Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

110. Wien III, Salesianergasse 3a, Speisezimmer (BDA Mejchar) III. Wien III, Salesianergasse 3a, Brücke über das Stiegen haus im zweiten Stock {BDA Mejchar) Diese Kunst ist eminent politisch: Die heiter-dekorative Ornamentik verheimlicht ein tiefernstes Spiel. Kunst-Luxus ist niemals hintergründig, aber er schafft eine hintergründige Atmosphäre. Es geht um ganz anderes als um das Sichtbare. Diese Kunst ist raffiniert-unnaiv: Ihre neobarocke Tarnung hat nichts mit dem Barock zu tun. Billige Kopien dessen, was im 17. und 18. Jahrhundert weiträumig an echten Feudalplätzen verstreut und ver einzelt an Meisterleistungen geschaffen wurde, häuft man jetzt an einer Stelle, verquickt, egal, alle zur Verfügung stehenden Barockformen (rheinische, bayrische, böhmisch-mährische, österreichische) miteinander und übersteigert sie zum maßlosen Superbarock. Auf eine armselig eingezwängte Parzelle stellt man ein ,,Palais", arrangiert einen Hof als feudales Treppenhaus und Halle und macht unzählige technische Nöte zur frivolen Tugend. Geschickt verkuppelt man heterogenste Bestandteile auf engstem Raum und übersieht die inneren Konflikte. Diese Kunst ist theatralisch-repräsentativ: Sie wird ostentativ hervorgekehrt und übersteigert, weil sie etwas ihr völlig Wesensfremdes bloß verkleiden, maskieren soll. Diese Kunst spielt somit eine pure Zweckrolle, um ein soziales Phänomen, die Verteidigung des quali tativen Menschheitsbegriffs gegen den quantitativen der Allzuvielen, zu maskieren. Eine abgelebte Rangund Wertgeltung sollte durch politisches Verhalten erzwungen, wo nicht erkauft, durch Raffinement erschlichen, durch theatralische Repräsentation vorgetäuscht werden. Kunst wurde Mittel zum Zweck. Artistisches Kunstgewerbe aber ist degradierte Kunst.

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