Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

katholischen Königen erfolgte Ausbau selbst wieder von größter Bedeutung ist. Es ist dies eine der kompliziertesten Arbeiten, die uns je zu Gesicht kam. Sie ist noch lange nicht beendet. Die Kathedrale in Lerida, seit mehr als 200 Jahren zur Kaserne und zum Zentrum der auch im letzten spanischen Krieg heiß umkämpften Befestigungsanlage geworden, die den Burgberg über der Stadt krönt, ist Gegenstand eines besonders interessanten und erfolgreichen Unternehmens. Das weit läufige, mit bauiDlastischem Schmuck reich ausgestattete Bauwerk (Grundstein 1203, Weihe 1278), an das ein hoch gotischer Kreuzgang anschließt - dessen Südseite bildet die Hauptkulisse des ganzen Komplexes über der Stadt —, ist nach seiner Profanierung 1700 durch zwei Geschosse unterteilt und als Kaserne eingerichtet worden. Dennoch und trotz der beträchtlichen Kriegsschäden ist die Substanz des Bauwerkes so trefflich erhalten, daß man wagen konnte, die Einbauten wieder zu entfernen. Das Ergebnis ist schlechthin großartig. Problematisch aber, wenn auch mit gewichtigen Argumenten zu unterbauen, bleibt für uns die Rekonstruktion der fehlenden Maßwerkteile und Maßwerke in den großen inneren und äußeren Fensteröffnungen des Kreuzganges. Uns will scheinen, daß — ganz abgesehen von rein denkmalpflegerischen Er wägungen — gerade das Fragmentarische seiner Teile die Würde des Kunstwerkes steigern würde und daß seine Narben die Größe des Schicksals, das hier gewaltet hat, klarer erkennen ließen; daß also die Rekonstruktion, auch nur von kleinen Teilen, eines solchen Monuments unwert ist. Diese Auffassung ist freilich nicht weniger romantisch als jene, die zur Reali sierung der Rekonstruktion führte (Abb. 52). Großzügig sind auch die Taten, die die Stadt Barcelona ihren Denkmälern widmet. Die Freilegung eines Teiles der römischen, ijn Mittelalter erhöhten Stadtmauer, deren Türme in Abstän den von zehn Metern aufragen, erforderte nicht nur die Demolierung einer ganzen Reihe von Häusern, sondern auch manche Ergänzungen, die vollkommenen Neubauten ent sprechen. Die auf diese Weise im Stadtbild auch optisch mit allem Nachdruck wieder zur Geltung gebrachte Mauer um schließt allerdings einen der interessantesten und geschichtlich bedeutungsvollsten Stadtbezirke der Mittelmeerländer. Auch hier freilich eine Verflechtung der Schichten (bis in die neueste Zeit), deren Entwirrung dem Uneingeweihten kaum möglich ist. Besonders hervorzulreben sind die Arbeiten, die in den letzten Jahren im mittelalterlichen Arsenal - den Atarazanes, ein einzigartiges Denkmal! — und dem Alten Hospital durch geführt worden sind; eigens anzumerken ist die enge Zu sammenarbeit zwischen der Denkmalpflege und der städtischen Gartenverwaltung, die zu einem Ergebnis führt, das, außerhalb des engeren Bereiches der Denkmalpflege liegend, die Umge bung der Denkmäler ,»gestaltet" und diese vom Getriebe der Gegenwart isoliert. Die unter dem günstigen Klima erblühende Vielfalt der Vegetation macht die Gartenanlagen für sich zur Sehenswürdigkeit und Augenweide. Die Tage in Spanien haben unseren Horizont in jeder Hinsicht erweitert; wir haben hervorragende technische Leistungen gesehen und gleichzeitig die Gründlichkeit bewundern können, mit der die wissenschaftlichen Voraussetzungen vor Beginn einer denkmalpflegerischen Aktion zusammengetragen werden. Auch die Spannweite des Aufgabenbereiches, der in der ein gangs erwähnten Ausstellung seine erschöpfende Dokumen tation fand, erwies sich als besonders eindrucksvoll. Ob es sich m- * MM m. ■ A,♦ A A - ■ 1 p,' j. ^ ^ ^ [ dife 'jSE ^ 52. Lerida, Kreuzgang der Kathedrale, Rekonstruktion eines Fenstermaßwerks (W. Frodl, Wien) nun um Denkmäler der Antike, der frühmittelalterlichvorarabischen Zeit, der muselmanischen Periode handelt, um Monumente des hohen Mittelalters oder des sogenannten ,,Goldenen Zeitalters" bis zu dem besonders gefühlsbetonten Barock, immer sind es Werke von hoher oder höchster, oft einzigartiger künstlerischer und geschichtlicher Bedeutung, fast immer sind es sehr komplexe Gebilde, gigantische Ein heiten, die ihrerseits wieder mit den zum großen Teil noch wohlerhaltenen Siedlungen zu größeren Einheiten verwachsen sind. Die denkmalpflegerische Betreuung eines solchen Be standes erfordert eine großzügige Betrachtungsweise der Probleme, sie verlangt aber auch ein Gefühl für die Zeit, dessen Maßstab nicht der kurzatmige Rhythmus der Gegenwart sein kann, ein Zeitgefühl, das bei uns zum Schaden unserer Arbeit verlorengegangen ist. Gelassenheit, aber Stetigkeit ün Tempo ist eines der Geheimnisse der spanischen Denkmalpflege. Zwanglosigkeit und betont kollegiale Verbundenheit förderten den Gedankenaustausch, zeichneten überhaupt das Treffen aus, das so zu einer der gelungensten Begegnungen der inter nationalen Denlmialpflege in den letzten Jahren geworden ist. W. Fbodl

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