Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

dem kelto-ligurischeii Heiligtum von Entremont®. Nun weist aber der Kopf von der Roßpforte so gut wie alle Merkmale der Wiedergabe des menschlichen Antlitzes bei keltischen Skulp turen auf, wie sie von hervorragenden Kennern keltischer Kunst, wie F. Benoit (Marseille), P. Lambrechts (Gent) und M. Lantier (Paris)^, beschrieben werden: die starke Frontalität, die im Verhältnis zur unteren Gesichtspartie auffallende Breite der Stirn und der Schläfenpartien, die eingefallenen Wangen, welche die Backenknochen hervortreten lassen, die gerade Nase mit breitem, abgeflachtem Rücken und breiter Basis, das Fehlen von Ohren, die heraustretenden, unter scharf ausgeprägten Augenbrauenbogen sitzenden ovalen Augen mit kräftiger Umrahmung und der ,,Säbelhieb"- oder ,,Zirkumflex"-Mund. Als Besonderheiten unserer Plastik dürfen gelten: das schwere, plumpe Kinn, das im Verein mit dem kantigen Zirkumflex-Mund dem Gesichtsausdruck einen brutalen Zug vorleiht, und die Andeutung der Pupillen durch kleine Dellen. Bei der Ausgestaltung der Kalotte hat man bei den gräten artig gegliederten vertikalen Strähnen am Vorderhaupt weniger an eine streng stilisierte Frisur, wie sie zahlreiche keltische Skulpturen aufweisen, als vielmehr an eine offenbar gestrickte Mütze zu denken, etwa in der Art, wie sie einige Figuren an dem bekannten Silberkessel von Gundestrup (Dänemark), einem der hervorragendsten Erzeugnisse kel tischen Kunsthandwerkes, zu tragen scheinen. Der Kopf von der Festung Hohensalzburg kann nicht von einer freistehenden Rundplastilv und auch nicht von einem Relief stammen, sondern nach der sockelartigen Form des ganzen Stückes am ehesten von einer Herme oder von einem Pfeiler, der zu einem Kultbild oder einem Grabdenkmal gehörte, über dessen Aussehen über bloße Vermutungen hinauszugehen aber nicht möglich ist; es läßt sich nämlich nicht feststellen, ob ^ Vgl. F. Benoit, L'Art primitif mediterraneen de la Vallee du Rhone. Publications des Annales de la Faculte des Lettres Aix-en-Provence. Nouvelle serie, n^ 9 (1955), Taf. 52 u. 53. — A. Varagnac, in: L'Art gaulois. La nuit des temps 4 (Paris o. J.), Abb. 32. ^ M. Lantier, Les origines de l'art frangais (Paris 1946); P. Lambrechts, L'Exaltation de la tete dans la pensee et dans Part des Celtes. Dissertationes Archaeologicae Gandenses, vol. II, Brügge 1954. beziehungsweise wie weit das Stück vor der Einmauerung zugerichtet und damit verändert worden ist. R. Egger verdanken wir den Hinweis®, daß keltische Bildwerke dieser Art nicht als Versuche gewertet werden dürfen, einen Kopf mit einem Stück Rumpf darzustellen, sondern diese vielmehr von einer Zeit Kunde geben, ,,da der Kopf für die ganze Person galt" und die Wiedergabe des menschlichen Kopfes — übrigens eines der häuflgsten Motive der keltischen Kunst — als pars pro toto eine für die Kelten geradezu typische Erscheinung ist. Keinesfalls ist bei der Skulptur von der Roß pforte an eine ,,tete coupee" zu denken, wie man die Nach bildungen von Köpfen nennt, die von Kriegsgefangenen abge hauen und als Sühneopfer dargebracht wurden, ein von den Kelten in vorrömischer Zeit allgemein geübter Brauch. Nach einer Mitteilung von F. Benoit sind bei den in Südfrankreich entdeckten keltischen Skulpturen aus der Zeit vor der römischen Okkupation die Pupillen niemals durch Dellen wiedergegeben, wogegen es aus späterer Zeit nicht an Beispielen fehlt. Es wäre daher denkbar, daß die Kopfplastik von der Festung Hohen salzburg erst entstanden ist, als die Römer von Noricum Besitz ergriffen hatten, also frühestens nach 15 v. Chr. In der Austria Romana waren keltische Kultur und Tradition auch unter den Römern noch lange wirksam, und es wurden hier keltische Gottheiten wenigstens bis ins 3. Jahrhundert n. Chr. verehrt®. Man könnte sich daher vorstellen, daß diese Skulptur von einem einheimischen Künstler aus einheimischem Material (Untersberger Marmor) für Einheimische, nämlich für den Römern botmäßige Kelten — vielleicht im 1. Jahrhundert n. Chi*. — geschaffen wurde, mag man es nun mit einem Grab porträt oder der Darstellung einer männlichen Gottheit oder eines Heros zu tun haben, eine Auffassung und Datierung, die von F. Benoit und M. Lantier, denen für ihre freundlichen Auskünfte und wertvollen Hinweise herzlich gedankt sei, geteilt wird. Kubt Willvonsedeb ® R. Egger, Der Grabstein von Öekancevo. Österr. Akademie der Wissenschaften. Schriften der Balkankommission. Antiqua rische Abteilung XI/2, Wien 1950. ® Vgl. H. Kenner, Die Götterwelt der Austria Romana. Jahres hefte des Österr. Archäol. Inst. 43 (1956-1958), S. 57-100. BEOBACHTUNGEN ZUR TECHNIK UND KONSERVIERUNG MITTELALTERLICHER GLASMALEREIEN Die wertvollen Untersuchungen über die Technik der mittel alterlichen Glasmalerei, die D. Rentsch kürzlich an dem Material der gotischen Sakristeifenster von St. Gereon in Köln angestellt hat^, und die dort aufgeworfenen Fragen mögen den Anlaß zu einigen ergänzenden Bemerkungen geben, wie sie die Kenntnis einer räumlich und zeitlich stärker gestreuten Anzahl von Werken ermöglicht. Von vornherein ist freilich festzuhalten, daß alle hier vorgelegten Beobachtungen zunächst nur für den Kunstraum Geltung beanspruchen können, in dem ^ Dietrich Rentsch, Über Erhaltungszustand und Technik der Sakristeifenster in St. Gereon, Köln; in: Jb. d. rhein. Denkmal pflege XXII, 1959, S. 71-86. sie angestellt wurden: nämlich für die österreichischen Donauund Alpenländer. Es ist anzunehmen, daß die Ergebnisse, vor allem für die Zeit der Spätgotik, in der der Südosten auch künstlerisch vielfach eigene Wege geht, sich durchaus nicht mit den für das Rheinland oder gar Frankreich erarbeiteten decken. Rentsch betont mit Recht die Schwierigkeit, der die Aufstellung objektiver Kriterien für die Beurteilung des Erhaltungs zustandes mittelalterlicher Glasmalereien dadurch begegnet, daß sowohl die Glasbeschaffenheit als auch die SchwarzlotTechnik Unterschiede von der größten Spannweite zeigen; so etwa geht die Gleichung: dickes, unebenes, rauhes Glas = alt; dünnes, planes, glattes Glas = neu, nur in Sonderfällen

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