wurde niemals ausgeführt. Lediglich ein dezenter Stuck an den Plafonds, Glasluster, ein paar Rokoko zierate an den großen Türen verleihen den ruhigen, noch heute vom Lärm der Großstadt verschonten Räumlichkeiten eine zurückhaltende Vornehmheit. Allgemein sind Bauwerke dieser Art heute nicht eben beliebt. Sie sind unpraktisch zu bewohnen, schwer instand zu halten und gelten als geschmacklich abwegig. Eine solche Kritik beruht nicht lediglich auf subjektivem Ermessen, sie läßt sich auch auf struktive Argumente stützen: Sonderbar ist schon das Ausmaß der verbauten Grundfläche, im Mittel 10:32 m. Eigens war die be stehende Normalparzelle 913 im Erbauungsjahr in zwei so schmale Streifen zerteilt worden! Die einzig mögliche Vollverbauung bietet in einem solchen Falle das Zwei-Trakte-Gebäude, Vorder- und Hinterhaus mit einem Hofe dazwischen und einer durchlaufenden Hauseinfahrt. So wurde der Bau auch durch geführt, jedoch raffiniert maskiert und verunklärt (Abb. 107). Straßenseitig wurde ein repräsentativer Hauptrisalit verlangt. Das monumentale Hauptportal war möglichst zentral anzuordnen. Aber der schmallange Grundriß ließ nur eine seitliche Hausdurchfahrt zu. Des Konfliktes unbeschwerte Lösung: Der Hauptrisalit wurde aus drei — von insgesamt vier! — Achsen gebildet, asymmetrisch angelegt und der seitliche Hausflur um eine Achse zur Mitte hingebogen. Die entstehenden ,,blinden" Ecken wurden zu einer Portierloge und zu Rumpelkammern ausgebaut®. Da der feudale Speisesaal (,,Eßzimmer") straßenwärts dreiachsig im Hauptrisalit liegt, mußte die Küche ebenfalls straßenwärts im Erdgeschoß eingerichtet werden. Das ist kaum mehr als eine Verlegenheitslösung. Der Hof des Zwei-Trakte-Gebäudes wurde zum großartigen Treppenhaus und ,,Atrium" gemacht und — als echter Lichthof — von oben her, durch die Glaskuppel beleuchtet. Darüber täuschen die in je einen winzigen Lichtschacht schräg hineingestellten bunten Treppenfenster hinweg, die von außen nur so viel Licht erhalten, um eben noch als Fenster zu wirken und die harte Beleuchtung von oben her scheinbar zu mildern. Die ausgerundeten Treppenhausecken tarnen elegant — eine Notlösung. Bezeichnend ist die Anbringung der kleinen eisernen Servicestiege, der Dienerstiege, unmittelbar neben der großen Haupttreppe. Darin zeigt sich geradezu symptomhaft eine keineswegs mehr organisch gestaffelte, sondern funktionell (und sozial) bereits abrupt gewordene Abtrennung, in der es keine ,,Zwi schenräume" mehr gibt. So führt auch eine prächtige Prunktüre zur — Speisekammer (in die die Gerichte mittels Aufzug aus der ebenerdigen, gassenseitigen Küche heraufkommen). Eine Glanzleistung routinierter Grundrißlösung bietet der ,,Hintertrakt". Der immerhin zehn Meter tiefe Baukörper ist größtenteils nur sekundär — durch die Loggia beziehungsweise durch die Blumen nische hindurch — belichtet; gerade das verleiht dem Salon und dem Boudoir eine außerordentliche Intimität der Abgeschiedenheit. (Nur halb so groß wie der Salon ist die unmittelbar darunterliegende gesamte Portierwohnung!) Die Architekten Z. V. Fellner und Helmer gehörten von 1872—1914 zu den meistbeschäftigten der Monarchie, darüber hinaus schufen sie eine Unzahl zum Teil prominenter Bauwerke im übrigen Europa von Holland bis Rußland. Beide Architekten gingen aus der Schule des Ferdinand Fellner sen. hervor, der es, zumal seit dem Fall der Wiener Basteien 1857 und dem Ausbau der Vororte, zu hohem Ansehen gebracht hatte und der seinem Sohne gute Ratschläge für den sozialen Massenwohnhau geben konnte. Als einen der ersten bewegten ihn die Probleme der Funktion und der ,,passenden Physiognomie", wie er die Sozialanliegen vom Kinderreichtum bis zur Prostitution in den ,,viereckigen Ungeheuern" der Zinshäuser nannte®. Auf Gulden und Heller rechnete er Bauverfehlungen nach, stellte neue Anforde- ® Portierloge und -wohnung liegen somit an entgegengesetzten Enden des Hauses. ® Vor allem kritisierte er die verfehlte Romantik eines R. von Eitelberger und Heinrich Forstel auf das heftigste und zog gegen ihi'e angeblich völlig untechnische und unökonomische, gewissenlos verdienenwollende Bauweise heftig zu Felde. Ferdinand Fellner (sen.), Wie soll Wien bauen? Wien 1860.
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