Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

Formel vom „kleinen Klassizisten" es vermuten läßt®^. Es ist wahr, daß die Definition des Klassizismus, die von Richard Hamann stammt, und seine Teilmig in den biedermeierlichen Klassizismus und den biedermeierlichen Naturalismus auch auf den Stil Peter Kraffts angewendet werden kann, der offenbar dem biedermeierlichen Naturalismus angehört®^. Diese Formel würde zwar nur den Hauptteil und den bedeutendsten Teil des Schaffens von Peter Krafft erfassen, seine ,,heroische Epoche". Doch erwähnt Hamann Peter Krafft überhaupt nicht unter den Vertretern der österreichischen Malerei des 19. Jahr hunderts. Hausenstein, op. cit., S. 399. Hamann, Geschichte der Kunst, Marburg 1932, S. 942. ERGEBNISSE VON TAGUNGEN UND REISEN IM JAHRE 195! Distanz zu den eigenen Gedankengängen und Leistungen zu besitzen und sie nach Maßstäben messen zu können, deren Einheiten auch außerhalb des lokalen Bereiches gelten, diese Fähigkeit halten wir für eine der vornehmsten Tugenden eines Denkmalpflegers. Sie ergibt sich nicht von selbst; sie kann nur aus gründlicher Kenntnis oder wenigstens aus einer gewissen Übersicht über das gesamte Fachgebiet gewonnen werden. Für die Denkmalpflege gilt dasselbe wie für die Wissenschaft: Selten sind Gedanken und Methoden an ein und demselben Ort bis zur Vollendung entwickelt worden. Sie tauchen da und dort, oft gleichzeitig und unabhängig voneinander auf, werden den Umständen nach variiert und weitergegeben. Scheint diese gemeinsame, wenn aucn an verschiedenen Orten sich vollziehende Arbeit manches in unserem Fachgebiet leichter zu machen und zu klären, so hat sich anderes verwirrt und vieles ist komplizierter geworden. Die Literatur, obwohl stattlich angewachsen, bleibt hinter den Geschehnissen weit zurück, abgesehen davon, daß sie es in den seltensten Fällen vermag, der Vielschichtigkeit der denlanalpflegerischen Unternehmungen gerecht zu werden. In dieser Situation bleibt die Teilnahme an Studienreisen und Tagungen, die damit verbundene Erweiterung der Denkmälerkenntnis und die Auseinandersetzung vor den Objekten das einzige und pro bateste Mittel, die für die eigene Tätigkeit erforderlichen Grundlagen zu erwerben oder auszubauen, vor allem aber, Tätigkeit und Leistung richtig einschätzen zu lernen. Dies gilt ebenso für den technischen Bereich (Konservierungen, Restaurierungen) wie für die allgemeine Auffassung und die Interpretation der denkmalpflegerischen Grundsätze. Die Munifizenz der Veranstalter sowie die Einsicht und das Entgegenkommen des Bundesministeriums für Unterricht haben auch 1959 einer Anzahl Österreichischer Kollegen die Gelegenheit gegeben, an Tagungen teilzunehmen (Deutsch land, Spanien) und eine Studienreise nach Jugoslawien zu absolvieren, welch letztere den Gegenbesuch nach einer Reise jugoslawischer Konservatoren durch Österreich bildete. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Es ist seit mehr als einem halben Jahrhundert auf dem Gebiet der Denkmalpflege nicht soviel geleistet worden wie jetzt; wahrscheinlich bleiben auch die großen Wiederherstellungen des 19. Jahrhunderts in Frank reich weit hinter dem Umfang des in den vergangenen zehn Jahren Geleisteten zurück. Freilich gab es auch kaum jemals zuvor eine Situation, die der seit dem letzten Krieg in fast allen europäischen Ländern bestehenden gleichen würde. Der Wiederaufbau fällt in eine Zeit der gesteigerten sozialen, technischen und wirtschaftlichen Ansprüche, und die daraus resultierende Bedrohung des Denlumälerbestandes hat beson dere Anstrengungen der Denkmalpflege herausgefordert. Die Staaten, einerseits die soziale und materielle Entwicklung mächtig fördernd, müssen andererseits hohe Summen auf wenden, um den heraufbeschworenen Tendenzen entgegen zuwirken, die gerade dem sichtbaren Teil des Kultarbesitzes, den Bau- und Kunstdenkmälern, gefährlich werden. Die Denlonalpflege ist - im freien Europa - nirgends in einer sehr günstigen Situation; weder ideell noch finanziell. Desto ver bissener ist der Kampf, den sie, oft nach allen Seiten, führt. Von den beiden Komplexen, die uns zur Zeit in der Denkmal pflege besonders aktuell scheinen — auf Grund inländischer Erfahrungen, aber auch von Beobachtungen auf Tagungen und Reisen im Ausland gehört der eine der Praxis an und umfaßt im wesentlichen technische und technisch-kunst wissenschaftliche Fragen. Dazu gehört die Materialkunde, und zwar auch im Hinblick auf das historische Material (immer häufiger wird die Chemie zur Hilfe herangezogen), dazu gehört aber auch der ganze Boreich der modernen Bautechnik, soweit sie zur Sicherung von Baudenkmälern angewendet werden kann. In dasselbe Gebiet gehören viele Fragen, deren Beantwortung uns die Kunstwissenschaft bisher schuldig geblieben ist: eine derselben betrifft z. B. die Farbgebung von Fassaden und Innenräumen. Gerade über die Farbe, leicht verderblich, immer wieder, und zwar dem Zeitgeschmack nach, erneuert, herrscht ziemliche Unklarheit. Der andere Komplex, weit schwieriger faßbar, gehört in den Bereich der Theorie. Man spürt gelegentlich eine gewisse Ratlosigkeit, die aus der Tatsache erwächst, daß Theorie und Praxis der Denkmalpflege einander nur selten zu decken scheinen. Besonders deutlich zeigen sich diese Schwierigkeiten den jüngeren Kollegen, deren Streben nach exakter Inter pretation der denlumalpflegerischen Haupt-Grundsätze im Dickicht der Realitäten hängen bleibt. Können die Fragen des erstgenannten Problemkreises im Laufe der Zeit sicher beantwortet werden - der an vielen Orten bereits gewissenhaft geführten Dokumentation fällt hiebei die Hauptrolle zu —, so ist der zweite Komplex ungleich schwerer zu bewältigen. Die Lebendigkeit der Materie hindert ihre abstrakte Behandlung. Die Rechnung kann nie aufgehen, es

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