Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

Vertiefungen des Stucks schwarz gefaßt waren (Abb. 22); im Prinzip ist diese Schwarz-Weiß-Fassung der dekorativen Teile etwa als eine mit farbigen Mitteln erreichte Steigerung der natürlichen Licht- und Schatten-Wirkung anzusehen — im künstlerischen Effekt bewirkt sie eine weitgehende Auf lockerung des plastischen Moments und der großen Formen der Stuckdekorationen, insbesondere bei den sehi' massig model lierten Umrahmungen der Deckenfresken; im Gesamteindruck ergibt sich daraus für den gesamten Stuekdekor die Wirkung eines leichten, in kleine Einzelformen aufgelösten und etwa wie ein zartes, durchbrochenes Spitzengewebe über einzelne Architekturformen gespannten Schmucksystems von einem ausgesprochenen ,,anti-plastischen", eher graphischen Cha rakter. So überraschend die Schwarz-Weiß-Fassung des Raumes, die unter sorgfältiger und an zahlreichen Versuchen erprobter Annäherung an den fragmentarisch erhaltenen Originalbestand wiederhergestellt wurde, im ersten Eindruck auch wirken mag, so läßt sie sich doch als eine den Intentionen der Hochrenaissance zuwiderlaufende manieristische Reaktion stilistisch durchaus begreifen. Im allgemein künstlerischen Aspekt wird man im formauflösenden und gleichsam immateri ellen Charakter, welchen die Schwarz-Weiß-Fassung dem Stuck dekor wiedergegeben hat, wohl vor allem eine Dokumentation der strikten Unterordnung der Ausstattungskünste unter den (in diesen Zeilen schon betonten) Primat der raumschöpfe rischen Architektur empfinden können. Wesentlich intensiver als die bisher behandelten Fragen des Wiederaufbaus hat die Diskussion um die in den Ostteilen des Domes vernichteten Deokenfresken an die Problematik der modernen Denkmalpflege gerührt. Es fehlte denn auch nicht an Stimmen, welche den Verzicht auf jegliche Rekonstruktion oder auf jeden Ersatz der verlorenen Fresken propagierten, während andere die fehlenden Deckengemälde durch Schöp fungen der modernen Kunst, ohne jede Bindung an den Stil des 17. Jhs., ersetzt wissen wollten. Es verbot sich nun von selbst, die in der ursprünglichen Form wiederhergestellten und für die Ausmalung mit Fresken bestimmten Felder in den Querhauswölbungen, im Tambour und in der Kuppel selbst leer zu belassen; denn abgesehen von der sehr fragwürdigen Wirkung solcher ,,Fehlstellen" gerade in den kultisch und architektonisch wichtigsten Teilen des Domes, hätte man eine Unterbrechung des gedanklichen Gesamtkonzepts, welches den einzelnen Bildthemen des zu einer großen ikonographischen Manifestation des Frühbarock zusammengefaßten Fresken zyklus zugrundeliegt, weder von kirchlicher Seite noch vom Standpunkt der Denkmalpflege gutheißen können. Anderer seits schien die Heranziehung der modernen Malerei zur Neuschöpfung vernichteter Fresken (unter ausschließlicher Bindung an deren Themen, nicht an deren Stil) doch die Gefahr in sich zu bergen, daß die stilistische Einheit des Domes empfindlich aufgerissen werden könnte. Wenn man sich schließ lich zu einer Rekonstruktion der zerstörten Fresken entschloß, so war damit, wohl auch im Sinne der Denkmalpflege, eine richtige Konsequenz aus dem doch vorzugsweise dienenden, der Architektur untergeordneten und zur ikonographischen Aussage bestimmten Charakter des Freskenzyklus gezogen und zugleich der dominierenden Funktion der Architektur die schuldige Reverenz erwiesen. Obwohl für die Rekonstruktion der zerstörten Fresken wichtige Unterlagen in Farbphotos, die noch während der letzten Kriegs jahre angefertigt worden waren, vorhanden waren, sahen sich die mit dieser Aufgabe betrauten Künstler-Restauratoren doch sehr bald vor großen Schwierigkeiten. Es erwies sich, daß die ,,Restaurierung" aller Deckengemälde nach dem Dombrand von 1859 die originale Farbigkeit der Fresken durchwegs verfälscht und auch vereinzelte Veränderungen der Kompo sitionen vorgenommen hatte, wodurch der dokumentarische Wert der erwähnten Farbphotos bedeutend herabgesetzt war. Wenn trotzdem die Rekonstruktion der zerstörten Fresken im großen und ganzen befriedigend gelungen ist, so vornehmlich dank der sorgfältigen, von den Restauratoren an den erhalten gebliebenen Deckenfresken des Mittelschiffs durchgeführten Untersuchungen. Diese beim Brand von 1859 zum Teil be schädigten und anschließend, wie erwähnt, durchwegs ziemlich willkürlich übermalten Fresken wurden von der Übermalung befreit (Abb. 24); ihre Restaurierung bot die Gelegenheit, die aus reinen und starken Farbtönen bestehende originale Farben skala, die aus feinen Schraffen und Kreuzschraffen aufgebaute Modellierung und überhaupt die künstlerische Handschrift des Arsenio Mascagni und seiner Mitarbeiter genauestens zu studieren. Aus den so gewonnenen stilistischen und mal technischen Erkenntnissen wurden unter Verwendung der Photos als kompositionelle Unterlage sämtliche zerstörten Fresken rekonstruiert. Gemessen an der außergewöhnlichen künstlerischen Schwierigkeit dieser Rekonstruktionen wird ihr Erfolg, besonders etwa in den Fresken der Kuppelschale, wohl als eine im wesentlichen gelungene Aktion gewertet werden können^ (Abb. 25). Restaurierungstechnische Aufgaben von besonderer Schwierig keit ergaben sich bei der Restaurierung der großen Leinwand bilder (von Arsenio Mascagni und Ignazio Solari), die sich an den drei großen östlichen Altären und an den Presbyteriumswänden befunden hatten und zum Teil durch die Bomben detonation zerfetzt waren; um so einfacher, doch ebenso erfolgreich, war die Restaurierung der Seitenaltarbilder durch zuführen. In den Seitenkapellen erlitt die Denkmalpflege übrigens eine schmerzliche Niederlage: die Gewölbe der Seitenkapellen ent halten (ebenso wie zwei Stirnwände in jeder Kapelle) überaus reiche Stuckdekorationen, die zu den schönsten im Dom über haupt gehören und an j eder Gewölbekappe bzw. Stirnwand ein viereckiges glattes Feld umschließen. Möglicherweise hätten diese Felder ursprünglich Malereien erhalten sollen, wozu es aus irgendeinem äußerlichen Grunde nicht gekommen sein mag; der ausgesprochen manieristische Charakter dieser Stuccos ließe es aber auch ohne weiteres annehmen, daß die von ihnen umschlossenen Felder ursprünglich leer gedacht waren. Jedenfalls wurden diese Felder im vorigen Jahrhundert mit Leinwandbildern versehen, über deren künstlerische Qualität kein abschätziges Urteil gefällt werden soll (Abb. 23); jedoch hat das derb realistische Wesen dieser Bilder mit dem Charak ter der Stuccos, der einen stilisierten Naturalismus mit phan tasievollen Abstraktionen verbindet, eine unerträgliche Dis- ^ Zu dem am wenigsten überzeugenden Punkt dieser Rekon struktion, den Fresken mit der Darstellung der vier Evan gelisten in den Pendantifs der Kuppel, ist zu bemerken, daß hier unter den Fresken des 19. Jhs. vom originalen Bestand, der offensichtlich vom Dombrand 1859 gänzlich zerstört wurde, nichts zu finden war. Im Interesse der Erhaltung des ikono graphischen Moments und der stilistischen Einheit der Aus malung mußte daher zu dem gewiß anfechtbaren Mittel einer Neuschöpfung dieser Fresken ,,im Stil Mascagnis" gegriffen werden.

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