Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

Interessanter ist in diesem Augenblick die zweite Richtung, in der man Neues verspürt. In Kraffts Kunst tauchen nun Reihen von neuen Themen auf. Es sind: ,,Rinaldo und Armida" (1809), ,,Hermann und Dorothea", ,,Ossian am Meeresstrande", ,,Manfred und der Gemsenjäger", ,,Manfred und der Abt von St. Moritz", ,,ArindaI und Daura" (nachOssian, 1820 bis 1855), ,,Rudiger und Angelica" (1842), ,,RudolfI. und der Priester" (1849), ,,Goliath" (1852), ,,Faust" (1856), der nach Siegfried Trolls Meinung das letzte Bild des Meisters ist (Abb. 46)^®. Diese Motive sprechen klar dafür, daß Krafft nur seiner Zeit folgte und daß er sich von der Poesie und Mystik der Romantik airgezogen fühlte. Es ist nicht reiner Zufall, daß eben Faust unter allen Bildern am meisten die romantische Stimmung enthält, als Verkörperung dieser Selmsucht Kralfts, die sich für uns aus einer solchen Entwicklung seiner Kunst deutlich heraus kristallisiert. Gehörten die Nazarener der Romantik an, so gelangte Krafft zu demselben Ziel, obwohl er einen einigermaßen verschiedenen Weg eingeschlagen hat. Kraffts Romantik ist gemäßigt und nähert sich mehr Paul Delaroche als Eugene Delacroix. Auch die zeitgenössische Wiener Kritik erklärte sich für Delaroche^". Die Romantik Peter Kraffts besitzt in dieser Zeit nicht die Stärke und das Temperament der französischen Romantiker. Wir können diesen Zug leicht daraus erklären, daß der Künstler seine Kräfte nur aus der Natur, aus der Wirklichkeit schöpfte. Aber in romantischen Motiven steht er über seinen Zeitgenossen. Bezeichnend ist Weidmanns Beurteilung Manfreds, der nach Byron gemalt wurde: ,,Die technische Vollendung dieser beyden Gemälde ist unübertrefflich und sichert ihnen nebst der herrlichen Composition einen Ehrenplatz bey den ersten Meisterwerken der älteren deutschen Maler, so wie sie von keinem der neueren überboten wurde. Peter Krafft zwingt uns andere Vergleiche auf. Es scheint, daß es nichts Ungewöhnliches war, wenn Klassizisten sich der Romantik zuwendeten. Das war der Fall bei Davids Lieblingsschüler und Bio graphen, Etienne Jean Delecluze (1781-1873), der noch zu Davids ,,Herrscherzeit" romantische und zeitgenössische Motive behandelte. Im Jahre 1812 stellte er im Salon das Bild ,,Herminie uird Tankred" aus, dann bearbeitete er Gottfried August Bürgers Ballade ,,Lenore" und auch Szenen aus dem Kriege 1814, ja sogar zeitgenössische Motive, die später auch Honore Daumier anregten^^. Wir könnten an dieser Stelle auch Ingres anführen, der, angeregt von Dante, Ariost oder den französischen Miniaturen, eine ganze Reihe von mittelalterlichen Motiven bearbeitete. Das sind: ,,Rafael und die Pornarina" (1840), ,,Paolo und Francesca" (1819), ,,Rudiger und Angelica" (1819), ,,Einzug Karls V. in Paris" (1821) und ,,Jeane d'Arc" (1854)^®. Also bildete auch Krafft keine Ausnahme. Es besteht aber noch eine wichtige Möglichkeit eines Vergleichs mit einem der damaligen französischen Maler. Und dieser Maler ist Gros. Krafft und Gros ließen das, wofür sie am meisten Fähigkeiten besaßen, fallen nnd folgten einem anderen Ideal, das ihnen nicht entsprach. Dem Maler Gros entsprach weder die Antike im allgemeinen noch Plutarch im besonderen, genau so wie dem Künstler Krafft die Romantik nicht entsprach. Aber, getragen von dem Zeitgeist seiner Epoche, hielt er an einer Illusion fest, von der wir heute geneigt sind, sie als verfehlt zu erklären. Es ist wirklich ein neues und interessantes Moment der künstlerischen Entwicklung Kraffts, daß er mehr und mehr zur Romantik neigte, so, daß er in seinen letzten Lebensjahren nur noch romantische Motive behandelte. Aber die romantischeir Themen, verglichen mit den Szenen aus dem Leben Kaiser Franz' I. in der Hof burg, zeigen, wo Kraffts Weg und worin sein Eigenstes lag (vgl. Abb. 48, 49). Leider sind bisher die großen Kompositionen nicht genau genug untersucht worden, um den Eindruck und die Ansicht von dieser Art von Kraffts Malerei zu vervollständigen, in der er unbestreitbar das Höchste erreicht hat. Der Rang dieser Gemälde ist so, daß sich mit ihnen nichts Gleichzeitiges in der Wiener Malerei messen kann. Wenn wir hervorheben, daß Krafft Davids Bilder aus dem Leben Napoleons (,,Die Krönung", ,,Die Verteilung der Fahnen") nicht gesehen hat, dann ist die Originalität seiner Konzeption um so größer. Es ist dies nämlich die Art, wie er in diese Szeiren des Hoflebens das Wiener Volk, sämtliche Klassen, einführt und Nach der mündlichen Mitteilung Siegfried Trolls. Es ist mir eine angenehme Pflicht, an dieser Stelle Herrn Siegfried Troll für die Liebenswürdigkeit zu danken, mit der er mir den gesamten künstlerischen Nachlaß Peter Kraffts zur Verfügung stellte. Ohne sein Entgegenkommen wäre die vorliegende Arbeit unvollständig geblieben. J. Duesberg, Der Pariser Salon 1837. In; Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode, 1837, S. 413. Weidmann, op. cit., S. 499. Robert Baschet, E. J. Delecluze temoin de son temps, 1781-1863, Paris 1942, S. 40f., 256, 273, 328f. J. Mommeja, Ingres, Paris o. J., S. 60.

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