Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

auf. Die Beobachtung an den österreichischen Glasgemälden vom 12. bis zum 16. Jahrhundert hat nun aber deutlich werden lassen, daß der Wechsel etwa zwischen glattem, dünnem (hartem) und i'auhem, dickem (weichem) Glas durch aus nicht willkürlich ist. Keineswegs ist alles zu allen Zeiten möglich, vielmehr treten auch in der Wahl des Materials deut liche Periodisierungen mit bestimmten Entwicklungstendenzen hervor, aus welchen äußeren Gründen auch immer (z. B. Handelsbeziehungen mit bestimmten Hütten) sie eingeleitet oder gefördert worden sein mögen. So zeigen die ältesten Glasgernäldefolgen, angefangen mit dem einzigen erhaltenen Bei spiel des ausgehenden 12. Jahrhunderts, der kleinen Magdalenenscheibe aus Weitensfeld, außen und innen seidig-glatte, nur wenig angewitterte und patinierte Gläser. Dieser Glas beschaffenheit entspricht eine ganz bestimmte Technik des Konturstrichs: das Schwarzlot ist zu absolut homogener Glätte vertrieben (auch unter der Lupe zeigt sich keine Kör nigkeit) und sitzt dem Glas als in der Mitte leicht erhabener, tiefschwarzer Strich von ebenfalls mattseidigem Glanz auf^. Dieser Hochstand der Technik ist bis in den Beginn des 14. Jahrhunderts allgemein. Gegen die Mitte des Jahrhunderts treten dann weichere, das heißt unreinere, stärker mit Al kalien versetzte Gläser auf, die infolge dieser Beschaffenheit ihre ursprüngliche Glätte unter dem Einfluß der Atmosphäri lien nicht bewahren konnten; ihre Oberfläche ist zerfressen, ihre Transparenz durch Verwitterung und Patinaschichten getrübt. Allerdings unterliegen bekanntermaßen nicht alle Farbgläser in gleichem Maß der Verwitterung. Vor allem ein bestimmtes scharfes Grün (etwa von der Farbe des Grün spans) hat sich gegen die Atmosphärilien als so gut wie un angreifbar erwiesen. Gläser gleicher Färbung innerhalb eines Scheibenkomplexes haben sich jedoch weitgehend analog verhalten. Die in den österreichischen Glasmalerateliers bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts beobachtete Festlegung auf Hüttengläser bestimmter Qualität und Resistenz macht in der Spätgotik einer stärkeren Variabilität Platz. Möglicherweise ist diese Variabilität und die allgemein mindere Qualität der Gläser damit zu erklären, daß eine größere Anzahl lokaler und natur gemäß verschieden arbeitender Hütten nunmehr die Ver sorgung der Ateliers aufnimmt. Trotzdem ist eine Feststellung von allgemeiner Verbindlichkeit möglich: Der Höhepunkt in der Verwendung dicker, weicher, gelegentlich bis zum völligen Verlust ihrer Transparenz verwitterter Gläser, in deren Farb skala Moosgrün und Braunviolett eine bevorzugte Rolle spielen, ist mit dem Ausklingen des weichen Stils, dem diese Materialqualitäten offenbar besonders entgegenkamen, erreicht (vgl. Abb. 63). Allerdings sind hie und da aber auch Glas gemäldefolgen derselben Epoche, und zwar meistens gerade die qualitätvollsten (etwa die aus dem Umkreis des Hans von Tübingen stammenden St. Lambrechter Scheiben im Joanneum), aus glatten, harten und infolgedessen transparent gebliebenen Gläsern gearbeitet. Bei einiger Erfahrung lassen sich aber diese viel dünneren und blankeren Gläser nicht mit denen des 13. Jahi'hunderts verwechseln, während andrerseits die extrem dicken und weichen Gläser im 13. Jahrhundert in Österreich überhaupt nicht vorkommen. ^ Die Unterscheidung der Materialqualitäten sowohl des Glases als auch des Schwarzlots ist weniger eine Sache des Gesichts ais des Tastsinnes. Im Zweifelsfall entscheidet immer - wörtlich genommen — das Fingersi^itzengefühl. Wird dem geübteren Beobachter - soferne er nur die Möglich keit hat, die Scheiben in scharfem Seitenlicht zu untersuchen und vor allem in die Hand zu nehmen — die Unterscheidung des originalen mittelalterlichen Materials von modernen Flick stücken meistens nicht schwer, so ist sie dort, wo Renaissance gläser (in unserem Bereich seit dem Ausgang des L5. Jahrhun derts), dünn wie Fensterglas, hart und spiegelnd blank, im Spiel sind, manchmal schlechterdings unmöglich. Was nun die Schwarzlotzeichnung betrifft, so ist eine einheit liche Charakterisierung für das fortgeschrittene 14. und vor allem für das 15. Jahrhundert nicht mehr möglich. Es wechseln sowohl Farbton als auch Breite und Kompaktheit des Strichs mit dem Wandel des Zeichnungsstils (vgl. Abb. 61 und 67). Zumeist aber ist der Auftrag stumjDfer und zugleich glatter als der des modernen Schwarzlots mit seiner ölig glänzenden und dabei unter der Lupe zerrissen erscheinenden Oberfläche (vgl. Abb. 73 und 76). Seit dem Ende des 14. Jahrhunderts wird, abgesehen von dem bekannten Silbergelb, zusätzlich eine rötliche, lasierend aufgetragene Farbe vor allem zur Mar morierung von Architekturgliedern verwendet, am Anfang des 15. Jahrhunderts tritt gelegentlich noch ein helles Grün von eher griesliger Struktur hinzu, das an grüne Erde erinnert^. Die meisten Unklarheiten und zugleich die giößten Möglich keiten zur Gefährdung der Substanz bei Restaurierungen aber enthält noch immer der Komplex der Schwarzlot-Lasuren, dos ,,Wassertons", wie die Fachsprache des Glasmalers anschaulich sagt. Zunächst ist festzuhalten, daß es grundsätzlich, und zwar in allen untersuchten Epochen, zwei Schichten von Lasuren gibt, nämlich jene, die auf der Innen- und jene, die auf der Außenseite des Glases aufgetragen, werden. Erst aus dem Zusammenwirken beider entsteht die Modellierung von Figuren und Gegenständen. Ihr Einsatz für verschiedene Auf gaben ergibt sich aus ihrer unterschiedlichen Wirkungsweise : Die Lasuren der Außenseite, für den Betrachter in ihrer Schärfe gemildert durch die dazwischenliegende Glasschicht, eignen sich zum Herausarbeiten weich verlaufender Lichter, während der direkt sichtbare Wasserton der Innenseite der kräftigeren Schattierung dient (vgl. Abb. 61, 62, Gesicht des Hohenpriesters). Die eigentliche Strichzeichnung liegt nor malerweise auf der Innenseite des Glases; Damaszierungen von Stoffen z. B. pflegen dagegen auf der Außenseite aufgetragen zu werden. Selbstverständlich unterliegt das Ausmaß, in dem die Halbtonmalerei angewendet wird, beziehungsweise das Verhältnis von Innen- und Außenlasuren ebensowohl dem individuellen Geschmack des Malers wie dem Zeitstil. So können, um bestimmte künstlerische Zwecke zu erreichen, die Rollen von Innen- und Außenmalerei verschoben, ja sogar direkt vertauscht werden. Das Bestreben, plastische Körperfülle mit stofflicher Charak terisierung zu verbinden, hat im zweiten Viertel des 15. Jahr hunderts ein differenziertes und von allen früheren Gepflogen heiten durchaus abweichendes System der Strichzeichnung und der Lasmen hervorgebracht, deren prominenteste Bei spiele in Österreich Teile der Verglasung von St. Leonhard in Tamsweg sind. Die Reihe der Abbildungen 63 bis 67 zeigt deutlicher, als Worte es vermöchten, die Aufspaltung der Zeichnung in zwei einander ergänzende Concetti, wobei das entscheidende Liniengerüst für Gesicht und Gewand zu einem ® Die Verwendung von Silbergelb verrät sich auch dort, wo der erreichte Farbton etwa Zweifel offen läßt, auf der Außenseite durch das leichte Irisieren der bemalten Stellen.

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