie Einbußen bei den nicht verwendeten Teilen beweisen. ® Vgl. Führer durch die Ausst. im Neuen Rathause zur Feier des 100. Geburtstages Franz Grillparzers, Wien 1891, S. 216ff. Von der Grillparzer-Ausstellung 1922 {50. Todestag), die vom 21. I. bis 1. III. dauerte, existiert weder Führer noch Katalog. Während dieser Jahre gerieten offenbar nur zwei Objekte in Verlust, ein kleines Porzellanlavoir und die goldene Zylinderuhr Grillparzers. Diese wurde 1895 aus einer Vitrine gestohlen, vgl. Museumsakten ZI. 635 ex 1895. ® Plan- und Schriftenkammer des Wiener Stadtbauamtes Enthält auch die anderen betr. Akten. Siehe auch Museums akten ZI. 645 ex 1900. Zur Geschichte des Hauses R. Backmann,,,Willst du, ich soll Hütten baun ..in: Jahrb. d. GrillparzerGes., 34. Jg., S. 179ff. Photographien des Hauses sowie künstlerische Aufnahmen von F. Poledne und A. Hlavacek im Besitz des Museums. Eine eigenartige Beschreibung des Hofes und ,,des Blickes, den man aus jenem Fenster hat, das direct über Grill parzer's Arbeitsfenster liegt" in (Alexander) Dedekind's Memoiren aus Grlllparzerkreisen, 5. Heft, Wien 1881, S. 43ff. ^ Backmann hat schon 1937, als das Museumsprojekt wieder auflebte, nachdi'ücklich die Wiederherstellung gefordert und sich damit in dem zuvor erwähnten Aufsatz eingehend befaßt.
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