Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

Theaterbauten! Auch große Mäzene gaben Privataufträge: Niki Graf von Esterhazy ließ sich in Totis ein Theater für 300 Personen errichten, Arthur Krupp das Berndorfer Theater für 500 Personen®. In seinen theoretischen Schriften rühmt sich Ferdinand Fellner wiederholt, das ,,Foyerleben" begründet und entfaltet zu haben. Vor allem galt dies seit der Errichtung des Deutschen Volkstheaters in Wien, etwa für das Stadttheater in Odessa, wo ,,von den 3000 Personen im Zwischenakt nicht eine Person im Saale blieb und das Büffet jährlich 15.000 Rubel erbrachte"^®. Die Foyers des Berliner Theaters Unter den Linden (2000 Personen) konnten in der Länge des Hauses separat als Ballsäle verwendet werden. Indessen stand für Fellner jedoch weiterhin die Sparsamkeit an erster Stelle. Durch völlig neuartige Planungen verstand er die allgemein geltenden Theaterbaukosten bis auf ein Viertel herunterzudrücken (Köln, Stadttheater für 1800 Personen um 2,850.000 Mark; Wien, Deutsches Volkstheater für 1900 Personen um 740.000 Mark). Fr baute technisch sparsam — bei gleichermaßen erhöhtem Aufwand an optischen Effekten, er drapierte und maskierte seine Sparsamkeit. Fellner und Helmer bauten in der Folge auch zahlreiche Hotels, unter anderen in Puchberg am Schnee berg, Pilsen, Lemberg und auf dem Semmering (Panhans und Erzherzog Johann). Aufträge für Schlösser gab der neureiche Industrieadel aus Rußland, Galizien, Polen, Ungarn, Böhmen und Mähren; viele prunkvolle Mausoleen bezeugten den Reichtum ihrer Toten; der Kaiser ließ Stefanie warten errichten (Karlsbadund Wien-Kahlenberg), an,,öffentlichen" Bauten Adelkasinos, ferner Sprudel-, Stadtpark- und Konzertkolonnaden. Markante, durchaus neuartige Bauaufgaben waren Großkaufhäuser, wie die Thonethäuser in Wien (Stephansplatz und Rotenturmstraße), Graz und Brünn, die Großwarenhäuser Rothherger, Kranner und Schein in Wien, Rothberger in Budapest und als modernste die in eisenarmiertem Beton aufgefülirten Warenhäuser Gerngroß in Wien, Kastner und Ohler in Graz und Dacia-Romania in Bukarest. An Stadtpalais sind vor allem die des Grafen Lanckoronski, des Baron Rothschild, von Schenk, von Wessely, von Seybel in Wien und das Palais des Grafen Pista Karoly in Budapest zu nennen. Einesteils ist das Palais der Freifrau von Schnapper ein typisches Stilprodukt der Architektur um 1890, anderseits aber überragt es durch seine eigenwillige Ausprägung das Massenniveau. Es besitzt individuelle Qualitäten. Aber man bedarf einer sicheren Scheidung von Rang- und Werturteil, um bis zum Verständ nis und zur Würdigung dieser Qualitäten vorzudringen. Der außerkünstlerischen Ansprüche waren fast zu viele. Auf der sehr kleinen Baufläche mußten viele und große Räume Platz finden, anderseits mußte die erwünschte Intimität gewahrt bleiben. Der Grundriß ist ein Patent von Fellner sen.^i. Zusätzliche Tricks bezogen Fellner und Helmer aus ihren Theater erfahrungen, die sie zu wahren Hexenmeistern werden ließen^^: Die Raumausweitung erfolgt durch die optische Einbeziehung des offenen Treppenhauses in die Halle (die Luster hängen zwischen beiden), die ,,Brücke" im zweiten Obergeschoß trennt und verbindet zugleich. Die Tageslichtfrage war prekär, da das Gebäude schmalbrüstig eingepfercht dasteht. Für den Mittelteil war daher das Oberlicht der rettende Einfall. Es beschwört überdies das Theatralische ähnlich wie die ,,Brücke", die Bühne und Schnürboden zugleich sein könnte. Als Tribut an diese Tricks verliert der Raum an Wärme, er wirkt offiziös und kalt, bei künstlicher Beleuchtung geradezu gespenstisch, ein Eindruck, den auch die Karya tiden, Schnörkel und Voluten nicht mindern können. So eignet sich dieser Raum bestens für offizielle Empfänge und Gespräche sowie für geschäftliche Unterredungen. Bestenfalls gibt es hier ein ,,Foyer leben", bei Festlichkeiten etwa; dann wird das Stiegenhaus mit seiner Halle zur echten Bühne. Der feudale Salon sollte vom Empfang zur Geselligkeit — im Simie der Zeit um 1890! — hinleiten. Der Kunst bediente man sich einfach. Durch sie suchte man Vorbilder des Herrschaftlichen. Das scheint der Sinn dieser Neo-Stile zu sein; dann aber spielt diese Kunst eine pure Zweckrolle. ® Felliier und Helmer, Sammelwerk der ausgeführten Bauten und Projekte in den Jahren 1870/1914. Wien (1915). F. Fellner, Die Entwicklung des Theaterbaues in den letzten fünfzig Jahren. Wien (1909), S. 23, Ferdinand Fellner (sen.), a. a. O., Tafelanhang. Wiener Konzerthaus mit 3 Sälen, deren größter für 2200 Personen.

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