Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

Ngrgi. um 12. St. Pöltener Missale: Initiale »S mit Darbringung Christi. Nürnberg, German. Nat.-Mus., Mm 69 kl. F (German. Nat.-Mus., Nürnberg) 13. St. Pöitenev Missale: Initiale A mit hl. Augustinus. Nürnberg, Germanisches National-Museum, Mm 74 kl. F (German. Nat.-Mus., Nürnberg) 14. St. Pöltener Missale: Initiale D mit Schmerzensmann. Nürnberg, Germani sches National-Museum, Mm 76 kl. F (German. Nat.-Mus., Nürnberg) Endlich muß uns noch die Stellung der besprochenen Handschrift in der österreichischen Malerei und die Frage nach ihrer vermutlichen Entstehungszeit beschäftigen. Bisher war von einigen präzise bestimmbaren Analogien zur böhmischen Kunst und von einer vermuteten Inspiration seitens der französischen die Rede. Sowohl die erwähnten Werke des Meisters von Wittingau und seiner Schule wie auch die aus dem Miniatorenkreis des Jean de Berry gehörten vorwiegend den letzten zwei Jahr zehnten des 14., zum Teil auch schon den ersten Jahren des 15. Jahrhunderts an. Wie steht es nun um das österreichische Material, das einen Vergleich mit der St. Pöltener Handschrift erlaubt? Die Berührungen sind hier zwar kaum zahlreicher, wohl aber viel enger als jene, die sich mit böhmischen Werken ergaben. Das gilt in erster Linie für die Blattranken, die Randleisten und die Deckfarbeninitialen, die sämtlich den entsprechenden Lösungen der zeitgenössischen Wiener Hofminiatoren überraschend nahestehen^'. Im Rahmen dieser Schule ist es vor allem der von Holter so genannte ,,Lyra-Meister", mit dessen Zierformen sich die engsten Übereinstimmungen ergeben^^. Die dümien, mit ungewöhnlich dürftigen Schaftringen besetzten imd von den charakteristischen goldenen Dreiecken begleiteten Stäbe bilden hier ebenso das Gerüst der Randleisten wie in dem New Yorker Einzelblatt mit der Kirchweihprozession; eng verwandt sind auch die aufbrechenden Knospen an den unteren Enden dieser Stäbe, vor allem aber das großflächig mit Gold unterlegte Blattwerk, das sich in weichen Spiralen um die Stäbe herumlegt oder in reicherer Verzweigung aus ihnen hervorwächst (vgl. Harrsen, a. a. 0.,Taf. 66, sowie unsere Abb. 3 und 15 mit Abb. 5, 8, 9). Gerade die besonders üppigen Ranken der ,,Historia de corpore Christi" (Abb. 9) legen einen Vergleich mit dem strukturell sehr ähnlichen Rankenwerk nahe, das den Rahmen der Nürnberger Kreuzigung umgibt (Abb. 6). Wie die Wiener Illuminatoren setzt auch unser St. Pöltener Meister seine Initialen auf konturenlose, annähernd quadratische Goldflächen und legt die Gründe der Miniaturen farbig an. Schäfte, Bäuche und Balken über die Wiener höfi.sche Illuminatorenwerkstatt hat zusammenfassend K. Holter gehandelt. (Die Wiener Buchmalerei, in; Geschichte der bildenden Kunst in Wien, Band 2: Gotik, hsg. v. R. K. Donin, Wien 1955, S. 216ff., besonders S. 220ff.) Holter, a. a. O., S. 221 f. Namengebend für diesen Illuminator war cod. 2783 der Wiener Nationalbibliothek (Psalmenerklärung des Nikolaus von Lyra); ferner schmückte er eine ,,Historia de corpore Christi" aus, die für Herzog Wilhelm bestimmt war und daher zwischen 1404 und 1406 datiert werden kann (früher in der Liechtenstein-Bibliothek, jetzt M. 853 der Pierpont Morgan Library). Sollte Holter im Recht sein, wenn er dem Lyra-Meister auch fol. 57r des Rationale Durandi (Wien, cod. 2765) zuschreibt, wo noch der Auftraggeber dieses ersten Hauptwerkes der Wiener Hofminiatoren, der schon 1395 gestorbene Herzog Albrecht III., dargestellt ist, ließe sich die Tätigkeit des Künstlers sogar durch mehr als ein Jahrzehnt verfolgen. Neben Meister Nikolaus, der damals eben erst auftrat und dann bis gegen 1430 das Haupt der Wiener Werkstatt blieb, war der Lyra-Meister zweifellos eine der wichtigsten Individualitäten dieses Kreises zu Beginn des 15. Jahrhunderts. Seine enge Verwandtschaft mit Nikolaus hat gelegentlich zu Verwechslungen geführt (vgl. etwa Harrsen, a. a. O., No. 42, S. 56f., wo die ,,Historia de corpore Christi" letzterem zugeschrieben wird); dennoch repräsentiert der Lyra-Meister eindeutig die bodenständige Wiener Tradition, die sich schon mit den älteren Miniaturen des Rationale Durandi konstituiert hatte, während der selbständigere Nikolaus eher aus dem böhmischen Milieu zu kommen scheint. (Vgl. auch K. Oettinger, Der Illuminator Nikolaus, Jb. d. Preußischen Kunstsammlungen 1933, S. 22111.)

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