1959 XIII HEFT 3/4 WSf'Pi' m.m ÖSTERREICHISCHE ZEITSCHRIFT FÜR KUNST UND DENKMALPFLEGE ÖSTERREICHISCHES B U N D E S D E N K M ALAMT VERLAG ANTON SCHROLL CvCO •WIEN-MÜNCHEN
ÖSTERREICHISCHE ZEITSCHRIFT FÜR KUNST UND DENKMALPFLEGE (Jahrgang 1/1947 —V/1951 ist als „Österreichische Zeitschrift für Denkmalpflege" erschienen) In Nachfolge der einstigen „Mitteilungen der Zentralkommission für Denkmalpflege in Wien" Herausgeber; Österreichisches Bundesdenkmalamt • Redakteure: Walter Frodl und Otto Demus XIII. JAHRGANG 1959/HEFT 3/4 INHALT Ion Feunzetti und Theodor Jonescu ; Die Ausstellung österreichischer Gemälde im Brukkenthal-Museum in Hermannstadt / Habby Kühnel : Die Darstellungen des Stadtbildes von Krems und Stein / Fbanz Eppel: Ein Fellner und Helmer-Bau in Wien III / Walteb Fbodl: Zur Ausstellung „Die Gotik in Niederösterreich" in Krems / Aktuelle Denkmalpflege: Niederösterreich (Die Erhaltung der Altstadt in Krems und Stein / Das Städtische Museum in Krems a.d. Donau), Steiermark / Buchbesprechungen Die Zeitschrift erscheint jährlich in 4 Heften Es wird gebeten, Einsendungen an die Redaktion der Zeitschrift im Bundesdenkmalamt, Wien I, Hofburg, Schweizerhof, Säulenstiege, zu richten Bezugspreis: Jährlich 4 Hefte S 80.— Anzeigenannahme durch den Verlag • Printed in Austria VERLAG VON ANTON SCHROLL & CO. IN WIEN
.■ c., 97. M. Meytens, Porträt des Malers G. Auoj-bach (?) (Hermannstadt, Bruckenthal-Museum) Ion Fbunzetti AUSSTELLUNG ÖSTERREICHISCHER GEMÄLDE UND Theodor JoNEscu IM B RUCKE NTHA L-MUS EUM IN HERMANNSTADT Das Bruckenthal-Museum in Hermannstadt — es trägt den Namen seines Gründers, des aus Sieben bürgen stammenden Gubernators von Siebenbürgen (1777—1787) Samuel Breckner von Bruckentbai — ist ein für die österreiebisebe Architektur vom Ende des 18. Jahrhunderts charakteristischer Bau. In den Räumen, die kürzlich restauriert wurden, ist im vergangenen Jahr die Ausstellung österreichischer Gemälde veranstaltet worden. Schon vor langer Zeit hat Tb. Erimmel erklärt, daß niemand, der sich mit dem Studium der österreichischen oder süddeutschen Kunst des 18. Jahrhunderts befaßt, die Sammlungen Bruckenthals unbeachtet lassen sollte, da sie nahezu zweihundert österreichische Gemälde umfassen und in mancher Hinsicht sogar mit den Wiener Museen konkurrieren können. Dies ist um so hegreiflicher, wenn man bedenkt, daß der künstlerische Geschmack des Sammlers Bruckenthal sich im kunstfreudigen Wien des 18. Jahrhunderts geformt hatte, als er, vor seiner Ernennung zum Gubernator Siebenbürgens mit dem Sitz in der damaligen Hauptstadt Hermannstadt, der Wiener Hofkanzlei Jahre hindurch als hoher Beamter angehörte. Als Gubernator trachtete Bruckenthal, etwas von dem Wiener Geschmack auch in seine Heimat zu verpflanzen. Er ließ jenseits der mittelalterlichen Stadtmauern Gärten und Parks anlegen, veranstaltete musikalische und Theateraufführungen und 12 DeTiknuilpflege 93
H legte seine Gemäldesammlung an. Kurz, er ver suchte Leben in die damalige Hauptstadt Siebenbürgens zu bringen. In der österreichischen Malerei des 18. Jahrhun derts herrschte genau wie in der damaligen Iranzösischen, russischen oder englischen Kunst das ,,Repräsentationsbildnis" vor. Bedeutende Persön lichkeiten des hohen Adels und gekrönte Häupter (Karl VI., seine Gemahlin, Kaiserin Elisabeth, Maria Theresia und ihr Gemahl, Franz I., Josef II., die Gattin König Emanuels von Sardinien) blicken uns aus den wappengeschmückten Rahmen an. Sie wurden von M. Meytens, J. G. Auerbach oder G. Weikert porträtiert, die ihre bemerkenswerte Meisterschaft an die Wiedergabe des Stofflichen, an Seide, Samt und Hermelin, an Spitzen und Brokate, an das Gold der Schmuckstücke und an die Dekoration verwendeten^. Neben diesen reprä sentativen, den sozialen Rang des Dargestellten besonders betonenden Bildnissen, hat aber z. B. bach geschaffen, ein äußerst typisches Künstler porträt, in dem die menschlichen Bezüge in den Vordergrund gerückt sind und die Virtuosität der T „X, T3 . , TT , ■ Wiedergabe der stofflichen Details auf wenige 1)8. J. V. Schuppen, Portrat des Herrn von Seiten (?) ° ° (Hermannstadt, Bruckenthal-Museum) Stellen — hier das Gefältel des linken Hemdärmels — beschränkt bleibt (Abb. 97). Auch das Selbstbildnis des Autodidakten Christian Seibold weicht von den Regeln des ,,Repräsentationsbildnisses" ab. Der fortgeschrittene Realismus solcher Gemälde entsprach der Geschmacksrichtung der Donaustadt. Das bürgerliche Wien hat der Malerei etwas von der wirklichkeitsnahen Atmosphäre geschenkt, die dem Zeremoniell am Hofe nicht entsprach. Die heraufdämmernde neue soziale Ordnung wird in der Ausstellung dokumentiert durch die Bildnisse der drei rumänischen Jobagen Horia, Closca und Crisan, die Anführer des siebenbürgischen Bauern aufstandes von 1784^. Den wesentlichsten Teil der Ausstellung machen aber nicht die Porträts aus, sondern die Landschaften. Die Ausstellung bringt zu Beginn W^erke vom Ende des 17. Jahrhunderts, die stark unter dem Einfluß des italienischen Akademismus stehen. Durch den Bologneser Barock gelangten die österreichischen Maler zu mythologischen und biblischen Themen. Die Deckenmalerei aber wurde in Wien durch ihre italienischen Vertreter Pozzo und Solimena selbst eingeführt. Die Verbindungen Tirols mit dem venezianischen Gebiet und dessen zeitweilige Einverleibung in das österreichische Kaiserreich haben dazu geführt, daß die Maler geschichtlicher Themen religiöser oder profaner Art starken venezianischen Einfluß erkennen lassen. Dies kann man schon bei Tobias Pock und dann weiterhin bei dem Begründer ^ Es hätten auch Porträts von Jan Kopetzky und Jakob van Schuppen (Abb. 98) ausgestellt werden müssen, die zwar tsche chischer bzw. flämischer Herkunft sind, doch ebensogut zur Wiener Schule gehören wie Meytens (Van Mijtens), Ferdinand Saeys oder Norbert Grund, die ebenfalls Holländer bzw. Tschechen sind. 2 Wem diese Bildnisse zugesprochen werden müssen, steht noch nicht einwandfrei fest. Dr. J. Bielz hat an anderem Ort (Julius Bielz, Galeriestudien. Mitteilungen aus dem Baron Bruckenthalischen Museum, XIII, 1947, S. 3—5) mit Kompetenz die frühere Meinung widerlegt, daß der unter Bruckenthals Gönnerschaft stehende Hermannstädter Maler Martin Stock, der sich während des Aufstands nicht in Siebenbürgen aufhielt, die Porträts gemalt habe. Doch auch seine Annahme, daß die Gemälde dem Wiener Anton Steinwald zugesprochen werden müssen, scheint uns zweifelhaft. Der Wiener hat zwar zur Zeit des Aufstands in Hermannstadt geweilt, doch ist der fast bäuerische Stil dieser Bilder, die von der kräftigen Hand eines Graveurs zu zeugen scheinen, mit dem eleganten, farbenprächtigen Maler der Fresken in der Hermannstädter katholischen Kirche schwer in Einklang zu bringen.
100. M. J. Schinnagl, Landschaft mit dem barmherzigen Samariter {Hermannstadt, Bruekenthal-Museum) der Wiener Kunstakademie, Peter Strudel von Strudendorf, feststellen, der Correggios Aktauffassung übernommen hat und ein Vorläufer Proud'hons ist. Desgleichen weisen die Allegorie „Der Triumph der Wissenschaft und Kunst" von J. Michael Rottmayr von Rosenbrunn, ein Oval in PlafondPerspektive von 2,75 m Höhe, das 1710 für das Gebäude der Wiener Akademie gemalt wurde, sowie auch andere Arbeiten dieses Künstlers neben rubenistischem Stil einen starken venezianischen Einfluß auf (Abb. 99). Unsere Schau stellt außerdem einen heiligen Franziskus von Paul Troger aus. Dieses Gemälde war im Jahre 1877 auf der Ausstellung der Wiener Akademie zu sehen. Es ist harmonisch auf silbergraue Farbtöne abgestimmt, weist aber vom anatomischen Gesichtspunkt aus einige Ungenauigkeiten auf. Daneben sehen wir zwei Bilder des dem Troger stilistisch nahestehenden, doch in weit helleren Tönen malenden Josef Mildorfer (1719—1765)3. Konnten uns Bildnisse und Kompositionen nur ein höchst konventionelles Bild der damaligen Wirklich keit vermitteln, so boten Landschaften und Stilleben weit mehr Möglichkeiten zu einer wahrheitsgetreuen Schilderung der Natur. Den Künstlern war es hier vergönnt, ihrer Phantasie freieren Spielraum zu lassen. Anton Faistenberger z. B., der in Rom studierte, faßt die Landschaft monumental, visionär aufk Die Tradition Faistenbergers führen sein Sohn Josef und Max Josef Schinnagl weiter. Dieser ist ein feinsinniger Landschaftsmaler, der von der grandiosen, rhetorischen Darstellung unter dem Einfluß der niederländischen Kunst und nach dem Vorbild Claude Lorrains zur Wiedergabe lyrischer Stim mungen übergeht, die durch die Betrachtung der Landschaft entstehen. Menschen sind in dieser ® Wohl gelang es Bruckenthal nicht, einen der berühmten österreichischen Deckenmaler nach Hermannstadt zu holen, um sieh von ihm sein Palais ausschmücken zu lassen. Dafür verfügte er aber über Anton Steinwald (1742—1781), einen bescheidenen W^iener Maler, der aber in der Deckenfreskenmalerei recht bewandert war. Steinwald ist nur durch seine Siebenbürger Arbeiten bekannt geworden. Seine Fresken in der Loge der Hermamistädter katholischen Kirche, die unweit des Bruckenthal-Museurris steht, können als sein bedeutendstes Werk betrachtet werden. Fs gibt jedoch in Siebenbüi'gen drei Arbeiten von Maulpertsch, sämtlich Geschenke der Maria Theresia. Zwei davon hängen im Bischofspalais von Karlsburg (Alba-Iulia) und eines in der Sankt Michaels-Kirche in Klausenburg (Cluj). * Das im Katalog der Ausstellung unter Nr, 24 angeführte Gemälde (Inv.-Nr. 360) trug auf seiner Tafel den Namen Josef Faisten berger, während rechts unten klar die JTnterschrift Anton Faistenberger erkennbar ist.
.'Jr. : Im -■ ''%l t V>W'V 101. F. de F. Ferg, Marschierende Truppen (Hermannstadt, Bruokenthal-Museum) Darstellungsweise zur Staffage geworden, sie sind nicht mehr als für die Gesamtwirkung erforderliche Farbflecke (Abb. 100)®. Es ist aufschlußreich zu verfolgen, wie sich die österreichische Landschaftsmalerei in zwei bestimmten, verschiedenen Richtungen entwickelt. Die eine Richtung huldigt der lyrischen Auffassung, die wir ^ Der Katalog des Museums schreibt M. J. Schinna,gl 24 Gemälde zu. Davon ist kein einziges signiert. Nur zwei Bilder (Inv.- Nr. 1037 und 1038) werden auf der Rückseite von einem Wiener Sammler aus dem Jahre 1767 als von Schinnagls Hand stammend angesprochen. Wenn wir diese beiden Arbeiten als Vergleichsgrundlage nehmen, gelangen wir zu der Ansicht, daß Sohinnagl das Bild Kat.-Nr. 34 in unserer Ausstellung nicht gemalt haben kann. Der Katalog des Museums erklärt außerdem 17 Bilder für Werke von Chr. H. Brand und 4 für Arbeiten seines Sohnes. Von all diesen ist nur ein einziges gezeichnet, und zwar nur mit dem Familiennamen. Dieses wurde als Werk des Sohnes angesprochen, obgleich es viel eher der Art des Vaters entspricht. Wenn man bedenkt, daß Brand junior unter dem Einfluß der französischen Landschaftsmalerei stand, kann man das Bild Kat.-Nr. .55 unserer Ausstellung (Inv.-Nr. 109), das stark von der holländischen Manier von Brand senior abweicht, mit ziemlicher Sicherheit als Werk des Sohnes erklären. Jedenfalls müßten alle die Identifizierungen von einem Wiener Fachmann geprüft werden, umsornehr, als es sich bei einigen Bildern auch um Arbeiten Karl Aigens zu handeln scheint. Der Katalog von 1909 erklärt 24 nicht signierte Gemälde für Werke Schinnagls. Zwei davon (Inv.-Nr. 1037, 1038) tragen allerdings den Namen des Malers auf der Rückseite. Nehmen wir diese als Ausgangspunkt (tatsächlich weisen sie Schinnagls Stil auf, haben den roten Grund und die breite Leinwand), so können wir noch weitere vier Bilder (Inv.-Nr. 1036, 1039, 1046, 1047) als von der Hand des gleichen Meisters stammend betrachten. Die vorigen (Inv.-Nr. 1029—1031, 1042, 1043) sind entweder die Werke anderer österreichischer Mäler von geringerem Können als Schinnagl oder sind sie flämischer Herkunft. Inv.-Nr. 1049 trägt das Signum E. P., und Inv.-Nr. 1040 und 1041 zeigen auf der Rückseite die Buchstaben P. P. Der gleiche Katalog schreibt Christian Hälfgott Brand 17 und seinem Sohn 4 Gemälde zu. Eine Landschaft (Kat.-Nr. 124), die das Signum ,,Brand" aufweist, wui'de mit Recht dem Sohne zugesprochen, da die Signatur genau den von E. Benezit (August 1955) Wiedel-gegebenen Unterschriften Brands des Jüngeren entspricht. Ebenso sind auch die Gemälde Kat.-Nr. 125 (ein Pendant zu 124), Inv.-Nr. 1032 und 1033, J. Chr. Brand zuzuschreiben, obgleich die beiden letztgenannten Werke im Katalog ganz will kürlich als Arbeiten Schinnagls angeführt werden. Dabei tragen sie auf der Rückseite eine Inschrift, die Brand und Viechter (Tiergemälde) als Meister nennt. Brand, der Sohn, ist auch der Schöpfer zweier kleiner, auf Holzgrund gemalter Bilder (Inv.-Nr. 1257. 1258), deren eines einen Bauern und zwei ihn segnende Mönche darstellt, während das andere zwei Orientalen am Meeresufer im Gespi'äch mit einem Bauern zeigt. Diese beiden Stücke waren als Werke eines unbekannten Wiener Malers im Katalog vermerkt. Beide Bilder zeigen die Gestalten aufrecht im Vordergrund, sich von dem Himmel abhebend, der nahezu den ganzen Raum der Leinwand einnimmt, während sich die Landschaft, nur skizziert, unten am Horizont verliert. Die Bilder wurden als Arbeiten Chr. H. Brands erworben; auf einem der Rahmen ist der Familienname Brand vermerkt. Der Wiener Kunstkritiker Ludwig Zeitlinger, der 1915 das Bruckenthal-Museum besichtigte, hat (wie aus dem Archiv des Museums hervorgeht) die Bemerkung gemacht, daß das Bild mit den zwei Orientalen am Meeresstrand verwandte Züge mit einem ähnlichen, in der Wiener Kunstakademie vorhandenen, J. Chr. Brand zugesprochenen Gemälde aufweist. Brand senior könnte der Meister eines Stillebens mit einem Fasan (Kat.-Nr. 107) sein. Eine Aufschrift gibt als Datum für die Jagd den 12. Oktober 1756 an. Das hieße — nach Thieme-Becker —, daß der Künstler das Bild in seinem Todesjahr geschaffen habe. Nach Benezit jedoch hat Brand nach 1756 noch gelebt. (Schluß der Fußnote auf Seite 98.)
lämn ,. .r--'- ■ i-'i-- *':■ 102. J.F.Kien (Kühn), Reitergefecht zwischen Kürassieren und Tataren (Hermannstadt, Bruckenthal-Museum) bei den beiden Brand finden und die sich im 19. Jahrhundert in der gesamten europäischen Landschafts malerei durchsetzte. Die andere Richtung faßt die Landschaft als Hintergrund für Genreszenen auf. Vertreter dieser Richtung sind außer Joh. Lauterer Franz de Paula Ferg mit seinen Schlachten gemälden (Abb. lOI), Johann Fr. Kien (in Österreich gibt es zwei seiner Bilder, im Bruckenthal-Museum fünf; Abb. 102), Franz Thomas Canton und sein Sohn GabrieP mit ihren galanten Schäferszenen oder August QuerfurH mit seinen Jagden. Die wenigen österreichischen Tiermaler, deren Gemälde nicht zahlreich sind, waren dennoch alle vertreten: Cajetan Roos, der Sohn des Philipp Roos' (Rosa da Tivoli), Anton Graffenstein, der äußerst seltene Darsteller der Tiere aus dem Schönbrunner Tierpark, von dessen Hand die Wiener Museen keine einzige Arbeit besitzen. Dann: Maximilian Handel und J. Chr. Viechter mit zwei Bildern, die nur im Bruckenthal-Museum vorhanden sind. P. v. Burgau, ein naiver Vogelmaler, wird von Thieme-Becker für Philipp Joh. Purgau gehalten, von dem nur zwei Arbeiten in Wien und zwei in Breslau bekannt sind. (Thieme-Becker vermerkt die fünf im Bruckenthal-Museum befindlichen Gemälde nicht.) Bedeutend begabter waren die bekannten Tiermaler Johann Georg und Philipp Hamilton, die zwar aus Brüssel gebürtig waren und dort gelernt haben, ihr Leben lang aber in Wien tätig gewesen sind. Die Hermann städter Galerie verfügt über dreißig Werke dieser beiden Künstler. Unklar ist die Urheberschaft der vom Katalog als Werke Karl Aigens vermerkten Gemälde Kat.-Nr. 11,5 und 116. Die übrigen, Chr. H. Brand zugeschriebenen Werke, sind flämisch-holländisch (Kat.-Nr. 113 und 114 nach d'Arthois, Kat.-Nr. 109 nach Wouwermann), italienisch (Kat.-Nr. 104, III, 112 von der gleichen Hand auf Papier gemalte Pendants) oder stammen von anderen österreichischen Meistern (Kat.-Nr. 110 ist eine Arbeit Anton oder Johann Faistenbergers). Alle diese Identifizierungen müßten jedoch von einem österreichischen Fachgelehrten überprüft werden. « Von Fr. Th. Canton sind nur die sieben (nicht drei, wie Thieme-Becker vermerkt) Gemälde des Bruckenthal-Museums bekannt. Keines davon ist signiert. Die Zusprechung erfolgte durch den handgeschriebenen Katalog Bruckenthals und durch Th. Frimmel, der sie bestätigte. ' Es hätten auch die beiden Landschaften ausgestellt werden müssen, die der Katalog des Museums irrtümlich einem nicht existierenden Franz Steinwald zuschreibt, die aber tatsächlich Johann Samuel Hötzendorfer gemalt hat. Dr. J.Bielz hat dies in seiner obengenannten Studie bewiesen. Die Ausstellung dieses Künstlers hätte um so eher erfolgen müssen, als auch die Land schaften des eigenartigen, in Wien verstorbenen Holländers Jakob Ferd. Saeys Aufnahme fanden.
Nur drei Stilleben wurden ausgestellt: auf dem einen von Franz Rösel von Rosenhof sind eine Schnepfe und ein Eichelhäher dargestellt, das zweite ist eine Vogelkoinposition in der Manier des Flamen Snyders; es trägt die Signatur M. B.; das dritte ist ein Fisch-Stilleben aus dem Jahre 1733, es weist die Unter schrift J. D. Heinitz von Heinzenthai auf, eines in diesem Genre äußerst seltenen Autors, der einen bemerkenswerten Sinn für das Dekorative zeigt®. ^ Die beiden Eichentäfelchen, die reine Genreszenen in der Art Teniers-Brouwers zeigen und die klar J. kSellmoseen bezeichnet sind, gehören auf keinen Fall der österreichischen Malerei an. Der Künstler wurde im Katalog des Museums als ,»wahrscheinlich ein deutscher Dilettant aus dem 18. Jahrhundert" angesprochen. Thieme-Becker, nach dem sich der Katalog unserer Ausstellung gerichtet hat, hält Sellmoseen iiTtümlich für den Wiener Porzellanmaler Josef Seimoser (1785-1812). Abgesehen davon, daß die beiden Namen nicht übereinstimmen, scheint uns die Zugehörigkeit dieser Bilder zur österreichischen Malerei und noch dazu gegen Ende des 18. Jahrhunderts auch aus dem Grunde sehr zweifelhaft, weil die Gemälde stark flämisch-holländischen Stil uiid Charakter haben. Es ist verwunderlich, daß A. Bredius und H. de Groot, die beide Gemälde an Ort und Stelle besichtigten, nicht festgestellt haben, daß sie der holländischen Malerei angehören. Ähnlich verhält es sich auch mit den ,,Pangeir' signierten Bildern, deren Schöpfer Dr. Julius Bielz für einen Österreicher hält. Unseres Wissens hat Th. Frimmel diesen rätselhaften Pangell nicht für einen Österreicher gehalten, wie im Vorwort zum Katalog der Ausstellung behauptet wird. Im Katalog des Museums wird er als ,,Maler aus dem 18. Jahrhundert" geführt, ohne daß seine Volkszugehörigkeit festgestellt würde. Die beiden Kompositionen galanter Parkszenen, nach dem Geschmacke der französischen Maler des 18. Jahrhunderts gemalt (Pangell ist ein etwas schwer fälligerer Laueret), haben, sowohl was das Thema als auch was die Technik betrifft, verblüffende Ähnlichkeit mit zwei weiteren Unica der Galerie, die den Namen eines Malers aus Antwerpen (18. Jahrhundert), Jan Vierpeyl, tragen. Pangell (der Vorname Nikolaus, der im Katalog figuriert, ist frei erfunden) muß ebenso wie Vierpeyl Flame gewesen sein. Außerdem spricht es gegen das Österreichertum Pangells, daß die Bilder Bruckenthal zwar in Wien, aber als niederländische Werke angeboten wurden, was der Begründer des Hermannstädter Museums in seinem handschriftlichen Katalog vermerkt. Die beiden Landschaften (Nr. 33 und 35 des Ausstellungskatalogs), die als Arbeiten Josef Orients angesprochen wurden, erinnern eher an die holländische Kunst, genauer an Ruysdaels Schule - besonders an Wijnants. Sie haben weder im Stil noch in der Farbgebung irgendeine Ähnlichkeit mit der nicht ausgestellten Landschaft ,,Felsige Gegend mit Schlössern" (Kat.-Nr. 862), die, ihrer Verwandtschaft mit einem sicheren Orient des Klausenburger Museums (das Bild ist aus Budapest nach Klausenburg gekommen und weist d'Arthois', Griffiers und H. Saftlev( ns Einfluß auf) nach, weit eher als Werk dieses österreichische]! Meisters anzusehen ist als jene beiden oben erwähnten Landschaften. Übrigens hatte Frimmel daraufhingewiesen, daß die fraglichen Gemälde nicht der österreichischen .Schule zugehören, und hatte sie im Katalog von 1901 einem unbekannten Maler des 17. Jahrhunderts, Benedikt Dupuis, zugeschrieben. Im Jahre 1909 wurden sie indes durch den damaligen Kustos des Museums, M. Csaki, als Werke Orients eingetragen und so auch in die Ausstellung aufgenommen, die wir besprochen haben. Harry Kühnel DIE DARSTELLUNGEN DES STADTBILDES VON KREMS UND STEIN Die mittelalterliche Tafelmalerei des 15. Jahrhunderts hat gerne religiöse und geschichtliche Vorgänge in zeitgenössische Umgebung versetzt, ein Beweis für das absolut unhistorische Denken dieser Epoche. Diesem Umstand verdanken wir aber die ältesten Darstellungen österreichischer Städtebilder, wobei die Einzelheiten niemals vollkommen naturgetreu wiedergegeben werden^. Die früheste und bedeutendste Darstellung des Stadtbildes von Krems auf der Tafel der ,,Kreuztragung" des Schottenmeisters (Abb. 103), nach Meinung von Fritz Dworschak das Werk eines Meisters namens Wolfgang Kremser^, hat bereits im Jahre 1929 der Steiner Arzt Karl Salomen entdeckt und beschrieben®. Die Tafel, die in der Galerie des Schottenstiftes in Wien aufbewahrt wird, dürfte um 1469/70 entstanden sein und zeigt eine solche Fülle von Übereinstimmungen mit dem Häuserbestand von Krems, daß Zweifel, wie sie in letzter Zeit noch geäußert wurden, als nicht mehr berechtigt bezeichnet werden könneiB. Im Süden der Stadt zieht sich entlang der Mauer eine Aulandschaft, davor 1 Hans Meyer, Grenzen, Aussichten und Methoden der Auswertung des Städtebildes für die Geschichtsforschung. Historische Zeitschrift, Bd. 150 (München-Berlin 1934), S. 306ff. ^ Fritz Dworschak, Krems-Stein und Göttweig in der Zeit des ausgehenden Mittelalters. Krems und Stein. Festschrift zum 950jährigen Stadtjubiläum (Krems a. d. Donau 1948), S. 182f. ® Karl Salomon, Die ältesten Ansichten der Stadt Krems. 50 Jahre Landzeitung (1929), S. 31 ff. ^ Erich V. Strohmer, Die Malerei der Gotik in Wien. Geschichte der bildenden Kunst in Wien. Bd. 2: Gotik (Wien 1955), S. 193. — Walther Buchowiecki, Geschichte der Malerei in Wien. Geschichte der Stadt Wien. Neue Reihe VII/2 (Wien 1955), S. 27.
fließt der linke Donauarm, der mit dem Donaustrom eine Insel einschloß. Im Westen sind die beiden Türme des Hülben- (Steiner-) Tores erkennbar, östlich davon die Dominikanerkirche mit einem etwas zu groß geratenen Dachreiter. Weiter im Osten erhebt sich der Turm der Ursulakapelle im Passauerhof, hingegen fehlt die Bürgerspitalkirche, da deren Bau erst 1470 abgeschlossen wurde. Die Frauenkirche mit ihrem wehrhaften Turm sowie den vier charakteristischen Ecktürmchen® und die mächtige Stadt pfarrkirche, deren Turm ein gotisches Zeltdach besitzt, beherrschen das Stadtbild. Vom Sehottenmeister stammt auch eine wichtige Ansicht von Wien auf der Tafel ,,Flucht nach Ägypten"; die Akribie der topographischen Darstellung dieses Meisters geht so weit, daß es mit Hilfe dieser Tafel möglich war, die sogenannte ,,Öde Kirche", eine um 1470 von Friedrich III. gegründete Kapelle, nahe der Hofburg zu lokalisieren®. Das Städtische Museum Krems besitzt einen Almanach des kaiserlichen Mathematikers Dr. Paul Fabricius von 1563, gedruckt in der Offlzin des Michael Zimmermann in Wien'. Dieser Kalender, der zu den seltenen und alten Wiener Drucken dieser Art gehört, zeigt im Titelblatt in kleinen Holz schnitten zahlreiche Städte Niederösterreichs und der Steiermark. Die Größe der Städtebilder beträgt 20 X 26 mm, demnach ist die Wiedergabe der Baulichkeiten sehr ungenau, so daß man im Falle von ,,Crembs" mit Bestimmtheit nur die Frauenkirche und das Hölltor identiflzieren kann. Der Druck war ursprünglich, wie aus einer Eintragung hervorgeht, im Besitz des Jakob Premier, Hauptmann der Feste Pernegg. Ein Nachdruck dieses Almanachs, mit erläuterndem Text von Dr. Bartholomäus Reisacher und gleicher Anordnung der Städtebilder, erfolgte 1575 durch Caspar Steinhofer in Wien®. Der Säulenhof des Palazzo Vecchio in Florenz erfuhr aus Anlaß der großartigen Hochzeitsfeier des mediceischen Erbprinzen Francesco mit Johanna von Österreich, Schwester Maximilians II., im Jahre 1565 durch die Maler Sebastiane Veronese, Giovanni Lombardi, Cesare Baglioni und flkirino von Piemont eine Ausschmückung mit 16 Wandbildern, die Ansichten von größeren Städten bringen, darunter Stein a. d. Donau. Der Erhaltungszustand dieses Freskos ist trotz zweimaliger Restaurierung schlecht, Details können nur mehr sehr schwer festgestellt werden. Dies ist insoferne bedauerlich, als es sich um die bisher älteste bekannte Darstellung von Stein handelt®. Wolf Huber hat zwar bereits 1529 auf seiner Reise donauabwärts auf einer Federzeichnung das Donautal bei Krems festgehalten, jedoch ist darauf mit Sicherheit einzig die Steiner Brücke zu erkennen^®. Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg mit seinen reichen Beständen eröffnete 1957 eine Sonderausstellung unter dem Titel ,,Kulturdokumente Österreichs", die 1958 auch in der WessenbergGalerie in Konstanz und in Linz zu sehen war. Eines der Exponate war eine bislang unbekannte Feder zeichnung der Stadt Krems mit der Donaulände im Ausmaß von 29,9 x 101,7 cm in drei Teilen und einer Legende (Abb. 104). Die Entstehungszeit der Stadtansicht dürfte nach 1616 anzusetzen sein, zumal die Pfarrkirche mit ihrem gotischen Turm, den man 1616 abzutragen begann, einerseits, anderseits das 1616 von Adolf Graf von Althan gestiftete Jesuitenkolleg, allerdings noch im Bau befindlich, bereits abgebildet sind^^. Die Zeichnung gibt einen Überblick vom Ortsteil Und bis vor das Wiener Tor. Das Kapuzinerkloster in Und besaß in östlicher Richtung einen langgestreckten, von einer Mauer mit zwei Bildstöcken eingefaßten Garten. Hinter dieser Anlage verlief die ,,rechte Landstrass von Crembs und Stein". Vor dem Garten führte ein Weg, der mit ,,Georgsteig" bezeichnet ist, nach Stein. Westlich des Hülben- (Steiner-) Tores ging von Norden nach Süden der Stadtgraben, über den eine kurze Brücke, vermuthch eine Zugbrücke, die Verbindung zwischen Stadt und Glacis herstellte. Südlich der ^ Die Piaristenkirohe in Krems. Berichte u. Mitteilungen des Altertums-Vereines zu Wien, Bd. X (Wien 1867), S. 282ff. "Josef Zykan, Die Darstellungen des mittelalterlichen .Stadtbildes. Geschichte der bildenden Kunst in Wien. Bd. 2: Gotik (Wien 1955), S. 246ff. — Hariy Kübnel, Forschungsergebnisse zur Geschichte der Wiener Hofburg im 16. Jahrhundert. Anzeiger der Österr. Akademie der Wissenschaften, Jg. 1956, Nr. 20, S. 268. ' In: Josef Mayer, Wiens Buchdruckergeschichte, Bd. 1 (Wien 1883), >S. VOff. wird dieser Druck nicht angeführt. " Mayer, Buchdruckergeschichte, S. 110. — Salomen, Die ältesten Ansichten der Stadt Krems, S. 31. — E. Schmidel, Abbildungen von 18 österreichischen Städten vom Jahre 1575. Monatsblatt des Altertumsvereines zu Wien, Bd. VII, 22. Jg. (1905), S. 141f. und Reinöbl, ebenda, Bd. IX, 27. Jg. (1910), S. 131f. — Heinrich Güttenberger, Die Donaustädte in Niederösterreich (Wien 1924), S. 136. " Richard K. Donin, Ansichten der Städte Wien und Wiener Neustadt von 1565 in Florenz. Zur Kunstgeschichte Österreichs (Wien 1951), S. 366ff. Erwin Heinzle, Wolf Huber, um 1485—1553 (Innsbruck o. J.), S. 22, 79 und Abb. 44. Katalog: Kulturdokumente Österreichs aus dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Konstanz 1958, Nr. 179, dort jedoch irrtümlich der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zugeschrieben.
103. „Schottenmeister", Kreuztragung, Ausschnitt mit der Ansicht von Krems (Foto-Ritter, Wien) Dominikanerkirche sind der Turm des Herzoghofes und die Andreaskapelie^^ sichtbar; den Zugang zur Donau bildet an dieser Stelle der Stadtmauer das „Hafner-Tor". Die Hafner waren schon seit dem späten 13. Jahrhundert auf dem heute nach ihnen benannten Platz in unmittelbarer Nähe der Donau ansässig. Der Turm der Frauenkirche läßt bereits eine Turmuhr erkennen, die gotische Pfarrkirche zeigt ein hohes Mittelschiff und einen niedrigen Chor. Auffallend im Stadtbild ist der schlanke, hohe Turm des Hölltores. Von diesem führte ein Weg zur Holzbrücke über den Donauarm zur Werd-Insel, wo Boote anlegten und ihre Waren ausluden. Vor kurzem wurden die Piloten der Uferverbauung in der Nähe dieser Brücke, Ecke Ringstraße-Brandströmstraße, bei Erdarbeiten gefunden. Die Entfernung des Hauptarmes, der südlich die Werd-Insel umfloß, vom ,,eben landt" betrug einen ,,Mussquetenschuss". Der Kremsfluß reichte damals mit einem Arm entlang der Stadtmauer bis nahe vor das Hölltor. Westlich dieses Stadttores stand eine Mühle, die durch den Mühlbach, welcher in den linken Donauarm mündete, betrieben wurde. Gewaltig und imposant sind die Umrisse der sogenannten Gozzoburg mit der gleichfalls vom Kremser Bürger und Stadtrichter Gozzo gegründeten Katharinenkapelle der Saalbau der Burg mit seinen ungleichmäßigen Arkaden, das hervorragendste profan-bürgerliche Bauwerk des späten 13. Jahrhunderts im süddeutschen Raum, wurde jüngst in Zusammenarbeit zwischen Bundesdenkmalamt und Kulturamt der Stadt Krems in seinen ursprünglichen Zustand versetzt. Der PulverAnton Kerschbaumer, Der Herzogshof zu Krems. Blätter des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich, 19. Jg. (1885), S. 260ff. i'ä Anton Kerschbaumer, Gozzo. Ein Kremser Bürger des 13. Jahrhunderts. Blätter des Vereines für Landeskunde von Nieder österreich. 29. Jg. (1895), S. 146ff. — Hans Plöckinger, Die Burg zu Krems a. d. D. Berichte und Mitteilungen des AltertumsVereines zu Wien, Bd. 48 (Wien 1915), S. ISff. 13 D e uk m al pflege
__; 'M ZI.JiJu^^^ *11^^ M lÖiQ-^qn- ' "■, - -, 104. Federzeichnung nach 1616, Krems mit der Donaulände (Germ. Nationalmuseum, Nürnberg) türm, richtiger ,,Lueg ins Land", besitzt wie die Gozzoburg eine Mauerkrone und soll vordem stärker und höher gewesen sein. Das Wiener-Tor war vermutlich einst auf der Federzeichnung noch sichtbar und wird in der Legende auch angeführt. Der rechte Rand der dreiteiligen Stadtansicht scheint jeden falls beschnitten worden zu sein. Der uns unbekannte Meister der Federzeichnung veranschaulicht sehr deutlich das Vorhandensein einer äußeren und einer inneren Stadtmauer mit einem dazwischen liegenden Stadtgraben. Dieser topographischen Darstellung kommt deshalb große Bedeutung zu, weil sie zwei bis drei Jahrzehnte vor dem Stich Merians ein äußerst genaues und detailliertes Bild von Krems liefert. Der Stich von Merian stimmt weitgehend mit der Federzeichnung aus Nürnberg überein; ergänzend ist darauf noch das Wiener-Tor und die südlich von diesem gelegene Peter- und Paulskapelle des seit 1130 nachweisbaren Berchtesgadnerhofes (Eisentürliofes) wiedergegeben. Von unschätzbarem Wert ist der Merian-Stich von Stein, der, sich durch Präzision und Klarheit aus zeichnend, uns manche der seit dem Mittelalter bis heute erhalten gebliebenen Baudenkmäler vor Augen führt. Die Stadt war umgeben von einer starken Stadtmauer, die rundum Amn Mauertürmen — z. B. Fischerturm — verstärkt wurde. Zugänge zur Donaulände besaßen das Sonnentor, das Traubentor und der Salzstadel, im Westen das aus dem 14. Jahrhundert stammende Brücken- (Linzer-) Tor mit gotischem Zeltdach. Von hier aus war mit Privileg Kaiser Friedrichs III. von 1463 eine Holzbrücke nach dem rechtsseitigen Donauufer von Mautern geschlagen worden. Nicht allzuweit entfernt vom Brückenkopf stand das kaiserliche Mauthaus; seit 1076 wurde die Donaumaut bereits in Stein ein gehoben. Die auf dem Schloßberg befindliche Burg hatte zweifelsohne auch die Funktion, die Entrichtung der Maut und den Donauübergang zu sichern. Ein Teil des Schlosses dient seit 1799 Wohnzwecken. Die Stadtmauer führte ostwärts zur Burg auf die Anhöhe bis zum Plumpertor, setzte sich von diesem zum sichtbaren Neutor und weiter bis zum Kremser-Tor fort, während das Wieden-Tor durch die Minoritenkirche Amrdeckt wird. Ähnlich wie in Krems sind die beiden Kirchen, Frauenkirche und Pfarrkirche, für das Stadtbild charakteristisch. Südlich der Minoritenkirche stand und steht noch heute der kaiserliche Salzstadel (Donaulände Nr. 34 bzw. Steiner Landstraße Nr. 27). Hervorgehoben zu werden verdienen auch der einst zwischen Köchelplatz Nr. 1 und Steiner Landstraße Nr. 58 aufragende Torturm mit Uhr, der 1874 abgebrochen wurde, sowie der Passauerhof mit Rundbogenzinnen, die Amrmutlich A'om Kremser Steinmetzmeister Lienhard stammen, dem Schöpfer der Zinnen vom Turm der Kirche St. Michael i. d. Wachau. Grundsätzlich wäre zu bemerken, daß diese Ansicht — wie alle übrigen behandelten und noch zu besprechenden — die Städte von Süden zeigt. Gelegentlich fanden auch in Reiseskizzenbüchern Darstellungen von Städtebildern Berücksichtigung, freilich sind solche Ansichten in den meisten Fällen unpräzise, da sie vielfach in Eile angefertigt wurden. Ein unbekannter Reisender hat im Dezember 1710 eine solche Skizze von Stein und von Krems gezeichnet, der weder künstlerisch noch topographisch eine Bedeutung zukommt. In einem erläu-
^•■1 ^fs.l f./. . ■) . ■W..J.,.r, ;<™ Oy,i„. 7- i/—»- (C, !^n|. (.-(^ )■> 1 1.{"-«Ä-l-lS '•■ !.— 9 i II '4—' .M,"i ■H''*''v\^ (>,c.',„.-» "S" ® I . j, ■Ä • 105. F. B. Werner, Federzeichnung, Stein und Mautern (Foto-Ritter, Wien) ternden Text zu den beiden Federzeichnungen wird festgehalten, daß in den Städten ,,alles wohl und zührlich gebauet auch mit etlichen Klöstern versehen" sei und beiderseits des Donaustroms ausgedehnte Weingärten sich erstreckend^. Friedrich Bernhard Werner, 1690 in Breslau geboren, 1778 gestorben, gab von einigen Städten Stiche heraus, unter anderem von Linz eine Gesamtansicht sowie ein Tafelwerk ,.Prospekte von Linz", worin markante Baudenkmälerd® und Plätze wohl gefällig, aber doch höchst ungenau und willkürlich dar gestellt sindd®. Ähnlich verhält es sich bei dem Entwurf zum Kupferstich von Krems; wiewohl um 1770 entstanden, hat das Steiner-Tor keinen barocken Helm, obgleich dieser bereits 1756 aufgesetzt worden war; der Pulverturm ist zu weit in die Stadtmitte verlagert. Neu ist die Wiedergabe der 1719—1722 erbauten großen Kaserne vor dem Steiner-Tor, nahe der 1673 von Ferdinand Werndl gestifteten Friedhofskapelle, und das bald nach 1721 errichtete Gebäude der Englischen Fräulein auf dem Hohen Markt mit vorspringendem Mittelrisalit. Die Original-Federzeichnung Werners über Stein darf etwas mehr Genauigkeit für sich in Anspruch nehmen als dies bei Krems der Fall ist (Abb. 105). Im Westen ist die Holzbrücke von Mautern nach Stein mit der dem rechtsseitigen Donauufer vorgelagerten Insel sichtbar. Da damals Krems noch keine Landestelle für Donauschiffe besaß, legten diese an der Steiner Lände an. Das Wirtshaus ,,Zum goldenen Lamm" (Lampel Wirtshaus, Steiner Landstraße 83) wurde von Tiroler Schiffleuten bevorzugt, das Gasthaus ,,Zum goldenen Ochsen" (Steiner Landstraße 109) war die Einkehrstelle der Ulmer Schiffleute, und der Gasthof ,,Zum Elefanten" nahm die Gäste des OberösteiT-eichisches .Landesarchiv Linz, Neuerwerbungen Hs. 140, Pa. III/35, pag. 144 und 145. Darunter die Fürstenbergische Dreif'altigkeitskapelle; siehe Harry Kühnel, Das Fürstenbergische Dreifaltigkeitsbenefizium in der Linzer Vorstadt. Jb. d. Stadt Linz 1957, S. 167f. Justus Schmidt, Linzer Kunstchronik. Teil 3 (Linz 1952), S. 243.
„Ordinari-Ruderschiffes" von Linz nach Wien ebenso wie die Regensburger Schiffleute auf. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts landeten hier die ersten Dampfschiffe. Abschließend sei noch die Aufmerksamkeit auf einen Kupferstich von W. Rzehaczek aus dem Jahre 1785, gestochen von Johann Ernst Mansfeld (1738—1796), einem Mitglied der Akademie in Wien, gelenkt. Das geschmackvoll und kunstvoll gestochene Blatt bringt mit großer Genauigkeit die Bauten von Und bis zum Wiener-Tor, wobei die turmartige Anlage des Herzoghofes und die nördlich davon gelegene, 1783 aufgelassene Andreaskapelle mit barockem Zwiebelturm besondere Erwähnung verdienen, ebenso der Blick auf die oberen Teile der 1738 von Josef M. Goetz geschaffenen Dreifaltigkeitssäule. Im Südteil der Gozzoburg stand damals noch der wuchtige Hauptturm, der im vergangenen Jahrhundert abgetragen wurde. Darstellungen von Stadtansichten besitzen somit einen hohen Quellenwert, sie ergänzen nicht nur sinnvoll das schriftliche Material der Vergangenheit, sondern vertiefen auch weitgehend deren Kenntnis. Fbanz Eppel EIN FELLNER UND HELMER-BAU IN WIEN III Zum Zwecke der kunsttopographischen Aufnahme nimmt der Referent derzeit eine Begehung des dritten Wiener Gemeindebezirkes vor. Dabei wurde auch das Haus Salesianergasse 3 a besichtigt und folgender Text für die Österreichische Kunsttopographieentworfen: ,,Stadtpalais, 3-ff 1 Geschosse, 3-|- 1 Achsen. Vornehmes Gebäude mit einer in klassizierenden Motiven reich dekorierten Schauseite. Am ersten Obergeschoß Herrschaftswappen mit Adelskrone. — Im ge krümmt angelegten Hausflur feine Stuckdekoration in spätbarocken vegetabilischen Formen; originelles Schuhputzgerät aus Schmiedeeisen. Feudales offenes Treppenhaus mit Holzvertäfelung und über reichen Schmiedeeisengeländern. Charakteristische bunte Treppenhausfenster aus der Erbauungszeit. Lebensgroße Holzkaryatiden tragen einen brückenartigen, freien Umgang des zweiten Obergeschosses. Im ersten Obergeschoß großer Salon mit reicher Vertäfelung der Wände und kunstvoll geschnitzter, kassettierter Holzdecke. In der hohen, von einer flachen Glaskuppel überwölbten Halle reich geschnitzte Wandschränke und ein offener Marmorkamin mit großer Holzverkleidung." Die in der Plan- und Schriftenkammer der Stadt Wien aufbewahrten Baupläne wurden von den Archi tekten Z. V. Ferdinand Fellner und Hermann Helmer 1891 für Marie Freifrau von Schnapper ausgeführt Da die Besitzer mehrmals gewechselt haben und das Eigentum einer geschlossenen Familientradition längst entglitten ist, sind diese Daten heute in Vergessenheit geraten^ (Abb. 106, 107). Derzeit ist das palaisartige Gebäude, nachdem der vorige Eigentümer die aus der Erbauungszeit stam mende mobile Inneneinrichtung zur Gänze veräußert hat, ohne Verwendung im Besitze eines Realitäten vermittlers® und wird zur Vermietung beziehungsweise zum Kaufe angeboten. Es ist zu erwarten, daß es als Bürogebäude eines Industrieunternehmens einen Interessenten findet. Mit jedem Besitzerwechsel wächst aber die Gefahr, daß vor allem die ,,unmoderne" und ,,unpraktische" architekturgebundene Inneneinrichtung einer Modernisierung zum Opfer fällt. I Weitere ,,Privathotels" von Fellner und Helmer: Baron Springer (Reich) in Meidling; Rosenthal (-s'on Czyzek) im Währinger Cottage; von Rittershausen (Prof. Schauta) auf der Hohenwarte; Müller (Geitler-Zanetti) in Wien. (In Klammern die Zweitbesitzer.) ^ So konnte auch die Zeitungsente bestehen bleiben, dies sei einst das Palais Vetsera gewesen, das sich tatsächlich Salesianergasse II befand — von Baronin Helene von Vetsera und ihren vier unglücklichen Kindern Ladislaus, Hanna, Mary und Ferry bewohnt und nach dem geheimnisvollen dode Budolts ,,von unermeßlicher Trauer erfüllt" —, 1889, somit schon zwei Jahre vor der Er richtung des Gebäudes! Wr. Wochenpresse Nr. 38 vom 17. 9. 1955. ^ Direktor Josef Machek, Wien IV, Mayerhofgasse 1.
l .i.-4.4- ; Ui. )_■ f O^aU». S*Utk«Vw 106. Haus, Wien III, Salesianergasse 3a, Querschnitt und Längsschnitt, Plan- und Schriftenkammer der Stadt Wien Die Plangeiiehmigung für die Konskriptionsnummer L (Landstraße) 503, EZ (Einlegezahl) 2614 (alt 1428) für die geteilte Parzelle Nr. 913 wurde am 9. Juni 1891, die Baubewilligung am 30. Juli 1891 vom Magistrat der Stadt Wien erteilt. Mit einer Baubewilligung vom 19. Mai 1916 wurde von Moriz und Josef Sturany ein Verbindungsgang im Hofe errichtet, mit einer Baubewilligung vom 27. März 1930 wurde durch Architekt Theodor Mayer für den damaligen Eigentümer Edmund Weisweiller der ,,Bau eines von der Loggia im ersten Stock gegen den Garten führenden Übergangssteges mit beidseitigem 1 m hohem Geländer und an diesen anschließend eine Abgangsrampe in den Garten" aufgeführt. Mit einer Bau bewilligung vom 19. August 1940 wurden dem damaligen Eigentümer, Kom.-Rat Richard Mazur, einige Unterteilungen amn bestehenden und als zu groß empfundenen Räumen im zweiten Obergeschoß gestattet, doch wurde dieser Plan erst nach dem zweiten Weltkriege, nach neuerlicher Einreichung und mit Baubewilligung vom 8. April 1954, verwirklicht. Da alle genannten Veränderungen nur periphere Teile des Gebäudes betrafen, ist dieses im wesentlichen Bestand sowie im Gesamtcharakter vorzüglich erhalten geblieben. Tritt man durch das Haustor in die Einfahrt, so überrascht deren leicht S-förmig geschweifter Grundriß; ihre Krümmung ist ähnlich der von Straßenbahngeleisen, und es scheint, als ob sich hier die kurvig ,,verschliffenen" Jugendstilformen ankündigten. Den Hausflur schmückt ein zierlicher Stuckdekor in
! r.'FlT '!■ IM' i ; Barookformen, die Plafondmitte das Initial SW S.m'^vtAi ' mit Freiherrenkrone in Stuck. Hinter dem Hausrechts ist an der Wand ein schmiedeeisernes _ Ungetüm angebracht, ein 80 cm hohes SchuhU I putzgerät in Renaissance-Barock-Formen mit ! s\.., i |\ 1 Drachenmäulern und Akanthusranken. ' ' I R 1 Über einige Stufen und durch eine große Tür • , ,L J I * gelangt man nach rechts in das Treppenhaus. An I ....... =—=« seinem Fuße war früher eine kleine Sitzgarnitur \ rnit einer Fächerpalme in der Mitte aufgestellt. '[/' I j ^4 I ^ Aufwärts schwingt die ,,barocke" Treppe, holz- ■■ ^ il 1 vertäfelt und mit einem reichen Eisengeländer fü 'j versehen. Auch an ihr lassen, im Grundriß wie 311 im Aufriß, kurvilineare Formen an den JugendL PVP ■ denken, ihre geschmeidige Glätte stellt einen '• ] ■ 1—il Ii krassen Gegensatz zu dem darauf aufmontier- .^i.|— I 1 ' / I ;jl ~ ■»»» -,-1-1 ^ ^ hyperbarocken Eisengeländer dar. Der erste ■^3 |T"3ii:iv , II,- Treppenabsatz bildet eine Art verkümmerten stl vn " " Balkon und war wohl jener Platz, bis zu wel- 'i i 1 chem man einem gesellschaftlich gleichgestellten ZIL_ .[.1- i Gast entgegenkam. Die beiden ausgerundeten . - .! \\( .l;!] ji 1 Treppenhausecken werden zwischen den GeschosZicn ...jj.,, ^ f. I" \ sen durch Hoffenster, deren bunter Blumendekor j '4 i ebenfalls die Nähe des Jugendstils anzeigt, etwas J ■■ I I j A ir''|pTi]' ^4^4 ^ aufgehellt (Abb. 108). •'^1 WP !|}! i.' .,<311 1 Hauptraum des Hauses bildet die große 'l " ^**" y "j offene Halle im ersten Obergeschoß (Abb. 109). ■— \ " G '" ■' 1 Wände bedecken reich geschnitzte und ge- ^j■:'a ^p 1 drechselte Fassaden von wuchtigen, tief eingeJ\ \ \\\ ' j i *" iLrl 1 ' bauten Schränken und von pompösen Nischen I I ' 1 \ 1 1 Dekorationsstücke, ferner der von einer groß- ■ -| t t ( P— artigen Holzverkleidung umrahmte offene Kamin 1 • r j n"^| ■ und die sehr großen Türen mit geschnitzten Supra- .-4""p |j f * ^ W '■ porten. Auf Konsolen ruht eine Schrumpfdecke, i i lediglich aus der vertäfelten Unterseite der balkonartigen, offenen ,,Korridore" des zweiten Ober1- geschosses gebildet. • ^ ' ff r r 1 .-p -j—).—[ I—\~—I—I ■ ,5,,,o(j !j -Dieser große Mittelraum empfängt durch die das 1 zweite Obergeschoß flach überwölbende, verglaste Kuppel das Tageslicht, seine Wände geben zwi107. Wien III, Salesianergasse 3a, Grundriß des Erdgeschosses scheii der kassettierteii Vertäfelung große nackte Plan- und Schriftenkammer der Stadt Wien -mi - i r- ■ i- • j. i r— i i i nr i flachen irei, die einstmals iur kolossale Wand gemälde gedacht waren. Gegen das Stiegenhaus zu tragen zwei flankierende, lebensgroße Karyatiden die ,,Brücke" des zweiten Obergeschosses, von der ein Luster in Kandelaberform herabhängt (Abb. 108). Weiter aufwärts (Abb. 108) führt die Treppe des gleichfalls durch eine Verglasung gedeckten Stiegenhauses in das zweite Obergeschoß, wo lediglich balkonartige, offene ,,Korridore" zu den seitlichen Wohnräumen hinführen. Das Mittelstück aber bildet eine einzigartig originelle ,.Brücke"^, ein freier Übergang mit ^ Diese Brücke ist das Absonderlichste an dem eigenwilligen Bauwerk. Da über sie der einzige Zutritt zu den oberen Gemächern führt, mußte sie im Grundkonzept der Architekten gelegen sein und war nicht etwa bloß ein modisches Beiwerk; auch hätte man sie leicht vermeiden können; die V erbreiterung und Betonung ihres freischwebenden Mittelteils legitimieren sie nachdrücklich als Wunschliind. „ I fPvp Mhh-v.., 107. Wien III, Salesianergasse 3a, Grundriß des Erdgeschosses
i 108. Wien III, Salesianergasse 3a, Stiegenhaus (BDA Wellek) beidseitigem „Brückengeländer", gleich dem der Treppe (Abb. III). In ihrem Mittelteil ist diese Brücke etwas verbreitert; darüber hängt, vom monumentalen Deckentram, ein etwas einfacherer kandelaberförmiger Luster zwischen Halle und Stiegenhaus. Das Hauptgesims im zweiten Obergeschoß ist reich in Holz ausgeführt, zierlich geschnitzt und durch brochen; über diesem Gesims wölben sich die etwas überhöhten Glasdächer, ein größeres über der hell geöffneten Halle, ein kleineres über dem Treppenhaus. Im ersten Obergeschoß befinden sich die bemerkenswertesten der noch unveränderten Räumlich keiten. Straßenseitig, westwärts, liegt der große Salon (,,Eßzimmer") mit solider reicher Wandver täfelung, massiv geschnitzten Türumrahmungen, säulenflankiert und von üppigen Supraporten überragt, mit einem edel in Schnitzwerk gefaßten offenen Kamin und einer prunkhaft schweren Kassettendecke (Abb. 110). Gegenüber, im gartenseitigen Osttrakt, liegen die intimen Gemächer, Boudoir, Biumennische und ein Salon mit Loggia. Die in den Bauplänen vorgesehene Vertäfelung und reiche Stuckierung dieser Wände
wurde niemals ausgeführt. Lediglich ein dezenter Stuck an den Plafonds, Glasluster, ein paar Rokoko zierate an den großen Türen verleihen den ruhigen, noch heute vom Lärm der Großstadt verschonten Räumlichkeiten eine zurückhaltende Vornehmheit. Allgemein sind Bauwerke dieser Art heute nicht eben beliebt. Sie sind unpraktisch zu bewohnen, schwer instand zu halten und gelten als geschmacklich abwegig. Eine solche Kritik beruht nicht lediglich auf subjektivem Ermessen, sie läßt sich auch auf struktive Argumente stützen: Sonderbar ist schon das Ausmaß der verbauten Grundfläche, im Mittel 10:32 m. Eigens war die be stehende Normalparzelle 913 im Erbauungsjahr in zwei so schmale Streifen zerteilt worden! Die einzig mögliche Vollverbauung bietet in einem solchen Falle das Zwei-Trakte-Gebäude, Vorder- und Hinterhaus mit einem Hofe dazwischen und einer durchlaufenden Hauseinfahrt. So wurde der Bau auch durch geführt, jedoch raffiniert maskiert und verunklärt (Abb. 107). Straßenseitig wurde ein repräsentativer Hauptrisalit verlangt. Das monumentale Hauptportal war möglichst zentral anzuordnen. Aber der schmallange Grundriß ließ nur eine seitliche Hausdurchfahrt zu. Des Konfliktes unbeschwerte Lösung: Der Hauptrisalit wurde aus drei — von insgesamt vier! — Achsen gebildet, asymmetrisch angelegt und der seitliche Hausflur um eine Achse zur Mitte hingebogen. Die entstehenden ,,blinden" Ecken wurden zu einer Portierloge und zu Rumpelkammern ausgebaut®. Da der feudale Speisesaal (,,Eßzimmer") straßenwärts dreiachsig im Hauptrisalit liegt, mußte die Küche ebenfalls straßenwärts im Erdgeschoß eingerichtet werden. Das ist kaum mehr als eine Verlegenheitslösung. Der Hof des Zwei-Trakte-Gebäudes wurde zum großartigen Treppenhaus und ,,Atrium" gemacht und — als echter Lichthof — von oben her, durch die Glaskuppel beleuchtet. Darüber täuschen die in je einen winzigen Lichtschacht schräg hineingestellten bunten Treppenfenster hinweg, die von außen nur so viel Licht erhalten, um eben noch als Fenster zu wirken und die harte Beleuchtung von oben her scheinbar zu mildern. Die ausgerundeten Treppenhausecken tarnen elegant — eine Notlösung. Bezeichnend ist die Anbringung der kleinen eisernen Servicestiege, der Dienerstiege, unmittelbar neben der großen Haupttreppe. Darin zeigt sich geradezu symptomhaft eine keineswegs mehr organisch gestaffelte, sondern funktionell (und sozial) bereits abrupt gewordene Abtrennung, in der es keine ,,Zwi schenräume" mehr gibt. So führt auch eine prächtige Prunktüre zur — Speisekammer (in die die Gerichte mittels Aufzug aus der ebenerdigen, gassenseitigen Küche heraufkommen). Eine Glanzleistung routinierter Grundrißlösung bietet der ,,Hintertrakt". Der immerhin zehn Meter tiefe Baukörper ist größtenteils nur sekundär — durch die Loggia beziehungsweise durch die Blumen nische hindurch — belichtet; gerade das verleiht dem Salon und dem Boudoir eine außerordentliche Intimität der Abgeschiedenheit. (Nur halb so groß wie der Salon ist die unmittelbar darunterliegende gesamte Portierwohnung!) Die Architekten Z. V. Fellner und Helmer gehörten von 1872—1914 zu den meistbeschäftigten der Monarchie, darüber hinaus schufen sie eine Unzahl zum Teil prominenter Bauwerke im übrigen Europa von Holland bis Rußland. Beide Architekten gingen aus der Schule des Ferdinand Fellner sen. hervor, der es, zumal seit dem Fall der Wiener Basteien 1857 und dem Ausbau der Vororte, zu hohem Ansehen gebracht hatte und der seinem Sohne gute Ratschläge für den sozialen Massenwohnhau geben konnte. Als einen der ersten bewegten ihn die Probleme der Funktion und der ,,passenden Physiognomie", wie er die Sozialanliegen vom Kinderreichtum bis zur Prostitution in den ,,viereckigen Ungeheuern" der Zinshäuser nannte®. Auf Gulden und Heller rechnete er Bauverfehlungen nach, stellte neue Anforde- ® Portierloge und -wohnung liegen somit an entgegengesetzten Enden des Hauses. ® Vor allem kritisierte er die verfehlte Romantik eines R. von Eitelberger und Heinrich Forstel auf das heftigste und zog gegen ihi'e angeblich völlig untechnische und unökonomische, gewissenlos verdienenwollende Bauweise heftig zu Felde. Ferdinand Fellner (sen.), Wie soll Wien bauen? Wien 1860.
" -'Äe: j: • Vr ^ , ^-r - B.ü J V'I 1 '<:''iililtSil'j 109. Wien III, Salesianergasse 3a, Halle (BDA Mejchar) rungen der Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit über die des „Styis" und prangerte „Stylhascherei" und „Stylschwindel" als Abwege der Phantasie an. Er trat bei großstädtischen Projekten für das Großwohnhans ein und lehnte das Kleinhaus als unmoralisch ab'. Seine Einstellung prädestinierte ihn für Theaterbauten. Er errichtete Stadttheater, unter anderem in Wr. Neustadt und Brünn, 1872 das von Direktor Laube selbst ins Leben gerufene Stadttheater in Wien (nach einem Brande als Ronacher vom Sohne wiedererbaut). Seit dem Tode des Vaters schuf Pellner jun. zusammen mit Helmer (aus der gleichen Schule) ähnliche Theaterbauten in Warasdin, Temesvar, Budapest, Augsburg, Reichenberg, Szegedin. Die Ringtheaterkatastrophe 1881 hatte eine neue Theater bauordnung zur Polge, an der Eellner und Helmer maßgeblich mitwirkten und die sie ,,einem Wanderprediger gleich" in aller Welt verkündeten®. Als erstes Theater des neuen Typus entstand das Deutsche Volkstheater in Wien, bald darauf wurden ähnliche Aufträge ausgeführt in Temesvar (Wiederaufbau nach einem Brande), Szegedin (Wiederaufbau nach einem Brande), Karlsbad, Preßburg, Eiume, Odessa, Prag, Zürich (Stadttheater und Tonhalle), Berlin (Unter den Linden), Salzburg (Stadttheater), Budapest und Wiesbaden, wo Fellner und Helmer sogar den Sieg über einen Entwurf Sempers davontrugen. Es folgten Agram, Jassy-Rumänien, Wien (Umbau des Theaters an der Wien), Mainz, Großwardein, Graz, Hamburg (Deutsches Schauspielhaus), Czernowitz, Thorn, Darmstadt, Sofia, Gablonz, Baden bei Wien, Klagenfurt, Teschen — insgesamt 53 ' ,,Am entschiedensten für diese Ansicht dürfte die Stadt New-York sprechen, deren niedliche Häuser aus sittlichen Rücksichten wohl Niemand beneidenswerth finden wird. Übrigens werden in New-York gerade in den letzten Jahren überall sehr große Häuser gebaut. Diese neu auftauchende Bauweise, nach welcher dort umfangreiche Gebäude mit 4—5, ja selbst mit 8 Stockwerken entstehen, wird die altüblichen kleinen Häuser mit 2—3 Stockwerken bald verdrängen." F. Fellner, a. a. O., S. 12. ® ,,Ich konnte keine Nacht mehr verbringen, ohne von Notausgängen, Notlampen und dergleichen zu träumen." Ferdinand Fellner (jun.), Die Entwicklung des Theaterbaues in den letzten fünfzig Jahren. Wien (1909), S. 9. 14 Denkmalpflege
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