Die Unterzeichnete knüpft daran nur den Wunsch, daß dieser gesamte Nachlaß des Dichters ungetheilt in einem entsprechenden Räume des neuen Rathhauses, welcher den Namen ,,Grillparzerzimmer" führen möge, aufgestellt, verwahrt und der Besichtigung der Besucher in entsprechender Weise zugänglich gemacht werde. Für den Fall, daß diese Stiftung seitens der Großcommune Wien angenommen wird, kann die formelle Übernahme der Schenkung in das Eigenthum der Stadt sogleich erfolgen, und es sollen darüber die nöthigen Urkunden und Inventare (die letzteren in zwei Exemplaren) ausgefertigt werden, damit für den Fall meines Ablebens keinerlei Zweifel über das Besitzrecht bestehen. Da ich mich jedoch bei meinen Lebzeiten von dem Nachlasse Grillparzers nicht trennen will, so soll derselbe einstweilen in den von dem verewigten Dichter bewohnten Räumen bleiben wie bisher, so lang ich lebe, und, falls mein Tod vor Vollendung des neuen Rathhauses einträte, auch noch so lange, bis die Übertragung in die dort hergestellten Räumlichkeiten erfolgen kann. Einer geneigten Erwiderung entgegensehend zeichne ich mich in vollkommener Hochachtung Euer Hochwohlgeboren ergebenste Katharina Fröhlich Am 21. Juni 1878 nahm der Gemeinderat diese Widmung mit den daran geknüpften Bedingungen ,, bereit willigst" an. Im folgenden Monat begab sich Stadtarchivdirektor Karl Weiß in Begleitung eines magistratischen Buchhaltungsbeamten in die Wohnung der Geschwister Fröhlich in der Spiegelgasse 21, erste Stiege, vierter Stock, Tür 40, und nahm in den beiden Zimmern, die Grillparzer vom 27. April 1849 bis zum Tode am 21. Jämier 1872 bewohnt hatte, die Inventarisierung der Hinterlassenschaft vor. Es war dort seither noch nichts verändert worden, mit unvergleichlicher Liebe bewahrte Katharina Fröhlich jene Ordnung, die der anspruchslos Anspruchsvolle zeitlebens gefordert hatte. Es scheint, daß ihr mit der peinlich genauen Inventarisierung des Nachlasses^ die Sorge über dessen künftiges Schicksal genommen worden ist: sie hat die weiteren notwendigen Formalitäten nicht mehr betrieben, und so ist der notarielle Schenkungsakt erst neun Monate nach ihrem Tode auf Veranlassung ihrer Schwester Anna Fröhlich am 15. Dezember 1879 errichtet worden. Als Zeuge fungierte Dr. Georg Preyß, Grill parzers Hausarzt und Freund. Des Dichters gesamte Habe, die nun in den Besitz der Allgemeinheit überging, wurde einvernehmlioh mit 800 Gulden bewertet. Aima Fröhlich starb als letzte der Schwestern am 11. März 1880. Auch nach ihrem Tod blieben die Zimmer unberührt, bis der Bauzustand des neuen Rathauses im Juli 1884® die Überführung des Nach lasses ermöglichte. Im Jänner dieses Jahres hatte Rudolf Alt im vorsorglichen Auftrage der Stadt die Wohnstätte in zwei Aquarellen festgehalten. Jetzt wurde sie aufgelöst, man dachte damals, für immer, und Grillparzers Hausrat bis auf weiteres in einem Nebenraum des Rathauses abgestellt. Am 20. Mai 1887 beschloß der Gemeinderat die Gründung des Historischen Museums und statuierte zugleich dessen Aufbau: das ,,Grillparzer-Zimmer" wurde satzungsmäßig Teil des Historischen Mu seums^. Schon am 26. Juni 1888, nach erstaunlich kurzer Vorbereitungszeit, wurde das Museum eröffnet. Das Grillparzer-Zimmer befand sich in den im Halbstock nächst der Feststiege I gelegenen Räumen der sogenannten Abteilung III. Die damalige Aufstellung wird im Katalog von 1888 und in einem 1904 erschienenen, illustrierten Führer beschriehen®. In zwei kleinen Räumen war der Hausrat ähnlich wie in Grillparzers beiden Zimmern aufgestellt worden. Ähnlich war auch die Ausmalung - die damals verwendeten Schablonen haben sich bis heute erhalten - aber die andersartigen Räume und die Einfügung von drei Vitrinen und einzelnen fremden Gegenständen minderten die erstrebte ,,treue Darstellung" allzu fühlbar. 2 Die vier Nachlaßinventare (das vierte ein Nachtrag vom 15. XII. 1879) enthalten zahlreiche wertvolle Hinweise, offenbar Mitteilungen der Schwestern Fröhlich. Von den seinerzeit angefertigten lithographischen Vervielfältigungen lassen sich heute noch vier Exemplare feststellen. ® Am 8. Juli, laut ,,Extrablatt" vom selben Tag. Die Angabe im Katalog des Historischen Museums von 1888, S. 219, wonach die Übersiedlung im Herbst 1883 erfolgt wäre, ist falsch. ^ Versteht man die Benennung ,,Grillparzer-Zimmer" im Sinne der VVidmungsurkunde, so ist die derzeitige Aufbewahrung des schriftlichen Nachlasses in der Stadtbibliothek eine widmungs- und statutenwidrige Teilung des Nachlasses. ^ Das Grillparzcr-Zimmer im Wiener Kathause, o. O. u. J. (Wien, 1904).
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