Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

Südtiirmjoch, Westwand, unten (Fig. III, Abb. 3): Diese Szene ist fragmentiert und sehr schlecht er halten. In der Mitte steht Christus, in der Linken eine Rolle haltend. Er wird von Engeln umgeben, die als Halbfiguren auf Wolken schweben. Rechts sind zwei übereinander, ferner können Flügel- und Stoffreste von weiteren dreien beiderseits ausgenommen werden. Eine Deutung als Teil eines Jüngsten Gerichts oder einer Himmelfahrt erscheint aus ikonographischen Gründen und an dieser Stelle sehr fragwürdig, auch eine Maiestas im engeren Sinne ist wegen des Fehlens der in dieser Zeit sonst regelmäßig vorhandenen Evangelistensymbole unwahrscheinlich. Es ist der Teil einer Darstellung Christi mit Engeln, einer ,,Sacra presentazione"®i, wenn man will. Die Illustrationen der Exultetrollen und der Psalter®^ kennen zahlreiche Darstellungen des von Engeln umgebenen Christus-Logos. Aus dem Gedankenkreis der letzteren ist auch die Weiterbildung der Christusdarstellung mit Engeln auf der Basler Altartafel abgeleitet worden^®. Die Engel in Halb- bzw. Dreiviertel-Figur über Wolkenstreifen sind weit verbreitet, doch scheinen sie im Zusammenhang mit Christus besonders in Fulda beliebt gewesen zu sein. Dies gilt nicht nur für die Buchmalerei®^, son dern auch für die Monumentalkunst. Die ottonischen Malereien der Krypta in St. Andreas zu Fulda-Neuenberg®®, wo zweimrdzwanzig solcher Engelsfiguren auf Christus im Fenstergewände über dem Altar ausgerichtet sind, bieten ein eindrucksvolles Beispiel. Ihre besondere Bedeutung in Neuen berg als himmlische Zeugen der Altaropferhandhmg®® gibt aber nichts für die Deutung der Lam bacher Szene. Nicht nur die Engel, sondern auch die weite Einfassmig durch eine turmbewehrte Mauer, weisen darauf hin, daß hier das Himmlische Jerusalem gemeint ist, in dem Christus als ewiger Herrscher zwischen den Himmelsboten erscheint. Eine ähnliche architektonische Rahmung findet sich etwa in S. Pietro in Civate®'. Gemeint ist in Lambach wohl die ,,aeternitas restituta" Christi, seine Endtheophanie®®, im bewußten Gegensatz zum Erschrecken des Herodes, ganz im Sinne des Hraban-Kommentars zur Turbatio, wo es in Fortsetzung der oben gegebenen Stelle u. a. heißt: ,,Nec ideo natus est, ut Herodi succedat, sed ut in eum mundus fideliter credat. Venit enim non ut pugnet vivus sed ut triumphet occisus."®® Nordturmjoch, Westwand, oben (Fig. IV, Abb. 4): Der Jesusknabe sitzt, eine geöffnete Rolle haltend, unter den Schriftgelehrten, die in zwei annähernd gleich starken Gruppen auf ihn ausgerichtet sind. Die Greise und jüngeren Mämrer, welche Bücher und Rollen in Händen halten, disputieren erregt mit dem sich nach links wendenden Heiland. Von rechts treten Maria und Joseph hinzu, welche den Sohn nach dreitägigem Suchen im Tempel von Jerusalem gefunden haben (Luk. 2, 42-50). Das Er eignis spielt sich vor einer Tempelarchitektur ab, die sich letztlich auf die antike scenae frons zurück führen läßD®. Den in der Zeit an sich seltenen Gegenstand hat, nach Ausweis der Carmina Sangallensia''^, auch die karolingische Kunst gekannt, außerdem ist er durch L. Birchler^®, wenn auch stark fragmentiert und zu einem Vergleich kaum geeignet, für St. Johann zu Münster in Graubünden gesichert worden. Der größte G. Galassi, Roma o Bisanzio I, Roma 1953, p. Iii; Galassi bringt frühchristliche Beispiele dieses ikon. Typus. E. T. Dewald, The illustrations of the Utrecht Psalter, Priiiccton s. a., pp. 14f., pl. XXIII, et passim; Avery II, passim. T. Buddensieg, Die Basler Altartafel Heinrichs II., in; Wallraf-Richartz-Jahrbuch XIX, 1957, S. 133ff., bes. 140ff. Weitere Beispiele mit Christus und Engeln: E. H. Zimmermann, Die Fuldaer Buchmalerei in karolingischer und ottonischer Zeit, in; Kunstgesch. Jahrb. d. K. K. Zentral-Kommission IV, 1910, Taf. la {Göttinger Sakramentar); G. Swarzenski, Regensburger Buchmalerei, Taf. XXXIV, Abb. 94 (Evangelienbuch Heinrichs IV. in Krakau), ]d. 183 weist mit Recht darauf hin, daß es sich hier nicht um eine Himmelfalirt, sondern um die Erscheinung des himmlischen Christus handelt. Zimmermann, Taf. Ib (Martinslegende im Göttinger Sakramentar); H. Schnitzler, Fulda oder Reichenau, in: Wallraf-RichartzJahrbuch XIX, 1957, Abb. 28 (dass. im Bamberger Sakramentar), Abb. 50 (Himmelfahrt, ebenda). A. Schmitt, Die Fuldaer Wandmalerei des frühen Mittelalters, Fulda 1949, S. 32ff.; Buddensieg, loc. cit., S. I74ff.; H. Schrade, Vor- und frühromanische Malerei, Köln 1958, S. 235ff. Schrade, op. cit., S. 236. R. Salvini, La pittura dal secolo XI al XIII, in: Storia di Milano III, Milano 1954, Abb. in p. 631. A. Grabar, Martyrium II, Paris 1946, p, 179 u. Anm. 2. Migne, P. L. 107, col. 757C; vgl. im übrigen Anm. 14. Carl Nordenfalk, Die spätantiken Kanontafeln, Göteborg 1938, S. 204ff., Abb. 25 (Textb.); H. Kenner, Das Theater und der Realismus in der griechischen Kunst, Wien 1954, S. 123, Abb. 13. S. 146, Abb. 26. J. V. Schlosser, Schriftquellen zur Geschichte der karolingischen Kunst, Wien 1892, S. 327 (Nr. 931). Zur karolingischen Architektur und Malerei in Münster-Müstair, in: Akten zum III. Internationalen Kongreß für Frühmittel alterforschung (1951), Lausanne 1954, S. 191 f., Nr. 34, 35.

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