Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

1960 XIV HEFT 2/3 • '^1 Wl^ p I ÖSTERREIGHISCHE ZEITSCHRIFT FÜR KUNST UND DENKMALPFLEGE ÖSTERREICHISCHES B U N D E S D E N K M ALAMT VERLAG ANTON SCHROLL &CO WIEN-MÜNCHEN

ÖSTERREICHISCHE ZEITSCHRIFT FÜR KUNST UND DENKMALPFLEGE (Jahrgang 1/1947—V/1951 ist als „Österreichische Zeitschrift für Denkmalpflege" erschienen) In Nachfolge der einstigen „Mitteilungen der Zentralkommission für Denkmalpflege in Wien" Herausgeber: Österreichisches Bundesdenkmalamt • Redakteure: Walter Frodl und Otto Demus XIV. JAHRGANG 1960/HEFT 2/3 INHALT F. PoNS-SoEOLLA Y Arnau, Madrid: Die Übertragung der Kirche San Juan und das neue Dorf Puertomarin / Ivan M. Zdeavkovic, Belgrad: Die serbischen mittelalterlichen Bur gen / Pavel Vasic, Belgrad: Die Kunst Peter Kraffts / W. Feodl: Ergebnisse von Ta gungen und Reisen im Jahre 1959 - Ausstellungen / K. Willvonsedee: Der „Römerkopf" von der Festung Hohensalzburg / E. Frodl-Kbaft: Beobachtungen zur Technik und Kon servierung mittelalterlicher Glasmalerei / Eduard Hütter zum 80. Geburtstag / Wilhelm Suida f / Buchbesprechungen / Aktuelle Denkmalpflege: Wien (Der Arkadenhof der Stallbmg - (Die Fragmente eines Deckenfreskos von Maulpertsch in der Akademie der Wissen schaften); Steiermark (Zur Restaurierung der Herkulesstatue Veit Königers im Grazer Domherrnhof); Archäologie und Autobahn; Die Anwendung elektrokinetischer Erscheinun gen in der Denkmalpflege (Bodenverfestigung) Diesem Hejt liegt ein Prospekt des Verlags Hermann Böhlaus Nachj.jQraz-Köln bei Die Zeitschrift erscheint jährlich in 4 Heften Es wird gebeten, Einsendungen an die Redaktion der Zeitschrift im Bundesdenkmalamt, Wien I, Hofburg, Schweizerhof, Säulenstiege, zu richten Bezugspreis: Jährlich 4 Hefte S 80.— Anzeigenannahme durch den Verlag • Printed in Austria VERLAG VON ANTON SCHROLL & CO. IN WIEN

P. PONS-SOROLLA Y Arnatj, Madrid DIE ÜBERTRAGUNG DER KIRCHE SAN JUAN UND DAS NEUE DORF PUERTOMARIN Das Problem. Ein Baudenkmal an einen Ort zu übertragen, für den es ursprünglich nicht bestimmt war, ist eine technisch heikle und mit beträchtlichen Schwierigkeiten verbundene Aufgabe; vor allem müssen aus wissenschaftlichen Gründen die wesentlichsten Elemente des Bauwerkes bewahrt bleiben. Auch bei größter Gewissenhaftigkeit können Einzelheiten, die auf das Milieu und die natürlichen Gegebenheiten des Ortes Bezug haben, in Verlust geraten. Wir pflegen daher grundsätzlich diesem ,,kleineren Übel" nur in Fällen von absoluter Notwendigkeit zuzustimmen. Diese Notwendigkeit ergibt sich zum Beispiel bei der Aufstauung von Flüssen im Zusammenhang mit der energiewirtschaftlichen Versorgung des Landes. Eine Gruppe von Kunstdenkmälern, die zur Über flutung und damit zum Untergang verurteilt war, hat uns dazu gebracht, ihre Übertragung in Angriff zu nehmen. Der erste Bau, der in Spanien aus diesem Grunde übertragen wurde, war die westgotische Kirche San Pedro de la. Nave iir Zamora, ein Vorhaben, das wegen seiner großen kimstgeschichtlichen Bedeutung vor mehr als dreißig Jahren von Architekt Alejandro Ferrant mit großer Gewissenhaftigkeit durchgeführt wurde. Seit sechs Jahren führt der Verfasser dieses Artikels die Übertragmig von romanischen Kirchen des 12. und 13. Jahrhunderts an den Ufern des Mino in Galicien durch, die durch die Errichtung von Stau stufen zur vollständigen Nutzbarmachung des Flusses überschwemmt werden sollten. Ebenso befinden sich die Kirchen San Juan de Coba und San Juan de Chouzan (im zweiten Fall mußten romanische Fresken übertragen werden) nun ungefährdet in unmittelbarer Nähe ihres ursprünglichen Standortes. Zur Zeit wird das bedeutendste Werk dieser Art durchgeführt, der Bau einer neuen Siedlung, die das alte Puertomarin ersetzen und seine bedeutendsten Kunstwerke beherbergen soll. Es handelt sich um einen Baukomplex, der sich aus den Stadtteilen San Juan und San Pedro zusammen setzt, die zu beiden Seiten des Mino liegen und die durch eine romanische Brücke direkt verbunden sind (Abb. 26*). Die Brücke wurde gegen 1125 erbaut und besitzt eine interessante, dem hl. Jakob (Santiago) gewidmete Kapelle, die heute noch als Ruine vorhanden ist; über sie führte der Pilgerweg nach Santiago de Compostela. Die beiden Stadtteile tragen den Charakter einer mittelalterlichen Stadt und besitzen verschiedene Bauwerke von großer architektonischer Bedeutung, allen voran die Wehrkirche San Juan aus dem 12. Jahrhundert (Abb. 28, 29). Das erste der gestellten Probleme ergab sich aus der Unmöglichkeit, die mittelalterlichen Stadtteile als städtebauliche Einheiten zu übertragen. Sowohl die Ärmlichkeit des bei den meisten Bauten verwendeten Baumaterials als auch der Anachronismus, der sich ergeben würde, wenn man die umgesiedelten Bewoh ner dazu zwingen wollte, in einem künstlichen Dorf unter unannehmbaren Bedingungen aus dem 14. und 15. Jahrhundert leben zu müssen, haben von Anfang an jeden Gedanken an eine ,.Nachbildung des Dorfes" im I^eime erstickt. Es wurde jedoch eine vollständige, dokumentierte Studie mit Photographien und Modellen angefertigt (vgl. Abb. 26), um auch der Nachwelt die Kenntnis des Ortes zu vermitteln. Das neue Puertomarin wird auf einem Hügel in der Nähe seines alten Standortes liegen. Die Anlage und die Bauten werden sich nach den Ergebnissen der Studien richten, die über die Bedürfnisse und die Lebensweise seiner Bewohner sowie über die topographischen und klimatischen Bedingungen angestellt wurden. Hinsichtlich der ästhetischen Gesamterscheinung hat man sich bemüht, den Ort harmonisch auf die Architektur der Region abzustimmen, und es geschieht dies mehr durch die Verwendung der gebräuch lichen Proportionen und des Baumaterials — Stein, Ziegel und Holz — als durch das Nachahmen traditioneller Formen (Abb. 27). Bei der Planung war immer der Gedanke an den möglichen Standplatz der übertragungsfähigen Bauten, an die günstigsten Perspektiven und ihre Funktion in der Gesamtanlage ausschlaggebend. * Die Vorlagen zu sämtlichen Abbildungen dieses Aufsatzes stammen vom Verfasser. 6 Denkmalpflege 4Q

Da es nicht möglich war, den ersten, noch erhaltenen Teil der alten Brücke mit der Kapelle des hl. Jakob auf eine vertretbare Weise an den Rand des Stauteiches einzubauen, wird er als symbolischer Bau gegenüber der Ausfahrt der modernen Brücke über den Mino und am Beginn eines Fußweges, der als Abkürzung steil hinauf zum neuen Dorf führen wird, aufgestellt werdeir (Abb. 27). Die Kirche San Juan ist, als ehemalige Komturei des Johanniterordens, ein hervorragendes Kunstdenk mal und ein interessantes Beispiel für eine romanische Wehrkirche des 12. Jahrhunderts (Abb. 28, 29). Es handelt sich um eine einschiffige Kirche mit fünf Jochen und einer halbkreisförmigen Apsis; die Apsis ist leider um eines Sakristeibaues willen zerstört worden. Die Kirche ist an den Ecken durch vier Festungs türme charakterisiert, deren Mauerzinnen durch einen noch erhaltenen Wehrgang verbunden waren. Er ist heute gedeckt, doch kann man aus dem Vorhandensein der Wasserspeier darauf schließen, daß er ursprünglich ungedeckt war. Durch zwei gleichartige Wendeltreppen gelangt man ins obere Geschoß, das die eigentliche Festung darstellt. Treppen sind in die Ecken der Hauptfassade eingebaut und endigen in deren Türmen; verbunden sind sie miteinander durch den Mauergang der Fassade, Gänge ermöglichen die Verbindung auch innerhalb des übrigen Geschosses. Tiefeingeschnittene Blendarkaden an der Außen seite der Langhausmauern reichen ungefähr bis zur halben Höhe des Bauwerkes und entsprechen der Anzahl der Wölbungsjoche des Schiffes. Die Bogenpfeiler erhalten daher die Aufgabe von Strebepfeilern. Die schmalen Rundbogen sind innen und außen von doppelten, sehr fein ausgeführten Archivolten bekrönt. Das Gewölbe ist eine leicht zugespitzte Tonne, außer im ersten, dem Chor benachbarten Joch, das schon ursprünglich als Rippengewölbe konstruiert war. Die Gewölbebogen sitzen auf stufenförmigen Konsolen über den Pfeilervorlagen, schmale Bogen erheben sich dazwischen in den Interkolumnien. Kunstwerke von besonderer Qualität sind die drei Portale, die einem Meister des Kreises von Compostela mit außerordentlichem Können zuzuschreiben sind. Heute scheint bewiesen zu sein, daß es sich um den Meister Mateo handelt, und die Portale von San Juan zeitlich vor seinen Arbeiten am ,,Portico de la Gloria" der Kathedrale von Compostela anzusetzen sind. Das Nordtor ist ein Stufenportal mit drei Rücksprüngen, dessen Säulen sehr beachtliche Kapitelle tragen (Abb. 32). Die Archivolten sind ebenfalls reich geziert; im Tympanon die Darstellung der Ver kündigung (Abb. 31). Dem Südtor gegen den Fluß zu wurde größere Bedeutung zugemessen. Auch hier handelt es sich um ein seitlich durch die Strebepfeiler eingefaßtes und reich skulpiertes Stufenportal. Die Portalzone wird durch einen Rundbogenfries abgeschlossen, der die Basis für das darüberliegende Fenster bildet. Die sehr dicht und fein gearbeitete Dekoration verwendet vorwiegend geometrische und pflanzliche Motive. Das Haupttor ist in einen großen Blendbogen eingebettet, dessen Scheitel bis knapp unter den Wehrgang reicht. Der obere Teil des Bogenfeldes ist durch ein großes Rosettenfenster durchbrochen, der untere, durch einen Rundbogenfries abgeschlossene Teil enthält das Portal. Im Zentrum des Tympanons befindet sich die Gestalt des Erlösers in der Mandorla, die in der innersten Archivolte mit den Skulpturen der Vierundzwanzig Ältesten der Apokalypse in verschiedenen und bewegten Haltungen umgeben ist (Abb. 30). Zwei qualitätvolle und guterhaltene Rosettenfenster vervollständigen den bauplastischen Schmuck. Der allgemeine Bauzustand der Mauern und Gewölbe ist, dank der ausgezeichneten Technik, sehr gut. Nur der Abschluß des oberen Teiles der Verteidigungsanlagen ist zur Hälfte durch die Veränderungen, die an der Decke vorgenommen wurden, zerstört. Der für den Bau verwendete Kalkmörtel ist außergewöhnlich hart, die Fugen sind sehr eng. Der Stein ist goldgelb, metamorphisch und an den Zierteilen der Tore leider etwas zersetzt, was eine besondere Behutsamlieit bei der Übertragung voraussetzt. Am neuen Aufstellungsort wird die Kirche in einen Gebäudekomplex eingebunden — mit Sakristei, Pfarrhof, mit Räumen für die Seelsorge und den Nebengebäuden des Pfarrhofes —, wobei sie nur durch eine kleine Verbindung an die Bautengruppe angeschlossen wird, so daß bedeutende Teile der Architektur nicht der Sicht entzogen sind. Diese Gebäude mit ihren öffentlichen und privaten Gärten rmd die Woh nungen der Lehrer stehen auf dem dreieckigen, zentral gelegenen Grundstück, zu dem die wichtigsten Straßen des neuen Puertomarin führen. Sie werden bei religiösen Veranstaltungen als Prozessionsstraßen dienen (Abb. 33).

1-7 26. Puertoman'n, Modell des bestehenden Ortes mit seinen beiden Stadtteilen; rechts San Juan. Überreste der Brücke und Ka pelle vom hl. Jakob 27. Modell des neuen Puertoman'n mit der Lage der Kirche San Juan. Im Vorder grund: Fußweg von der neuen Brücke mit dem übertragenen ersten Joch der alten Brücke und der Kapelle des hl. Jakob

:W Si.1 . iii i.j>fi> lÄw ife'ä Ifc.. » r » •» ' 28. Gegenwärtiges Ortsbild mit der Kirche San Juan vom Fluß Mino aus 29. San Juan, Hauptfassade und Nordsoite

31. Nordportal, Tympanon und Archivolten 30. Hauptportal, Detail aus dem Bogenfeld 32. Nordportal, linke Kapitellgruppe Die notwendigen Restaurierungen und die Ergänzungen, die unvermeidlich sein werden, wurden sehr sorgfältig studiert, um den Eigenheiten des Baues Rechnung tragen zu können: der zinnengekrönte Abschluß, die mit ihren Schießscharten erhaltenen Zinnen, die bis zur obersten Spitze der Eestungstürme der Passade führenden Wendeltreppen und die inneren Geschosse des Wehrganges (vgl. Abb. 34). Es ist selbstverständlich, daß alle Arbeiten sich zu einem harmonischen Gesamteindruck verbinden müssen, daß jedoch die modernen Techniken nicht verborgen werden sollen. Die Konstruktion der bereits erwähnten Decke ist als schlankes Gewölbe aus Holzziegeln geplant, welches versteift wird; darüber ein Dach aus Platten des gleichen Materials, das auf Trägern ruht. Die äußere Deckung wird, entsprechend dem alten Dach des Baues, aus einheimischem, unregelmäßig mit der Hand geschnittenem Schiefer bestehen (Abb. 34, 35). Die besondere Technik des Übertragens. Die Seltenheit dieser Arbeit macht eine Schulung und die genaue Überwachung der Arbeiter nötig, obwohl nur Spezialarbeiter herangezogen werden. Oft ist es leichter, technisch schwierige Aufgaben gut durchzuführen, als so einfache Arbeiten wie den Transport oder die Handhabung von Quadersteinen, die ständig der Gefahr einer Beschädigung ausgesetzt sind, zufriedenstellend zu bewältigen. Der Vorgang, der im allgemeinen bei der Übertragung einzuhalten sein wird, ist der folgende: a) Als Grundlage dienen die Pläne der vorangegangenen Studien. Auf ihnen zeichnet man die genaue Lage der Steine und der Apsis, sowohl innen wie außen, ein. Ferner werden nicht nur die genauen Maße, sondern auch die Nummern der Quadersteine, lageweise von unten nach oben, eingetragen.

MwüSE«! --. ft-.in r'i.' L-'»« " fSP-x ■ tliii '-si:: S^: \ I .•^,i V J ■ MUJBID ÄGOSTO 1935 EL ARQVITBCTO, 33. Plan des neuen Aufstellungsortes und der Nebengebäude fler Kirche San Juan b) Abmontieren aller angrenzenden und hinzugefügten Teile, die nicht übertragen werden, wobei alle Quadersteine, die sich ihrer Qualität und Patina wegen zur Restaurierung eignen, die mit der Über tragung Hand in Hand geht, beiseitegestellt werden. Gleichzeitig werden alle Altarbilder, Altäre, Kirchen fenster, Holzschnitzwerk usw. abmontiert und gesondert deponiert. c) Vorbereitung eines Geländes, das groß genug ist, um eine exakte Prüfung und Ordnung des abgetra genen Materials zuzulassen, das ferner mit den nötigen Schutzvorrichtungen und Durchgängen ausgestat tet sein muß, um zu verhindern, daß die abgelegten und bereits geordneten Quadern bis zum Augenblick ihres endgültigen Einbaues durcheinandergebracht werden. d) Bau von leichten Bogengerüsten aus Brettern, die genau dem Profil der Bogenbündel und des Triumph bogens angepaßt sind, ebenso wie den Archivolten der Portale. Auf diesen Schablonen werden die Dimensionen von jedem Werkstück eingezeichnet. Der leitende Architekt nimmt nun die für die Auf stellung notwendigen Korrekturen vor, damit Verfälschungen des Originalplanes, die bei der Neu montage unterlaufen können, vermieden werden. Sobald die Schablonen korrigiert sind, dienen sie als Grundlage für den Bau von starken Montagegerüsten. e) Numerierung aller Quadersteine mit der entsprechenden Zahl der Skizze unter Verwendung von fettfreien Farben in verschiedener Färbung für die inneren und äußeren Steine. Stücke von Fenstern und Türen, die nach beiden Seiten Schaufiächen haben, tragen Außennummern. Gesonderte Ziffernserien werden für die Bodenplatten und für die Gewölbesteine verwendet. f) Außerdem werden die Fahrbahnen, die die gegenwärtige Kirche mit ihrem neuen Aufstellungsort und den Aufbewahrungsorten der Steine verbinden, angelegt, Gerüste und Vorrichtungen für den Abbau

34. San Juan, Längsschnitt» gegenwärtiger Zustand und Abänderungsvorschlag für die Restaurierung tr. . Iii . ■Ü.UH1ld_ i; i! ■ ii n ' T « ^ * II ar-^ *•« 35. San Juan, Grundriß mit Restaurierungsprojekt der gegenwärtigen Kirche gebaut und die notwendigen Erdbewegungen durchgeführt; der neue Grundriß wird abgesteckt und die Fundamente am neuen Aufstellungsort aufgeführt. g) Abbau, Übertragung und geordnete Lagerung aller numerierten Steine, so daß jeder Stein seine Zahl mit einer unlöslichen Farbe auf der Schauseite trägt und diese Seite bei der Lagerung nach oben zeigt. Es wurde bereits erwähnt, daß der Kalkmörtel, der die Quadern verbindet, sehr hart und die Fugen selrr fein sind. Der Grad der Verwitterung läßt voraussehen, daß die Steine häufig brechen werden. Die

Bauleitung muß daher darauf Rücksicht nehmen und die Abtragung so vorsehen, daß das Bindemittel entfernt und die Quadern, Lage für Lage, durch Eichenkeile abgenommen werden. Vorhergehende sorgfältige Reinigung der äußeren Fugen ist dafür Voraussetzung. An besonders heiklen Stellen könnte man den Mörtel in den Fugen durchsägen. Bei den Portalen kann, wegen des hohen Wertes der Skulpturen, das Problem noch schwieriger werden. Es bestünde in diesem Fall die Möglichkeit, die Zierteile mit einer Gelatineschicht zu überziehen und über diese Schutzschicht Gipsblöcke zu formen, die nach dem Fugenplan der Werkstücke lurd Quadern geschnitten und mit Zinkfolien isoliert sind. Ab- und Aufbau, Schneiden und Verkeilen der auf diese Weise geschützten Teile, könnte ohne Gefahr, vor allem ohne Erschütterung durchgeführt werden, h) Bei der Neuaufstellung der Kirche werden vom Lagerplatz nur jene Quadern mitgenommen, die zur Arbeit nötig sind, damit Verwechslungen und Beschädigungen vermieden werden. Zum Versetzen ver wendet man Zementmörtel im Verhältnis 1:4, wohei die Außenfugen nachträglich mit Kalkmörtel alter Art behandelt werden. Das Versetzen jeder Lage von Quadern dauert höchstens vier Stunden. Während dieser Zeit werden die Schauflächen der Steine mit reichlich Wasser gewaschen, um ein Ankleben des Mörtels an der Oberfläche zu verhindern. Während der Dauer der Arbeiten werden alle Maße, die Lage der Bogengerüste, die Winkelmaße, die Dicke der Fugen, wiederholt überprüft, um die Genauigkeit der Endmaße zu gewähr leisten. Als letzter Punkt der Betrachtung soll nicht vergessen werden, daraufhinzuweisen, daß das gute Gelingen des Werkes nicht nur von der guten Technik und der Treue der Wiedergabe abhängt, sondern vor allem vom künstlerischen Empfinden für den Gesamteindruck. Dauer und Kosten der Übertragung. Die Realisiermig des Vorhabens, also Übertragung und Restaurierung der Kirche San Juan, dürfte nach den Berechnungen 30 Monate dauern und einen Kostenaufwand von fünf Millionen Peseten erfordern. IVAU M. Zdbavkovic die serbischen mittelalterlichen BURGEN Belgrad Über die serbischen mittelalterlichen Burgen weiß man wenig; selten wurde über sie geschrieben und noch seltener befaßte sich jemand mit ihnen näher und unterwarf sie einer systematischen geschichtlichen und technischen Erforschung. Bei den alten Kirchen ist es anders. Sie sind beinahe alle erforscht und in zahlreichen serbischen und anderssprachigen Büchern beschrieben worden. Die Geschichte der serbischen mittelalterlichen Architektur und Kunst kann nicht geschrieben werden und wird nicht vollständig sein, solange man nicht auch über die Burgen ebensoviel wie über die Kirchen weiß. Wie wir sehen werden, gab es mehrere Arten von Burgen, die die einzigen erhalten gebliebenen Denkmäler der alten serbischen — profanen und militärischen — Architektur des Mittelalters darstellen. Für den Kunsthistoriker gibt es genug Daten, deren Veröffentlichung aber weitere mit Fachkenntnis und systematisch durchgeführte Arbeiten auf dem Gelände erfordert, an denen es leider noch sehr mangelt^. Mit wissenschaftlichen Forschungen und Ausgrabungen wurde bereits begonnen. Solange aber die vielen auf diesem Gebiet noch ungelösten Fragen nicht auf dem Terrain ihre Aufklärung finden, wird man über die serbischen mittelalterlichen Burgen nicht mit jener Sicherheit und Kenntnis sprechen können, wie dies für die Burgen aus der gleichen Zeit in anderen europäischen Ländern der Fall ist. 1 Vom Verfasser herangezogen wurden die Werke über die mittelalterlichen Burgen von Camille Enlart (,,Manuel d'Arohöologie fran^aise") und von Bodo Ebhardt (,,Der Wehrbau Europas im Mittelalter") sowie die Gesohichtswerke ..Die Geschichte der Serben" von Konstantin Jireeek nnd von JStanoje Stanojevie. in erster Beihe jedoch ..Das Königreich Serbien und das Serben volk" von Eelix Kanitz. Besonders wichtig sind die Monographie ..Smederevo" von Pera J. Popovic und das Werk ..Die mittelalterlichen Burgen in Serbien, Montenegro und Mazedonien" von Aleksander Deroko.

Die Burg als Mittelpunkt des militärischen, bürgerlichen, rechtlichen und kulturellen Lebens spielte auch in der Kriegsgeschichte der alten Serben eine wichtige Rolle. Den Burgen fiel seit jeher die Bedeu tung befestigter Orte zu, die zur Verteidigung der sie umgebenden Gegend dienten und in denen die Bevölkerung der umliegenden Ortschaften Zuflucht suchte. Den zusätzlichen Charakter eines Wirtschafts-, Rechts- und Kulturzentrums erhielt die Burg erst später. Die Wehrfähigkeit war demnach das Hauptmoment, das bei dem Bau einer solchen Burg beobachtet wurde. Deshalb war auch die Wahl der Stelle, an der die Burg errichtet werden sollte, von größter Bedeutung. In den meisten Fällen wurden die serbischen mittelalterlichen Burgen auf Anhöhen und an den Kreuzungen der Hauptverkehrswege, sei es, daß es sich um Land- oder Wasserwege handelte, gebaut. Der Ausbau der Befestigmrgen hing hauptsächlich davon ab, was sie zu verteidigen hatten: eine Residenzstadt, ein Bergwerk oder ein Handelszentrum, einen Landsitz des Herrschers, eine ,.kaiserliche" Stiftung oder etwas anderes. Aus diesem Grunde gab es verschiedene Arten serbischer mittelalterlicher Burgen, die ihrem Zweck entsprechend in fünf Hauptgruppen eingeteilt werden können. Die erste Gruppe umfaßt jene Burgen, die auf ,,hervorragenden Punkten in den Grenzgebieten des Staates oder überhaupt auf strategisch wichtigen Stellen der Hauptverkehrswege" errichtet waren. Ihre Aufgabe war es, die Eingänge zu den Schluchten und Bergpässen zu schützen, weswegen sie sich, wie zum Beispiel Zvecan, Maglic, Ram, Golubac und andere, zumeist auf einer unzugänglichen Höhe, die einen Weg oder Paß beherrschte, erhohen. Zur zweiten Gruppe gehören Burgen, die ,,Bergwerksorte und die dazugehörigen Marktsiedlungen verteidigten", wie zum Beispiel Brskovo, Kovo Brdo, Ostrovica, Cutet und andere. In die dritte Gruppe sind jene Burgen zu rechnen, die ,.Siedlungen und Städte einschließlich Residenzen" vor dem Airsturm feindlicher und insbesondere plündernder Horden verteidigten, wozu zum Beispiel Beograd, Smederevo, Prizren, Ohrid, Skoplje, Prilep und Krusevac gehören. Zur vierten Gruppe zählen jene Burgen, die die ,,reichen Stiftungen der alten serbischen Herrscher — Kircheir und Klöster — schützteir" und sie umkreisten, wie zum Beispiel die Burgen Resava-Manasija und Ravanica. Schließlich bestehen als fünfte Gruppe jene Burgen, die, in unzugänglichen Schluchten und Felsen klüften versteckt, ,,den serbischen Herrschern als sichere Zufluchtstätte" oder als ,,von ihren Residenzen entfernte Schlösser" zur Erholung, zum Vergnügen oder als ruhige Zufluchtstätte nach ihrem Zurück ziehen vom Thron und den Staatsgeschäften dienten, wozu unter anderem Ribnik, Debrc, Petric, Jelec und Nekudim zu zählen sind. Der Zweck der Burgen bedingte die Art und Weise, in der sie gebaut und befestigt wurden. Sie hatten riesige Ausmaße und waren stärker befestigt, wenn sie große Städte wie Beograd und Smederevo zu verteidigen hatten, in denen sich damals die Residenz des Herrschers befand. Burgen zum Schutz einer Bergwerkssiedlung oder eines Marktfleckens, wie Brskovo oder Novo Brdo, die mitten im Ort lagen, waren kleiner und weniger stark befestigt. Die kleinsten Burgen schützten strategisch wichtige Punkte an den Hauptverkehrsstraßen und wurden deshalb auf rmzugänglichen, die Wege und Pässe zu Lande und zu Wasser beherrschenden Anhöhen errichtet. Da alle diese alten, großen und kleinen Burgen zumeist nur für die Verteidigung gegen mittelalterliche Waffen vor dem Aufkommen der Feuerwaffen gedacht waren, sind auch ihre dicken und hohen Mauern, an deren Ecken sich gewöhnlich viereckige Türme erhoben, fast ausnahmslos aus Bruchstein oder Steinquadern erbaut. Später, wie zum Beispiel bei der Burg Smederevo, ging man auch zu anderen Turmformen über: es gab auch runde Bergfriede, die sich innerhalb der Burgwälle befanden und als Wohnsitz eines serbischen Herrschers, Edelmannes oder Befehlshabers der Burg dienten. Solche Türme wurden auf einem überhöhten Standpunkt errichtet und bildeten den Kern der ganzen Befestigungs anlage. Die Anlage der Befestigungen war je nach der Geländebeschaffenheit verschieden; das Rechteck herrschte vor. Später wurde die Form immer regelmäßiger; in der Festung Smederevo verwandelte sie sich schließ lich zu einem vollkommen regelmäßigen Dreieck, mit einem vor dem Hauptwall angelegten Wassergraben, wie das zu jener Zeit in ganz ähnlicher Form auch bei den Burgen in den abendländischen Staaten üblich war. 7 Denkmalpflege

Die Burg Sniederevo hatte außer einer äußeren auch noch eine innere Ringmauer, die den Burghof umschloß. Bei den anderen Burgen, wie zum Beispiel Novo Brdo, bildete die innere Burg im Notfall die letzte Zuflucht der Burginsassen, wenn die untere beziehungsweise äußere Burg aufgegeben werden mußte. In der kleineren Burg, die in beherrschender Lage auf dem höchsten Gipfel der Anhöhe errichtet war, befanden sich, wie mit Bestimmtheit angenommen werden kann, die Wohnräume des Burgherrn. Die kleine innere Burg bildete den Kern der befestigten Anlage und wurde aus diesem Grunde mit mehr Sorgfalt gebaut und mit stärkeren Wällen und Türmen versehen als die untere beziehimgsweise äußere Burg. Von den alten serbischen Burgen sind nur Ruinen übrig geblieben. Es gibt keine genauen Abbildungen einer Burg, mit Ausnahme der Burg von Beograd, von der zwar Gravüren bestehen, die aber mit der tatsächlichen architektonischen Gestaltung nicht übereinstimmen; wie zum Beispiel die oberen Teile der Türme, diese charakteristischesten Elemente einer Burg, eigentlich ausgesehen haben, ist nirgends zu ersehen. Auf der Krone der Schildmauern und Türme der Burg Smederevo liefen Brustwehren, hingegen ist nicht bekannt, ob der Wehrgang auch mit Holz überdacht war und wie dieses Dach ausgesehen haben mag. Resava-Manasija war mit Machicoulis, auch Pechnasen genannten erkerartigen Ausbauten mit kleinen Luken zum Herabschütten von Pech und anderem versehen; es ist aber eine offene Frage, ob sie auch überdacht waren. Dasselbe trifft für alle anderen. Baudenkmäler zu. Man kann aber durch Vergleiche mit Aufnahmen alter, aus derselben Zeit stammender westeuropäischer Burgen zu Schlüssen gelangen, die der Wirklichkeit ziemlich nahe kommen dürften. Novo Brdo (Abb. 36, 37). Den Gipfel einer auf dem Amselfeld, unweit von Pristina gelegenen Anhöhe, die die ganze Umgebung beherrscht, krönen die Überreste des berühmten mittelalterlichen, um ein Bergwerk entstandenen Marktfleckens Novo Brdo sowie die Ruinen der Burg, welche die Siedlung einst verteidigte. Novo Brdo entstand in den ersten Jahren der Herrschaft des Königs Milutin (1282-1321), der dieses Gebiet Serbien angliederte. Es entwickelte sich bald zu einer der wichtigsten Ansiedlungen sächsischer Bergleute, nach denen es auch Sasko Mesto (Sachsenstadt) genannt wurde. Zum ersten Male wird es 1326 als ein bereits bekannter Bergwerksort und Marktflecken erwähnt. Novo Brdo war zusammen mit Prilepac, dem Geburtsort des Fürsten Lazar und dem benachbarten Prizrenac, das Erblehen dieses serbischen Fürsten. Seine Blütezeit fiel in die Epoche der Despotenherrschaft in Serbien. Damals wurde Novo Brdo als Hauptstadt Serbiens betrachtet. Novo Brdo galt im fünfzehnten Jahrhundert als die stärkste und am besten verteidigte serbische Burg; ihre Wälle hielten lange den Angriffen der Türken stand, von denen sie 1455 endgültig erobert wurde. Heute bestehen von der ganzen Siedlung Novo Brdo nur noch die Burgruine und Spuren der Grundmauern ehemaliger Gebäude in nächster Umgebung der Burg. Die Burg Novo Brdo ist nach Westen gerichtet und auf einem Hügel gebaut, der nur von Osten zugänglich ist. Die Burganlage umfaßt eine obere und eine untere Burg. Sie ist trapezförmig angelegt und nach Westen zu fächerförmig geöffnet, während den engen Teil des Fächers die Obere Burg abschließt. Die Untere Burg endet an den Fächerecken mit je einem ziemlich stark ins Gelände vorgeschobenen, beinahe quadratischen Turm. Mit Ausnahme des Haupt turmes in der Oberen Burg, der eine rechteckige Form aufweist, sind die Grundrisse der Türme vorwie gend viereckig, beinahe quadratisch. Die Obere Burg hat sechs symmetrisch angeordnete Türme; der Hauptturm ist gegen Westen gerichtet und trägt ein dunkelfarbiges Steinkreuz auf seiner Vorderfassade. Der Grundriß der Oberen Burg bildet ein auseinandergezogenes Sechseck mit je einem Turm an jeder Ecke. Von der verfallenen und durch Steine verschütteten Burg kann man heute weder die Grundrisse der Gesamtanlage, noch die Grundrisse der darin enthaltenen Bauten feststellen. Die 1952 begonnenen Ausgrabungen, die das Archäologische Institut der Serbischen Akademie der Wissenschaften durchführt, sind noch im Gange. Gleichzeitig mit den Forschungsarbeiten fand auch die Konservierung der abgebröckelten Teile der Burgmauer mrd Türme sowie der anderen ausgegrabenen Bauten statt^. 2 Nähere Angaben darüber sind in den nach dem Krieg erschienenen Heften des Jahrbuches des Archäologischen Instituts der Serbischen Akademie der Wissenschaften ,,Starinar" zu finden.

Festung Smederevo (Abb. 38-40). Die Burg Smederevo, eine der größten Burgen Europas, war bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges eine der schönsten und am besten erhaltenen mittelalterlichen Burgen Serbiens. 1941 und 1944 stark beschädigt, ist die Festung Smederevo heute besonders schwer in Mitleidenschaft gezogen. Von den türkischen Behörden, die 1860 die Festung verließen, war sie als Wehrbau behandelt, in gutem Zustand erhalten und mehrmals wieder instandgesetzt worden. Laut dem Vertrag, der im Jahre 1428 zwischen dem serbischen Despoten Djuradj Brankovic und dem türkischen Sultan Murat II. abgeschlossen wurde, erlaubte der Sultan dem Despoten, an der Donau eine Burg zu errichten, die den Ungarn den Weg zum Moravatal versperren sollte. Allem Anschein nach wurde bereits im Herbst 1428 mit den Vorbereitvmgen zum Bau dieser Festung und der Aufstapelung von Holz, Steinen und Kalk begonnen. Die eigentlichen Bauarbeiten begannen im Frühjahr 1429 und waren bereits 1430, also nach nicht ganz zwei Jahren, beendet. Die Pläne waren nach dem Vorbild der Festung von Konstantinopel entworfen, deren Form ebenfalls dreieckig ist. Am Bau waren Griechen und Bauarbeiter aus Dubrovnik beschäftigt. Die Bauweise war byzantinisch. Im Jahre 1439 wurde Despot Djuradj in seinem neuen Smederevo vom türldschen Sultan Bajazit belagert, der in diesem Kampf bereits schwere Artillerie einsetzte. Smederevo mußte sich ergeben und blieb bis zum Jahre 1444 in türkischen Händen. 1453 leistete die Festung dem Sultan Mohammed II. erfolgreichen Widerstand; erst 1459, nach dem Tod des Despoten Djuradj, fiel Smederevo endgültig in die Hände der Türken. Die Burg Smederevo war der befestigte Wohnsitz des Herrschers und die Hauptstadt des Landes. Sie wm'de so angelegt, daß sie nur von einer Seite - von der Stadt aus - zugänglich war, wo sie auch am stärk sten befestigt wurde. Die beiden anderen Seiten sind von Wasser, die eine von der Donau, die andere von der Jezava, umgeben. Der Grundriß ist dreieckig; im Inneren liegt eine kleinere Burg von ebenfalls dreieckiger Form, die den äußersten Zipfel, an der Mündung der Jezava in die Donau, einnimmt. Später errichteten die Türken an jeder Ecke einen achteckigen niedrigeren Geschützturm; diese Türme wurden ebenfalls mit Mauern verbunden, die jedoch bedeutend niedriger als die ursprünglichen waren. Die innere und die äußere, die sogenannte kleine und die große Burg, waren von der Landseite aus von Wassergräben umgeben, über die bei den Burgtoren Zugbrücken führten; hinter diesen Wassergräben liefen niedrige Mauern als die erste Verteidigungsstellung im Falle eines Angriffes. Die große Burg hat insgesamt zwanzig Türme von über zwanzig Meter Höhe, wovon sich elf auf der Seite der Stadt, fünf auf der der Donau - zwei von diesen sind auf der Außenseite abgerundet - und vier auf der der Jezava zugewandten Seite erheben. Die kleine Burg hat vier gegen die Innenseite der großen Burg beziehungsweise gegen den Wassergraben gerichtete Außentürme sowie einen, und zwar den größten Turm im Innern, der allem Anschein nach, ähnlich den Bergfrieden in anderen Burgen, als Wohnturm gedient hat. Die kleine Burg beherbergte den Fürstenhof des Despoten, von dem heute nur noch die Außenmauer des Audienzsaales mit vier außer ordentlich schönen, zweiteiligen Erkerfenstern mit der Aussicht auf die Donau erhalten geblieben ist. Die große Burg nimmt eine Bodenfläche von 101.992,50 m^ ein; die Länge der Umfassungsmauer auf der der Stadt zugewandten Seite beträgt 502 Meter, an der Jezava 400 Meter und an der Donau 550 Meter. Die Burg ist nach mittelalterlicher Bauweise aus Quadern und Kalksteinen erbaut. Die Außenseiten der Mauern sind mit behauenen Steinen belegt, während die Mitte mit Bruchsteinen angefüllt ist. Die Türme am Donauufer sind mit zu verschiedenen geometrischen Figuren zusammengefügten Ziegelsteinen reich verziert, während den Despotenturm genannten Hauptturm der kleinen Burg eine zweizeilige Inschrift aus Ziegelsteinen ziert, die das Baujahr und den Bauherrn der Burg bezeichnet — ein einzigartiges Dokument über den Bau, den Schöpfer und den Herrn der Burg. Zum Schütze dieses bedeutenden Baudenkmals sind bereits die nötigen Schritte unternommen worden: Alle durch die Beschädigungen im zweiten Weltkrieg entstandenen Mauerbreschen wurden geschlossen, das Trichtergelände im Inneren der großen Burg geebnet und die Inschrift auf dem Despotenturm restauriert. Der stark geneigte Turm in der der Stadt zugewandten Mauer und desgleichen die ganze das Donauufer entlang laufende Ringmauer der kleinen Burg mitsamt ihren vier großen zweiteiligen Fen stern, von denen angenommen wird, daß sie zu dem großen Empfangssaal des Despotenschlosses gehörten, müssen vor dem Einstürzen bewahrt werden. Schließlich müssen noch alle Mauer- und Turmkronen mit ihren Zinnen, die am meisten gelitten haben, erneuert werden. Diese Bauarbeiten wird man auf Grund

39. Festung Smederevo, Blick von der Donau (vor der Beschädigung) (Bundesinstitut für Denkmalirflege, Belgrad)

"Jb r - ^sm Ä S'.,.-r^,^-'--r i .' 0 '. ■ Ät> ■: <- jal>' ■»-^: ■ J^i der vor der Explosion und dem Luftangriff ge machten Aufnahmen ausführen. Erst wenn sie so konserviert und wieder aufgebaut sein wird, wird die Festung Smederevo mit ihren gewaltigen Aus maßen und ihrer außerordentlichen Schönheit er neut jenen nachhaltigen Eindruck wie ehemals hinterlassen®. Burg Zvecan (Abb. 41, 42). Eine der ältesten, 1 wenn nicht die älteste mittelalterliche serbische . Burg ist die eine Anhöhe oberhalb der Stadt — Kosovska Mitrovica auf dem Kosovo Polje (Amselfeld) krönende Burg Zvecan. Sie ist ziemlich gut v ' «•— / , erhalten. Ihre hohen, mächtigen Türme und Stein- * ■;' ^ mauern erheben sich auf dem spitzen Gipfel eines g 'ü Vulkankegels, was ihr eine besonders geschützte -c.,-, . , ^-1 -toil Lage verlieh. % ^ "V Zvecan wird bereits zu Ende des 11. Jahrhmiderts erwähnt. Die Burg war von großer strategischer Bedeutung und beherrschte die Überlandstraßen, ^ die sich hier kreuzten und nach Kosovo, Nord- vT/ "i' nach dem alten Raska führten. Zvecan war die zeitweilige Residenz der Könige aus dem Geschlecht 17. Jahrhundert war die Burg beinahe ganz ent völkert, erhielt aber gegen Ende des Jahrhunderts 40. Festung Smederevo, einer der Türme am Donauufer . 1 . i T 10T1 (vor der Beschädigung) (Bundesinstitut für Denkmalpflege, Wieder eine starketurkiscneJSesatzuiig. 1ml8. Jalir- & &/ \ Belgrad) hundert verödete Zvecan dann ganz und verfiel immer mehr. Die Burg Zvecan wurde auf dem Gipfel einer alleinstehenden Anhöhe angelegt und war von mit Türmen durchsetzten Ringmauern umgürtet. Noch heute stehen auf dem Gipfel ansehnliche Ruinen der mittel alterlichen Burg. An der Westseite erheben sich die Überreste dreier Türme, an der Südseite die Über reste eines Turmes und an der Nordseite die Ruinen eines freistehenden Rundturmes. Die Ostmauer ist stark beschädigt. Im Innern finden sich die Überreste einer Zisterne, die Grundmauern eines Wohnturmes, die Fundamente der Sankt Georgs-Kirche sowie zahlreiche Mauerreste. Der Grundriß der Burg ist von unregelmäßiger Form und dem Gelände angepaßt. Die Burg ist von einem durch Türme verstärkten Mauergürtel umgeben. Der Zugang liegt auf der Westseite; durch das Tor gelangt man in den kleineren, tiefer gelegenen Teil der Burg, in dem sich an der Nordwand eine Zisterne und ein rechteckiges Gebäude befinden. Während der russische Wissenschaftler Giljferding noch im Jahre 1859 im zweiten, größeren Teil der Burg ,,die Überreste eines zweistöckigen, aus Ziegelsteinen errichteten Schlosses" gesehen hat, sind heute von diesem kaum mehr einige Grundmauern übrig. Ein anderer Reisender - Ami Bue - besichtigte 1840 die Überreste einer Kirche, von der man weiß, daß sie am Ende des 12. Jahrhunderts von Stevan Nemanja dort errichtet wurde. Auch von diesem Gebäude sind kaum noch die Spuren der Grundmauern zu erkennen. Auf dem südlichen Abhang des Hügels erstreckte sich die von einer leichteren Mauer umgürtete Vorburg, während an der Nordseite der Burg ein unterirdischer Gang ins Erdinnere führte, der sich bis zur Quelle am Fuße der Burg senkte und so ihre Versorgung mit Wasser sicherte. ® Ausführliche Angaben darüber findet man in den nach dem Kriege herausgegebenen Nummern des ,,Starinar" und des ,,Zbornik zastite" - Zeitschrift für Denkmalpflege. 40. Festung Smederevo, einer der Türme am Donauufer (vor der Beschädigung) (Bundesinstitut für Denkmalpflege, Belgrad)

1 •• 500 llckonAfeArtA 19S7 MCkonAftAr&A i9^JO F' ^\ !' ■ ^ Ö^- /© \ / / ¥ V / .. / Oo, X ^ X \ X / / ~ /l o ö * 41. Burg Zvecan, Grundriß (Bundesinstitut für Denkmalpflege, Belgrad) 42. Burg Zvecan, Ansicht von Nordwesten (Bundesinstitut für Denkmalpflege, Belgrad)

Die Burg liegt heute in Ruinen. Ihre Bedeutung und nicht weniger ihre Verwahrlosung haben 1957 das Bundesinstitut für B enkmalpflege zur Aufnahme von Konservierungsarbeiten bewogen, um — nach drei jähriger Kampagne - dieses wichtige und beachtenswerte Baudenkmal vor dem gänzlichen Untergang zu retten und wenigstens teilweise seinen ursprünglichen Zustand wiederherzustellen''. Diese Arbeiten wurden in der X. Nummer des ..Zboriiik zastite" ausführlich besprochen. Pavel VasiO, Belgrad DIE KUNST PETER KRAEFTS Es gibt wohl kaum einen Meister der österreicliischen Malerei des 19. Jahrhunderts, der so wenig bekannt wäre wie Peter Krafft; erst neuerdings hat man ihm wieder zu größeren Ehren verholten. Was über ihn gesagt worden ist, ist aber bei weitem nicht erschöpfend für die Erkenntnis seiner künstlerischen Tätigkeit und Persönlichkeit. Die Gedächtnisausstellung Peter Krafft, die vor kurzem (1956) in Wien abgehalten wm-de, enthielt Gemälde und Zeichnungen, die Krafft in einem völlig anderen Lichte als bisher erscheinen lassen. Es scheint, daß einige von seinen Eigentümlichkeiten, die bis jetzt unbeachtet blieben, nicht ohne Interesse in Hinblick auf eine Revision der Beurteilung seiner Werke sind. Peter Krafft wurde als Vertreter des Klassizismus angesehen'. Er lernte bei Louis David von 1802 bis 1804^. Um seine künstlerische Persönlichkeit und den Charakter seiner malerischen Tätigkeit besser verstehen zu können, müssen wir aber auf die komplizierte Struktur des Klassizismus Davids hinweisen. Heute vertritt man die Ansicht, daß Davids Porträts nicht völlig unter die übliche Einschätzung der klassizistischen Malerei fallen. Die Gründe dafür erfahren wir größtenteils auch aus deutschen Quellen. Karl Wilhelm Wach (1787-1845) war im Jahr 1815 in Paris im Atelier der Künstler David und Gros, über die er seinem Freunde Rauch begeistert schrieb: ,,Die Sorgsamkeit der Franzosen und ilire Genauig keit im Studium der Natur und der alten Monumente hat gerade durch den Eifer und die Hitze mit der das Volk alles treibt, ihnen eine gewisse Beurteilung aller Gemälde und Kmrstwerke gegeben, daß man in dieser Hinsicht viel von ihnen lernen kann. Das Studium der Natur in den Ateliers ist sehr gut ein gerichtet und besonders unter Davids Aufsicht, der so schwer zu befriedigen ist, ganz erstaunlich unter richtend, und es besitzen daher unter den angehenden Schülern viele eine so große Fertigkeit im Kopieren, Zeichnen und ganz praktischem Malen nach der Natur, daß ich, der ich in diesen Teilen ziemlich unbe wandert bin, sehr in Erstaunen gesetzt worden bin, und es mich zur lebhaftesten Nacheiferung angefeuert hat." Und etwas weiter: ,,Alles wird hier in den Ateliers ä la prima farbig gemalt, und ich versichere Ihnen, daß so vortreffliche Studien mit ganzen Figuren in sechs Tagen gemalt werden, so schön in der Farbe, im Effekt, und nicht etwa in einer schlechten französischen Manier, wie wir Deutsche den Fran zosen es gern vorwerfen, daß man nicht leicht irgendwo so vortreffliche Studien sieht."® Diese Darstellung erinnert nicht im mindesten an die negative Wertung des Klassizismus, die bis vor einiger Zeit bei der Kritik und in der Literatur gang und gäbe waren. Der Dualismus in der Kunst Davids - Darstellung von antiken und zeitgenössischen Motiven und Typen - hatte positive Folgen. Die Porträts Davids, lebendig und unmittelbar, kräftig im Kolorit, glänzend in der Technik ä la prima, seine Figuren in den geschichtlichen Gemälden (,,Napoleons Krönung", 1807; ,,Verteilung der Fahnen", 1810), weiter die Kompositionen von Antoine Gros (,,Pestkranke von Jaffa", 1804; ,,Napoleon bei Eylau", 1808) beeindruckten durch ihren Schwung, durch ihre Kraft und Lebendig keit die jmrgen Maler mehr als die Motive der römischen Geschichte. Es ist kein Wunder, wenn eine solche unmittelbare, starke künstlerische Auffassmig auch hei fremden Künstlern Widerhall fand, die 1 W. Hausenstein, Kunstgeschichte, Berlin 1928, S. 399: ,,Kleine Klassiker des malerischen Genrebildes.' " Gedächtnisausstellung Peter Krafft 1780-1856, Wien 1956. Peter Krafft von Siegfried Troll, 5. ^ Max Osborn, Franz Krüger, Bielefeld und Leipzig 1910, S. 24f.

-M - - 4'-" . " 43. Peter Krafft, Erzherzog Karl in der Schlacht bei Aspern, 1811. Heeresgeschichtliches Museum, Wien (Heeresgeschichtliches Museum, Wien) in immer wachsender Anzahl Paris besuchten - das neue Weltzentrum der Kunst. In Paris lebten zu jener Zeit Deutsche und Österreicher, die später noch zahlreicher wurden. Und unter ihnen war Peter Krafft. Wenn er in Wien, unter dem Einfluß Heinrich Fügers den Idealen eines noch barock gefärbten Klassizismus huldigte, so war das nur die äußere Form, welche später in Berührung mit der Wirklichkeit den neuen Auffassungen Platz machte. Bisher hat Bruno Grimschitz die realistischen Züge in der Malerei Kraffts am besten gezeigt, besonders auf den Gemälden aus dem Leben Kaiser Franz' I. in der Wiener Hofburg^. Krafft Terließ Paris im Jahre 1804, ohne die großen Kompositionen Davids aus dem Leben Napoleons gesehen zu haben (,,Die Krönung" und ,,Die Verteilung der Falnien"). Auf Grund der frühen Gemälde Davids, besonders seiner Porträts, baute Krafft später seinen realistischen Stil auf, und zwar mit dem Porträt des ,,Erzherzogs Karl in der Schlacht bei Aspern" von 1811 (Abb. 43). Obwonl die ganze Art dieses Gemäldes durch Davids ,,Napoleon auf dem St. Bernhard" (1800) inspiriert wurde, schuf Krafft etwas Neues dabei: die realistisch und lebensnah dargestellten Figuren der Soldaten im Mittelgrmrd, ■* Bruno Grimschitz, Ein österreichischer Franz Krüger - Peter Kraffts Wandbilder in der Wiener Hofburg. In; Die Kunst, Februar 1928, S. 161. 8 Denkmalpflege

.w i 44. Peter Krafft, Die Rückkehr des Landwehrmannes nach dem Befreiungskriege, 1817. Leihgabe des Schottenstiftes in Wien an die Österreichische Galerie, Wien (ÖsteiT. Galerie, Wien) denen gegenüber die Figuren Davids einen fast beiläufigen Charakter zeigen. Kraffts Gemälde sprengt den Rahmen eines Porträts mrd ist in höherem Maß ein historisches Ereignisbild als Davids Napoleon. Es ist weniger pathetisch als das Napoleon-Bild, knapp schildernd wie ein Kriegsbericht. Diese Auffassung fand auch bei späteren österreichischen Künstlern Widerhall. Bruno Maria Wikingen bat bereits darauf hingewiesen, daß das Gemälde Peter Kraffts Anton Femlcorn bei der Konzeption des Reitermonuments des Erzherzogs Karl in der Schlacht bei Aspern (1847)® angeregt habe. Wir sind der Meinmig, daß dieselbe Quelle auch Leopold Kupelwieser als Anregung bei der Ausarbeitung der Figur des Erzherzogs für das Fresko von 1848 gedient hat, das die Schlacht bei Aspern darstellt und sich im Sitzungssaal des Nieder österreichischen Landhauses in Mhen befindet®. In dem Gemälde ,,Abschied des Landwehrmannes" (1813) in der Österr. Galerie in Wien vertieft Peter Krafft seine realistischen Neigrmgen. Was die Grundgedanlien seines Wirkens betrifft, so ist Peter Krafft damals schon völlig mit sich im reinen. Es ist die Zeit der sogenannten ,,vaterländischen" Motive, also die Zeit eines Patriotismus, welcher geschichtliche oder zeitliche Ereignisse in seinem Sinne dargestellt wissen will. Man kami sagen, daß Krafft mit diesem Gemälde des ,,Abschieds des Landwehr mannes" diese Gattung der Malerei für Österreich eingeleitet hat und ihr, indem er Züge von genrehaftem Alltag hineinverwob, spezifischen Charakter verliehen hat. Seine Technik freilich weist noch immer die Porzellanglätte der Klassizisten auf. In dieser Hinsicht koimte Krafft die Grenzen seiner Zeit nicht überschreiten. ^ Bruno Maria Wikingen, Anton Ritter von Fernkorn der Bildhauer und Erzgießer, 1813-1878, ungedruokte phil. Dissertation, Wien 1936, a. m. 0. ° Rupert Feuchtmüller, Das niederösterreichische Landhaus, Wien 1949, S. 41.

f-tH I 4^' M\ ... - 45. Peter Krafft, Erzherzog Karl mit seiner Suite in der Schlacht bei Aspern, 1819. Heeresgeschichtlichos Museum Wien (Österr. Galerie, Wien) Die beiden Gemälde der Schlacht zu Leipzig (1817) und der von Aspern (1819) unterscheiden sich wesentlich voneinander. Die Figuren des Vordergrundes des zweiten Bildes (Abb. 45) sind farbenfroh; Uniformen, Waffen, Kanonen mid Rüstungsteile; alles wurde nach der Natur - den Modellen - auf genommen, sicher in der Darstellmig des Sachlichen. Dieselbe Lebendigkeit findet man auch in kolo ristischen Kontrasten zwischen den Gründen. Die kleine Skizze der ,,Schlacht bei Aspern" (1818?) zeigt geringe Unterschiede, aber in der Hauptsache haben alle Figuren ihren Platz behalten. Diese Studie ist als Kompositionsskizze anzusehen, und das ist der Grund für gewisse Abweichmigen in den Proportionen, die später jedoch nach den Modellen korrigiert wurden. Obwohl wir nicht immer jene Frische antreffen, die uns aus den Gemälden Davids geläufig ist, muß doch festgestellt werden, daß Krafft ein solider, außerordentlich zuverlässiger Meister ist, sicher in der Ausführung seiner Intentionen von der ersten Skizze bis in die letzten Einzelheiten. Aber die Skizze dieses Gemäldes gibt kaum eine Ahnung dessen, was sich daraus entwickeln wird. Bei Krafft stört am meisten jene Porzellanglätte, die das Malerische tötet. Denn Krafft war ein Mann seiner Zeit, der unter dem, Einfluß des Klassizismus mit der öster reichischen barocken Maltradition aufräumte. Trotzdem bestand er darauf, in seinen Typen und Figuren möglichst viel Lebenswahrheit und Abwechslungsreichtum der Komposition zu bringen. Sie erfüllen die Gruppen im Vordergrund, die Krankenwärter mit den Verwundeten, die verwundeten rmd toten Kürassiere, die Gruppe der österreichischen Generäle zu Pferd, die Kanoniere bei den Geschützen. Überall auf dem Gemälde smd koloristische Akzente verstreut, deren Aufgabe es ist, die Lebendigkeit des allgemeinen Tons zu heben. Die untadelige Zeichnung Kraffts kommt überall mit Autorität zutage, mit Ausnahme von einigen Einzelheiten auf dem Bild der ,,Schlacht bei Leipzig". So wurden die Pferde des Feldmarschalls Schwarzenberg und seines Gefolges nicht genügend studiert, sie sind disproportioniert. Außerdem wirkt die ganze Anlage des Gemäldes wie eine Porträtgalerie. Durch Wiederholung ähnlicher Elemente hat dies eine gewisse Eintönigkeit zur Folge. Aber Krafft A'^erstand daraus die Lehre zu ziehen, und in dem zeitlich nachfolgenden Gemälde zerstörte er diesen Parallelismus der Figuren, indem er

verschiedenartige Gruppen einfügte, die der ,,Schlacht bei Aspern" Dynamik und Lebendigkeit ver leihen - trotz dem konventionellen Kompositionsschema mit dem Feldherrn auf dem weißen Pferd in der Mitte des Gemäldes. Hier dringt das Gefühl für Lebendigkeit durch die Formen der klassizistischen Manier hindurch. Die Künstlernatur Kralfts, gerichtet auf die realistische Betrachtung der Gegen stände, bewältigt allmählich die Form und den Inhalt. Diesen Sinn für taktile Werte nahm auch die zeit genössische Kritik wahr, welche hervorhebt, daß Kraffts Figuren zu plastisch aussähen, wenn sie länger betrachtet werden. Der Autor der Kritik, Aloys Weissenbach, erldärt das durch die sachkundige An wendung der Perspektive'. Die weitere Entwicklung dieser Neigmrgen zeigt das Gemälde ,,Der letzte Ausfall des ungarischen Leonidas, Grafen Nicolaus Zriny, aus dem brennenden Sigeth am 7. September 1566" (1824)®. Das Gemälde ist heute zerstört, aber die Kritik jener Zeit hat seine Werte klar hervorgehoben: ,,So wie die Composition glücklich und großartig genannt werden mag, so ist es nicht minder die Technik der Aus führung. Die reiche, kunstsinnig geordnete Abwechslung der Trachten, der Farbenschmuck in den einzel nen Theilen, die schöne Zeichnung, alles trägt dazu bey, dem herrlichen Bilde entschiedenen Werth zu verleihen. Mir ist durchaus keine Annäherung, kein Anklang an jene Manier der Altdeutschthümeley, welche uns an vielen, sonst ehrenwerthen Schöpfungen der neuesten Malerschule so störend entgegentritt, bekannt. Überall zeigt sich Wahrheit und Schönheit der Form, bey Kraftfülle und geistreicher Tiefe in der Composition. Keine verrenkten Leiber, keine Froschbeine stören den Eindruck. Alles athmet Wahr heit, und jenen Adel der Kunst, welcher ferne von jeder Bizarrerie, die Effecte nur in der Wahrheit der Darstellung sucht und findet. Der Contrast zwischen dem stürmenden Drängen der erbitterten Kämpfer auf Leben und Tod und der Ruhe der Natur, der heiteren blauen Luft und dem stillen Gewässer ist echt künstlerisch gedacht und ausgeführt."® Ludwig Hevesi wies auf Rubens als Vorbild, dessen sich Krafft hier bedient haben solP". Aber seine Urteile und sein Lob sind ziemlich kärglich. Die Verbindmig mit Ruhens ist dagegen nicht nur ein Zufall. Rubens diente noch einem Meister jener Zeit als Vorbild, den wir nur erwähnten, dessen Werk uns jedoch den Vergleich mit Krafft aufzwingt. Das war Antoine Gros. Wollte man koloristische Vorbilder suchen, so wären dies nur die Werke Rubens'. Es ist klar, daß Krafft die Bilder Rubens' nicht nur in Paris, sondern auch in Wien sehen konnte. Aber die Verbindung mit Rubens bestand seit Watteau besonders stark in der französischen Malerei: sie erfüllte das ganze 18. Jahrhundert. Gros nahm sie als etwas Organisches an, als eine Kontinuität, die zur Tradition geworden war. Außerdem empfing Gros besondere Anregungen beim Betrachten der Gemälde des Rubens in Rom und Genua, wo er die österreichische Belagerung durchgehalten hatte. Auch David war stark am Kolorismus interessiert^'. Krafft mußte also nicht viel suchen, um das zu finden, was seinem künstlerischen Temperament entsprach, welches ohne Zweifel dem Kolorit zugeneigt war. Bei der Beurteilung der historischen Gemälde zwingt sich dem Kritiker Weidmann der Vergleich mit Le Brun auf, welcher als Meister der monumentalen Kriegs malerei galt (,,Les battailles d'Alexandre"); aber Krafft ging in seiner Auffassung der Kriegsmalerei darüber hinaus, seine Kirnst sprengte den Rahmen des barocken Kompositionsschemas. Es ist inter essant zu bemerken, daß auch die französische Kritik Vergleiche zwischen Gros mid Le Brun anstellte, indem sie Gros an die Schule Le Bruns verwies, bei der er ,,die Kenntnisse der Verteilung von Licht und Dunkel und der Perspektive" finden könnte (anläßlich der Beurteilung des Gemäldes ,,Schlacht hei Abukir", ISOfi)'^. Die Kritik Weidmanns ist für uns auch in einer anderen Hinsicht bezeichnend. Die Kunst Peter Kraffts ist darin klar von der Malerei der Nazarener geschieden. Es ist interessant, den Stil Kraffts gegenüber ' Aloy.s Weissenbach, Über das am 18. Oktober im k. k. Invalidenhause zu Wien aufgedeckte Gemälde: Die Schlacht von Aspern von Peter Krafft. In: Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode, 1819, 1114, 1125. ® P. C. Weidmann, Die Ausstellung der neuesten Gemälde Peter Kraffts. In: Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode, 1825, 497-501. ' A. a. O. (Fußnote 8), S. 497. " Ludwig Hevesi, Österreichische Kunst im 19. Jahrhundert, 1. Teil, 1800-1848, Leipzig 1903, S. 20. Die Replik des Gemäldes ,.Napoleon auf dem St. Bernhard", gemalt für den spanischen König Karl IV., vor einigen Jahren gefunden und im März 1955 in Rom ausgestellt (,,Ausstellung der französischen Malerei"), übertrifft durch ihren Glanz und ihr Kolorit alle Bilder Davids, die ich bisher sehen konnte. 11 H. Lemonnier, Gros, Paris, o. J., S. 35f.

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