Organisation des Werkes bestimmen. In der Anwendung der Richtlinien, deren Brauchbarkeit nicht in Zweifel gezogen wer den soll, wird also eine gewisse Elastizität zu wahren sein. Die erstaunlichste Erfahrung für die Verfasserin dieses Referats lag aber in der Erkenntnis, daß jeder der beiden mit wissenschaftlicher Objektivität und mit dem Willen zur Anpassung an einen selbstgesteckten allgemein verbindlichen Rahmen gearbeiteten Bände im letzten eine ganz verschiedene Auffassung der Aufgabe widerspiegelt; es sind eben ,,die Grenzen zwischen dem Notwendigen, dem Möglichen, dem Zusätzlichen und dem Entbehrlichen durchaus fließend", wie Wentzel (S. 45) treffend sagt. In dieser Diskrepanz spricht sich die — um den oberflächlichen und zu allgemeinen Aus druck ,,Nationalcharakter" zu vermeiden — in Deutschland und in Frankreich unterschiedliche kunstgeschichtliche Tra dition und Studienrichtung aus. Daß dies nicht eine unzulässige Verallgemeinerung singulärer Erscheinungen ist, mag die Erfahrung der Referentin an dem ersten in Druck befindlichen österreichischen Corpus-Band belegen: parallel mit den beiden erschienenen Bänden, aber unabhängig von ihnen, voran getrieben, weist seine Anlage und die Verteilung der Akzente, ohne daß dies etwa von vornherein beabsichtigt gewesen wäre, viel stärkere Übereinstimmungen mit dem deutschen als mit dem französischen Band auf. CVMA, Deutschland I, Hans Wentzel: Die Glasmalereien in Schwaben von 1200—1350, hg. vom Deutschen Verein f. Kunstwissenschaft, Berlin 1958. 280 S., 646 Schwarz-Weiß-Abb., 12 Farbtafeln. Die im Titel im kunstgeographischen Sinn gebrauchte Landes bezeichnung ,,Schwaben" ist allerdings auf die politischen Grenzen des Landes Württemberg einzuengen; die wichtigen seeschwäbischen Glasmalereien bleiben demnach dem Band ,,Baden" vorbehalten. Wie alle derartigen Zäsuren ist auch diese im Hinblick auf den historischen Komplex willkürlich und schneidet vor allem die Verglasung von Heiligkreuztal aus ihrem natürlichen Zusammenhang (Konstanz). Der Mangel ist auf der anderen Seite dadurch wettgemacht, daß auch nach anderen Bundesländern (etwa nach Darmstadt) abgewanderte Scheiben aus den behandelten Zyklen einbezogen sind. Dem Katalog geht eine 40 Seiten lange kunstgeschiehtliche Einleitung und Übersicht voraus, in der die Fragen der künstlerischen Herkunft und der Ateliers für die fünf wesent lichen Komplexe: Eßlingen, Wimpfen, Stetten, Heiligkreuz tal und Altshausen-Bebenhausen im Zusammenhang auf gerollt sind. Trotz der umfassenden Materialkenntnis des Autors — der Kern des vorliegenden Bandes, die ,»Schwäbische Glasmalerei der Hochgotik", lag bereits 1944 in einem abge schlossenen Werk vor — ist eine Lösung der aufgeworfenen Fragen, obwohl Tafel-, Buch- und Wandmalerei ebenfalls in den Kreis der Betrachtung gezogen sind, zum Teil noch nicht und zum Teil wohl niemals mehr möglich. Infolge der über großen Verluste gibt es im schwäbischen Raum in der ersten Hälfte des 14. Jahi'hunderts keine konstanten Größen, auf die bezogen werden könnte — ganz im Gegensatz zum seeschwä bischen, vom künstlerisch fest umrissenen Zentrum Konstanz bestimmten Bereich. Für Eßlingen, dessen kirchengeschichtliche und politische Bedeutung in der fraglichen Zeitspanne umrissen ist, dürfte mit der Zugehörigkeit zur Diözese Konstanz und zur Ordensprovinz Straßburg auch das künstlerische Koordinatensystem durchaus zutreffend angegeben sein, wenn auch die Wege, auf denen die Vermittlung vor sich ging, und ihre Überschneidungen vielfach unklar bleiben müssen. Wirk lich eindeutig läßt sich nur das Heiligkreuztaler Fenster durch seme unbezweifelbare Zugehörigkeit zu Konstanz bestimmen; ihm lassen sich zwei Fenster der Eßlinger Stadtpfarrkirche anschließen, während in anderen schwäbischen Verglasungen (Passionszyklus in Stetten, ältere Scheiben in Wimpfen) die elsässischen Stilquellen überwiegen, und wieder andere (Altshausen-Bebenhausen) durch ihre Abhängigkeit von Eßlinger Fenstern die Existenz eines Ateliers an diesem Ort beweisen. Sind diese Ausführungen Wentzels durchaus über zeugend, so vermag man die zur französischen Glasmalerei, allerdings mit vielen Einschränkungen und der gebotenen Vorsicht, geknüpften Verbindungen (etwa zu Saint-Urban in Troyes) allein auf Grund der Abbildungen nicht so unmittelbar zu sehen. Im übrigen hat Wentzel das Schema des Kataloges mit seiner Unterteilung in Bibliographie, Komposition, Ikonographie, Erhaltung, Technik, Wappen- und Stifterbilder, Kostüm und Stil auch auf die Einleitung übertragen. Es scheint zumindest fraglich, ob daran in den künftigen deutschen Bänden fest gehalten werden sollte; nicht nur werden etwa im Abschnitt ,,Erhaltung" Wiederholungen bzw. Überschneidungen zwischen Einleitung und Katalog unvermeidlich, sondern es will der Referentin auch scheinen, daß das Ziel und die Rechtfertigung einer solchen Einleitung gerade in der Synthese der im Katalog notgedrungen zu gesonderten Kategorien zerteilten Er scheinungsformen derselben Wirklichkeit (etwa Ikonographie und Stil) läge. Im Katalogteil selbst ist die Gewichtsverteilung zwischen der Fenster-Einleitung und dem Scheiben-Katalog (unter der Voraussetzung, daß es sich um noch einheitliche Ensembles handelt) schlechthin vorbildlich. Auf eine Präzisierung der Farbangaben und auf eine Beschreibung des farbigen Auf baus hat Wentzel bewußt verzichtet; die — entgegen dem Zug der Zeit — geübte Beschränkung in den ikonographischen An gaben sollte im Interesse des gigantischen Gesamtunterneh mens zum Muster genommen werden. Mit dem Abschnitt ,»Anbringung" hat Wentzel eine neue, sachlich notwendige, aber in der Terminologie nicht ganz glückliche Kategorie geschaffen; ihr wäre anläßlich einer Revision der ,,Richtlinien" Rechnung zu tragen. Auch die buchtechnische Organisation des Bandes durch den Deutschen Verein für Kunstwissenschaft kann in vieler Hin sicht, zumindest in Ländern mit drucktechnisch ähnlichen Gegebenheiten, als vorbildlich gelten. So wird sich die Teilung zwischen Kunstdruck- (Einleitung mit Vergleichsabbildungen) und Werkdruckteil (Katalog) bewähren; wünschenswert wäre die Aufgliederung des Tafelteiles und das Einbinden der zusammengehörigen Abbildungsseiten in den betreffenden Katalogteil. Die Bebilderung ist (mit Ausnahme der fehlenden, aber angesichts des guten Erhaltungszustandes leichter ver schmerzbaren Erhaltungsschemata) erschöpfend und wird, was die Größe der Abbildungen und die Fülle an Detail aufnahmen betrifft, wohl nicht überall in gleichem Ausmaß beibehalten werden können. Der Mangel eines gleichen Maß stabes fällt infolge des von französischen Fenstern grund sätzlich verschiedenen ,,Bildcharakters" der deutschen Glas malerei kaum ins Gewicht. Eine außerordentliche Erleichterung für die Benützung gewälu-en auch die schematischen Fenster skizzen mit Themenangaben im Katalog. Alles in allem haben
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2