Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

- . .■ !äU ÖSTERREICHISCHE ZEITSCHRIFT FÜR KUNST UND DENKMALPFLEGE ÖSTERRE ICH I SCH ES BUNDESDEN K MALAMT VERLAG ANTON SCHROLL&CO WIEN-MÜNCHEN

ÖSTERREICHISCHE ZEITSCHRIFT FÜR KUNST UND DENKMALPFLEGE (Jahrgang 1/1947 —V/1951 ist als „Österreichische Zeitschrift für Denkmalpflege" erschienen) In Nachfolge der einstigen „Mitteilungen der Zentralkommission für Denkmalpflege in Wien" Herausgeber: Österreichisches Bundesdenkmalamt • Redakteure: Walter Frodl und Otto Demus XIII. JAHRGANG 1959/HEFT 2 INHALT Wolfgang Götz: Zur Denkmalpflege des 16. Jahrhunderts in Deutschland / Jan van der Mellen : Die baukünstlerische Problematik der Salzburger Franziskanerkirche / Eugen Philippovich-Philipi'SBEbg : Der Konterfettenbecher — eine Arbeit der Zick-Werkstätte Oswald Trapp: Zur Geschichte der Innsbrucker Triumphpforte / Buchbesprechungen Aktuelle Denkmalpflege: Steiermark. Burgenland, Tirol, Kärnten, Wien Die Zeitschrift erscheint jährlich in 4 Heften Es wird gebeten, Einsendungen an die Redaktion der Zeitschrift im Bundesdenkmalamt, Wien I, Hofburg, Schweizerhof, Säulenstiege, zu richten Bezugspreis: Jährlich 4 Hefte S 80.— Anzeigenannahme durch den Verlag • Printed in Austria VERLAG VON ANTON SCHROLL & CO. IN WIEN

'•""i.uyr» »KSUto m i I^tJ * 1.' "•i 42. Worms, Dom mit dem dem alten Bestand angepaßten Nordwestturm (Foto Marburg) Hin '-»ISmSÄv mmm 43. Xanten, Dom, im 14. und 16. Jh. in spätromanischen Formen erhöhte Türme (Ehem. staatl. Bildstelle, Berlin) Wolfgang Götz ZUR DENKMALPFLEGE DES 16. JAHRHUNDERTS IN DEUTSCHLAND Zwei Auffassungen bestimmen allgemein die Anschauung von der Entwicklung der Denkmalpflege: 1. Die Denkmalpflege sei ein Ergebnis der geistesgeschichtlichen Bewegung der italienischen Renaissance und setze ein mit dem Erwachen des historischen Interesses, das zu einer höheren Bewertung antiker Ruinen führte. 2. Die moderne Denkmalpflege sei überhaupt erst ein Kind der Romantik und werde auch erst seit dem 19. Jahrhundert planmäßig betrieben. Beide Auffassungen - so richtige Einsichten sie bergen - lassen sich nicht mehr voll vertreten, wenn wir die Geschichte der Denkmalpflege über das 19. Jahrhundert und die Renaissance hinaus zurückverfolgen. Akte von Denkmalpflege, auch planmäßig betriebener Denkmalpflege, finden wir bereits in der Spät antike. Auch das Mittelalter kennt bereits Fälle von Denkmalpflege, bei denen offenbar die Stilverbind lichkeit des historischen Bestandes erfaßt und aus überwiegend ästhetischen Gesichtspunkten anerkannt wird. So war 1429 der Nordwestturm des Domes in Worms eingestürzt. 1472 beginnt man mit dem Neubau. Der Turm wird dem alten Bestände im ganzen angepaßt (Abb. 42), obwohl alle Einzelformen durchwegs spätgotisch sind: anstelle der Lisenen des Südwestturmes finden wir Fialen mit Kreuzblume und Krabben, 6 Denkmalpflege

44, Bremen, Dom, Blick in das erweiterte nördliche Seiten- und Querschiff (R. Stickelmann, Bremen) 1^^ 1 H Wir müssen also mit einer Wirksamkeit ästhetischer nehmen. 44. Bremen, Dom, Die in Naumburg und Worms festgestellte Gesinnung Blick in das erweiterte nördliche Seiten-und Quersohiff beim Dom VOn Xanten ins 16. Jahr- . rv i r>( i hundert herein. Hier hatte bereits um 1380 der büdtürm ein sechstes Stockwerk erhalten, das sich den spätromanischen Formen der früheren Geschosse eng anschloß (Abb. 43). 1519-1522 erhält nun auch der Nordturm sein letztes Obergeschoß, das sich wiederum eng an das Vorbild des entsprechenden Geschosses am Südturm anlehnt. Wieder wird so - trotz der Anwendung gotischer Einzelformen - eine im ganzen völlig geschlossene und einheitliche Wirkung erreicht, die zweifellos künstlerische Absicht ist und der Tradition von eineinhalb Jahrhunderten entspricht^. Bei den stilangleichenden Neubauten von Worms und Xanten handelt es sich also hinsichtlich der Methode um ein Weiterwirken bereits dem Mittelalter bekannter Möglichkeiten von Denk malpflege. In der vorzugsweisen Auswahl romanischer Vorbilder aber haben wir es mit einer vom 15. ins 16. Jahrhundert herüberwirkenden ersten Welle des Romanisierens in der Denkmalpflege zu tun. Gleich nach der Jahrhundertwende (1502) beginnt Cord Poppelken das nördliche Seitenschiff des Bremer Domes neu zu erbauen. Der Umbau erstreckt sich bis 1522 (Abb. 44). Poppelken erweitert zunächst das nördliche Seitenschiff um seine ehemalige Breite und führt es dann bis fast zur Mittel schiffshöhe empor, so daß hier ein hallenartiger Raum entsteht, den er mit einem Netzgewölbe abschließt. Die bisherigen Dienstkapitelle verwendet er an den neuen Diensten weiter und ergänzt die fehlenden Kapitelle in fast genauer Kopie nach den spätromanisch-frühgotischen Kelchblockkapitellen, übernimmt und ergänzt die Rundbogenfriese und wiederholt auch das spätromanische Motiv des Laufganges an der neuen Außenwand des Domes: ein archaisierend-kopierendes Verhältnis also zum alten Bestand, wie wir es in dieser Eindringlichkeit bisher noch nicht kennenlernten^. 1504 wird in Görlitz das Heilige Grab vollendet. Wenn es sich dabei auch nicht um ein Beispiel von Denkmalpflege handelt, so zeigt doch die fast völlig getreue Kopie des Heiligen Grabes in Jerusalem (erbaut um 1030) die gleiche archaisierend-kopierende Haltung. Es ist nun interessant, daß sich auf einem in Görlitz 1578 für den Erbauer des Heiligen Grabes errichteten Denkmal die Behauptung findet: der ^ Vgl. C. J. H. Villinger, Kirchenwiederherstellungen in Worms in Notzeiten früherer Jahrhunderte, in: Das Münster 1, 1947/48 (7/8), S. 229. ^ R. Klaphek, Der Dom zu Xanten und seine Kunstschätze. 2. Aufl. Berlin 1941, S. 14—15. ® H. Rosenau, Zur Baugeschichte der beiden Metropolitan-Kirchen des Erzbistums Hamburg-Bremen, Teil III, in: Die Denkmal pflege 1932 (3), S. 93.

bezeig nend erscheinen. Das vergleichsweise archäologische ^g Roermond, Liebfrauenkirohe, Formeninteresse, eine Stilkenntnis auch als Bildungs- Grabmal des Grafen Gerhard III. von Geldern ... , 1-1. j und der Margareta von Brabant erlebnis, ist in dieser Art in der Geschichte der Marburg) Denkmalpflege in Deutschland zuvor nicht festzu stellen. Darin liegt tatsächlich das Neue der Denkmal pflege im 16. Jahrhundert: in dem aus offenbar künstlerischem Interesse heraus erwachsenen Ver ständnis für historische Formen, die man nun aus der Distanz geschichtlicher Betrachtung heraus zu erfassen vermag. Diese archäologische Welle des Romanisierens in der Denkmalpflege des 16. Jahrhunderts dauert mit ihren späten Leistungen bis in die zweite Hälfte des Jahrhunderts, wie die Stiftskirche in Qued linburg zeigt. 1571 wird die Südwand des Südquerschiffes nach Beschädigungen in ihren alten Formen neu aufgeführt (Abb. 46). Wir könnten diese Restaurierung kaum feststellen, erführen wir nicht davon durch eine an der Innenseite angebrachte Inschrift (Abb. 47). Solche Restaurierungsinschriften - wie sie schon in der Spätantike und im Reiche Theoderichs d. Gr. allgemein üblich waren - finden sich seit der Renaissance häufiger in der deutschen Denkmalpflege (z. B. Hildesheim, St. Godehard) und lassen auch vom Text her erkennen, daß man die Wiederherstellung als verdienstvolle Tat versteht®. Zeigte sich schon bei allen bisherigen Beispielen eine besondere Vorliebe des 16. Jahrhunderts für die Romanik, so wird das Problem der stilbedingten Auswahl besonders deutlich im Zusammenhang mit der Wiederverwendung von Portalen. Seit dem 15. Jahrhundert bereits werden romanische Portale mit besonderer Vorliebe in Neubauten übernommen. Das bleibt auch im 16. Jahrhundert so. Bis in die Siebziger]ahre des 16. Jahrhunderts hinein ist mir kein einziges Beispiel der Wiederverwendung eines * A. Schippers, Das Stiftergrab in der Liebfrauenkirche in Roermond, in: Zs. f. bild. Kirnst .59, 1925/26, S. 288ff. 5 Interessant ist, daß auch das 18. Jh. an diesem Bau romanisierende Denkmalpflege betrieben hat: 1708-1711 wird unter Aurora von Königsmarck die Südwand des südl. Seitenschiffes wegen Fundamentschäden etwas nach Süden herausgerückt und in schlichten romanisierenden Formen wieder aufgebaut. Wieder überliefert eine Restaurierangsinschrift die denkmalpflegerische Tat. A. Brinkmann, Beschr. Darstellung d. älteren BKD des Kreises Quedlinburg, Berlin 1922, S. 88. 45. Roermond, Liebfrauenkirche, (Foto Marburg)

P? 1 ? '••- L .•^«-. ' »"•VvI' e '-^1 >"'>» >■ '^ISr^' ^ ■-■ ■ -■>-"' «5 Oben: 46. Quedlinburg, Stiftskirche von Südosten, die Südwand des Querschiffes nachträglich ausgeführt (Deutsche Fotothek, Dresden) hoch- oder spätgotischen Portales bekannt geworden. Die Stilbedingtheit der Denkmalpflege wird so besonders deutlich: jede Zeit erhält und pflegt nur das ihr Gemäße®. Nach der Mitte des 16. Jahrhunderts beginnt eine Phase der Auseinandersetzung mit romanischen Formen, die sich grundsätzlich von den beiden bisher besprochenen unterscheidet: Der romanische Bestand wirkt nicht mehr stilverbindlich und regt nicht mehr zu stilangleichender oder stiltreuer Denk malpflege an, sondern der romanische Bestand wird der modernen Stillage untergeordnet. Zwar werden 1580 in Leitzkau am sog. Althaus des Schlosses drei romanische Säulen des ehemaligen Kapitelsaales wiederverwendet und auch das Kapitell der östlichen Säule nach einigen Überlieferungen stiltreu restauriert, aber der gesamte romanische Bestand wird nun einer dreigeschossigen prachtvollen Loggien fassade in reinen Renaissanceformen eingefügt, so daß er völlig im neuen Bestand aufgehth « An zwei bekanntere Beispiele von Portalwiederverwendungen sei nur kurz erinnert: 1529 wird in Breslau die Vincent-Kirehe auf dem Elbing abgebrochen. Das Portal wird 1546 an die Südseite der Magdalenenkirche versetzt, dabei sollen die inneren Kämpfer (nach Tintelnot) ergänzt worden sein. Vgl. H. Tintelnot, Die mittelalterliche Baukunst Schlesiens, Kitzingen 1951, S. 354, Anm. 11. — 1563 werden zwei Portale aus Kloster Altzelle nach Nossen verbracht. Das Kloster Altzelle war nach seiner Auflösung in der Reformation rasch verfallen und durch Blitzschlag weiter zerstört worden. So kommt der Kurfürst von Sachsen einer Bitte der Stadt Nossen um Material für den Neubau der durch Brand zerstörten Stadtkirche von Nossen nacn. Eine ganze Reihe von Werkstücken aus Altzelle wandert so nach Nossen, unter anderem das Portal des Sommerrefektoriums und das I'ortal des Gast hauses. Sie finden in Nossen - wie später besonders betont wird - weiterhin Verwendung zu würdigen, frommen Zwecken. Vgl. Joh. Conr. Knauth, Geographisch-historische Darstellung des Stiftsklosters zu Alten-Zella . . . Leipzig und Dresden 1721, Teil V 50, S. 81-84. C. Gurlitt, Das Zisterzienser-Kloster Altenzella, Dresden 1922, S. 14-15, 59. - Eine soeben vollendete Leipziger Dissertation von H. Magirius zum Kloster Altzelle ist mir nicht mehr zugänglich gewesen. ' E. Wernicke, Beschr. Darstellung d. älteren. BKD d. Provinz Sachsen, Heft 21, Kreis Jerichow, Halle/S. 1898, S. 154-155. - E. V. Niebelschütz, Das Schloß in Leitzkau. Monatsbl. der Magdeburger Zeitung 77, 1935 (28), S. 217-220.

,, ii- 1 - fi, II 48. Freiburg, Münster. Reiiaissancevorhalle (Kunstanstalt Gebr. Metz, Tübingen) Am Ende der Renaissance in Deutschland - nun schon am Anfang des 17. Jahrhunderts - kann man der Südseite des romanischen Südquerschiffes am Freiburger Münster eine Renaissance-Vorhalle vorlegen (Abb. 48). Doch zeigt sich dann auch hier, daß beide Stile einander nicht ausschließen. Was auf den ersten Blick als stilwidrige Kühnheit erscheint, versöhnt dann schließlich durch eine nicht zu leugnende Logik - weder eine neuromanische noch eine gotische Vorhalle möchten wir uns vor dieser klaren romanischen Fassade wünschen. Kein Zufall im übrigen, daß der Erbauer dieser Renaissance-Vorhalle vor einer romanischen Fassade im Steinfiligran der Maßwerkbrüstung auch gotisiert: die archäologisch-wissen schaftliche Beherrschung der Formenmöglichkeiten hat sich zur kongenialen künstlerischen Selbst behauptung gewandelt. Damit weist die dritte Welle einer ,,romanisierenden" Denkmalpflege im 16. Jahrhundert bereits hinüber in den Barock. Wir dürfen in der Geschichte der Denkmalpflege das 16. Jahrhundert nicht allein unter dem Gesichts punkte der Auseinandersetzung mit der Antike sehen. Es wirkt in diesem 16. Jahrhundert sehr viel Mittelalterlich-Bodenständiges mit: in der ersten Jahrhunderthälfte nachlebendes und auslaufendes Mittelalter, in der zweiten Jahrhunderthälfte bereits wieder bewußt aufgenommenes Mittelalter. Wir kommen diesem Problemkreis näher, wenn wir einmal nicht mehr nach der Methode der Denkmalpflege - ihrer formalen und technischen Seite - fragen, sondern nach dem Motiv der denkmalpflegerischen Tat. Wenn wir uns von der Bildseite der Denkmalpflege gleichsam ihrer Sinnseite zuwenden. Gerade in den Zeiten geistigen und sozialen Umbruchs wird dann deutlich, wie auch die Denkmalpflege nicht nur ein Stilphänomen - eingebettet in die Zeitstilwellen — darstellt, sondern zugleich unmittelbare Aussage zum aktuellen Geschehen der Zeit bedeutet. Wer unvorbereitet vor die Statue des Paulus am Mittelpfeiler des Paradiesportales im Dom zu Münster (Abb. 49) tritt, wird zweifellos zunächst glauben, vor einer spätromanischen Skulptur innerhalb eines gleichzeitigen zyklischen Zusammenhanges zu stehen. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Arbeit um 1537. 1534-1535 war das Portal durch die Wiedertäufer stark beschädigt worden. 1536 erhält Hans

Brabanter den Auftrag, das Portal wiederherzustellen. Vor dem erneuerten oder in dieser Form über haupt erstmalig errichteten Türmittelpfeiler stellt Brabanter diesen Paulus auf. Der Türsturz besteht aus älteren, dem Dom entstammenden ,,echten" Reliefstücken des 13. Jahrhunderts. Am Mittelpfeiler finden wir eine für die Zeit bezeichnende Zusammenstellung der Kassetten: spätgotisches Maßwerk tritt noch auf neben völlig echt wirkenden romanischen und typischen Renaissance-Motiven®. Im ganzen also eine uns nicht mehr sonderlich überraschende Leistung der Denkmalpflege jener archäologischen zweiten Phase und insoweit offenbar bester Ausdruck von Denkmalpflege im Sinne von Renaissance und Humanismus. Wir müssen jedoch auch den hohen Bedeutungsgehalt dieses Portales erkennen, um dessentwillen es ja zerstört und um dessentwillen es sofort wieder in möglichst,,echten" alten Formen erneuert wird. Das ist eine Beobachtung, die wir geradezu verallgemeinern können; zu allen Zeiten erfolgen Wiederherstellungen nach gewaltsamer Zerstörung und willkürlichen Eingriffen möglichst getreu. Denkmalzerstörung und Denkmalpflege gehören dann als elementare politische Willensäußerungen eng zusammen. Diese antihumanistischen Akte der Zerstörung von Kunstwerken trotz ihres Kunstwertes, allein um ihres Bedeutungsgehaltes willen, sind urmittelalterlich. Bezeichnend ist, daß es zu solchen Akten am wenigsten in den Pflegestätten humanistischer Geisteshaltung kommt: man denke an Straßburg, wo im Zuge der Reformation die Ausräumung des Münsters unter straffster obrigkeitlicher Kontrolle erfolgt. Die zu beseitigenden Kunstwerke werden säuberlich abgebrochen, bei Nacht - um alles Aufheben zu vermeiden - hinweggeschafft und z.T. an unauffälligem Orte aufgestellt. Alle willkürlichen und eigen mächtigen Zerstörungen werden mit strengen Strafen geahndet®. Auch was an sich als bezeichnende Tat des 16. Jahrhunderts erscheint, ist also oft zutiefst mittelalterlich gebunden. So z. B. die 1577 erfolgte Versetzung der sog. ,,Schönen Tür" von Hans Witten aus dem ehem. Franziskanerkloster in Annaberg im Erzgebirge an die dortige St. AnnenkircheDie Tür wird erst versetzt, nachdem man ,,etliche abgöttische Bilder daran geändert hatte". Das ist die zeitgemäße Form des ,,Exorzisierens", wie es das Mittelalter betrieh. Ohne diesen gewaltsamen (hier relativ geringfügigen) Eingriff in den Bedeutungsgehalt der Tür als ehemalige Ablaßpforte wäre aller Einsicht in die künst lerische Qualität zum Trotz eine Weiterverwendung nicht möglich gewesen. Die Geschichte der Denkmalpflege aller Zeiten ist randvoll von ähnlichen Beispielen. In einem nun viel tieferen Sinn erfüllt sich damit der Satz: jede Zeit erhält und pflegt nur das ihr Gemäße. Das wird überraschend deutlich im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts mit der so auffallend zunehmenden Vor liebe für die gotische Formen weit. Fragen wir abermals nach den Portal Wiederverwendungen: Für den ganzen Zeitraum vom späteren 16. Jahrhundert bis etwa 1630 werden nur ganz wenige romanische Portale wiederverwendet, während die stilbedingte Auswahl folgerichtig zahlreiche gotische Portale versetzt, ergänzt, ja aus alten Bruch stücken überhaupt neu zusammensetzt. Wenn bereits 1557 die gotische Formenwelt als ,,kirchisch" bezeichnet wird^^, so ist hier mitten im 16. Jahrhundert die Einsicht in den Bedeutungsgehalt der einzelnen Formen und des ganzen Denkmals offensichtlich noch immer lebendig. Die Wiederaufnahme der gotischen Formenwelt aber im späteren 16. Jahrhundert erhält dann im Zusammenhang mit der Gegenreformation und der orthodoxen Erstarrung des Luthertums eine geradezu programmatische Bedeutung: ist Re-actio im doppelten Sinne gegen die humanistischen Bezüge des früheren 16. Jahr hunderts. So darf auch der Sakristeianbau an der Wenzelskirche in Naumburg a. d. Saale von Konrad Steiner um 1600 (Abb. 50) nicht nur als Nachgotik im Sinne Kirschbaums^^, als Stilverspätung und provinzielles Nachleben begriffen werden. Die Formen sind vorzüglich nachempfunden bis in die - der Zeit keineswegs mehr selbstverständliche - Quadertechnik hinein. Zweifellos handelt es sich um eine ® L. Rohling, Veränderungen im Paradies des Domes zu Münster, in; Westfalen 18, 1933, S. 238-244 mit Abb. ' Vgl. J. Ficker, Das Bekenntnis zur Reformation im Straßburger Münster, Theol. Studien und Kritiken 109, Heft 1, Leipzig 1911, S. 6-8 und 14—1,5. Steche, Beschr. Darstellung d. älteren BKD d. Kgr. Sachsen, Heft 4, Dresden 1885, S. 16 und 49. Vgl. H. Ladendorf, Wiederaufnahme von Stilformen in der bildenden Kunst des 15.-19. Jhs., in: Forschungen und Fortschritte 25, 1949 (9/10), S. 98-101. - E. Bachmann, Balthasar Neumann und das Mittelalter, in: Stifter-Jb. 3, 1953, S. 135. E. Kirschbaum, Deutsche Nachgotik, Augsburg 1930.

ppvfeSti,"' m/f/ jfihiT- ik ^ ■ .;: 49. Münster, Dom, Paradiesportal (Landesdenkmalamt Westfalen) 50. Naumburg, Wenzelskirche, Sakristeianbau um 1600 (Dr. W. Götz, Saarbrücken) absichtsvolle Auswahl, denn bei seinen Einbauten im Inneren der Kirche zeigt sich Steiner als völlig sicher in der Beherrschung der modernsten Formenmöglichkeiten der Renaissance. Was uns jetzt in der Denkmalpflege (z. B. auch in Lauenstein im Erzgebirge) begegnet als Bevorzugung gotischer Formen, ist nicht unbedingt etwas Zweitklassiges, nicht Stilverspätung und provinzielles Nachhinken, sondern steht zumeist auf der vollen Höhe der Kunstleistung dieser Zeit. Archäologisch getreue Bewältigung der historischen Formen verbindet sich mit handwerklicher Tradi tion, die soeben noch die Möglichkeiten gotischer Werktradition bereithält für eine Zeit, die allenorts absichtsvoll auf das Mittelalter zurückgreift. Daß die ,,Echtergotik" oder die Jesuitenbauten des Rhein landes selbstverständlich stilecht restaurieren, überrascht somit nicht mehr. Am Ende der Epoche stehen die ersten Projekte zur gotischen Vollendung der großen Dome: Wien 1632, Köln 1654, in beiden Fällen nachweisbar programmatische Akte der Gegenreformation^®. Man darf diese Einsicht in die psychologische Wirkung traditioneller Bindung nicht dem neuen Geschichtshewußtsein der Renaissance allein zuschreiben wollen. Sie ist erbeblich älter. Die Denkmalpflege des Mittelalters ist überhaupt nur von der Seite einer absichtsvollen traditionellen Bindung aus Gründen der Legitimation und Repräsentation her zu hegreifen. Immer rührt die Frage nach dem Bedeutungs gehalt an das Kernproblem der Denkmalpflege aller Zeiten. Wenn das in der Vergangenheit zu wenig gesehen wurde, so liegt das wohl an der einseitigen Betrachtung der Denkmalpflege unter dem Blick winkel von Humanismus und Renaissance: Das neue historische Distanz-Bewußtsein der Renaissance hat zwar die Beschäftigung mit der Antike wie mit einem Studienobjekt schließlich ermöglicht und damit H. Tietze, St. Stephan, Österr. Kunstto2:»ographie 23, Wien 1931, S. 52 und Anm. 1. — H. Lützeler, Der Kölner Dom in der deutschen Geistesgeschichte. Akadem. Vorträge und Abhandlungen 12, Bonn 1948, S. 6—7.

allgemein die Grundlage zu einer neuen gleichsam archäologisch-wissenschaftlichen Bewältigung des historischen Formenhestandes geschaffen. Aber damit wird eben nur eine Seite der Denkmalpflege erfaßt. Die Einsicht in den Bedeutungsgehalt der einzelnen Formen und schließlich des Denkmals selbst bestimmt auch durch das ganze 16. Jahrhundert hindurch oft die denkmalpflegerischen Handlungen und wird nur zeitweise überlagert von einem vor allem dem Kunstwerke geltenden Interesse. Seit dem 16. Jahrhundert - und darin liegt die besondere Bedeutung dieses Jahrhunderts - be stehen in der Denkmalpflege die formal-ästhetischen und die gleichsam ideologischen Anliegen nebeneinander. Wenn wir uns das klarmachen, erscheint die Absage des 20. Jahrhunderts an die Denkmalpflege des 19. Jahrhunderts zutiefst geschichtlich sinnvoll, ist Rückbesinnung auf die Denkmalpflege des 16. bis 18. Jahrhunderts. Das 19. Jahrhundert aber wäre dann unter solcher Sicht nicht mehr das Jahrhundert der Denkmalpflege schlechthin, sondern im Gesamtahlauf der Geschichte der Denkmalpflege eine - zweifellos hochbedeutende und in sich abermals gegliederte - Episode. Doch diese Gedanken liegen bereits weit außerhalb unserer kurzen Betrachtung. Jan van der Meulen DIE BAUKÜNSTLERISCHE PROBLEMATIK DER SALZBURGER FRANZISKANERKIRCHE Baukünstlerische Systematik als Hilfsmittel für die baugesehichtliche Analyse Die Errichtung des spätgotischen Hallenchors an dem spätromanischen Langhause der Franziskaner kirche in Salzburg hat die Architekturhistoriker vor eine grundlegende Entscheidung gestellt. Wenn der heutige Zustand dem Plan des 15. Jahrhunderts entspricht, das heißt, wenn nur der Neubau des Chores allein vorgesehen war, dann ist damit zu rechnen, daß die „barocke" Lichtwirkung (des hellen Chores gegenüber dem dunkel gehaltenen Langhause) beabsichtigt war^. Wenn dagegen ein Neubau der ganzen Kirche von Anfang an vorgesehen war, von dem nur der Chor zur Ausführung gekommen ist, dann ist die malerische Wirkung eine zufällige Erscheinung und darf nicht als Charakteristikum des Stils angesprochen werden^. In dieser Frage spielt der tief eingezogene Chorbogen, der den neuen Chor von dem alten Langhause trennt, eine entscheidende Rolle: durch ihn wird der Helldunlcelkontrast wesentlich gesteigert. Sollte er dem alten Langhause angehören^, dann ergäbe sich diese Lichtwirkung als bloßer Zufall aus den 1 A. Biegt Salzburgs Stellung in der Kunstgeschichte, Augsburg/Wien 1903, S. 9ff.; E. Hanfstaengl, Hans Stethaimer, Leipzig 1911, S. 381'.; G. Dehio, Geschichte der Deutschen Kunst, II. Band, Berlin/Leipzig 1921, S. 158; W. Gross, Hans Stethaimer, in: „Württemberg", V (1933), Stuttgart 1933, S. 83; P. Baldass, Hans Stethaimer, ungedruckte Disser tation, Wien 1946, S. 77ff.; E. Petrasch, „Weicher" und ,,eckiger" Stil, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, XIV (1951), S. 24. ® Ad. B. von Steinhäuser, Über Kirchenbau in Salzburg, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, XXIII (1883); H. Tietze, Österreichische Kunsttopographie, IX, Wien 1912, S. 74; F. Martin, Salzburg, Wien/Augs burg 1928, S. XIII; F. Fuhrmann, unveröffentlichte Wiener Dissertation, von Baldass, a. a. O., S. 63 und 77, ohne Titel zitiert; F. Martin, Franziskanerkirche zu Salzburg, Kleiner Kunstführer, Schnell und Steiner, München (nach 1938), S. 5; W. Buchowiecki, Die gotischen Kirchen Österreichs, Wien 1952, S. 119; H. Keller, Salzbure, München/Berlin 1956, S. 15f. ® ' ^ Dieser Vermutung wird dadurch Gewicht verliehen, daß sein flacher Spitzbogen demjenigen der romanischen Hauptarkade annähernd entspricht.

I V ' I V I ' r::Q:;::?^/-;:g::;;Q:;::g:;;i!^ /' ' ' \ / t I "'s ^ ' ' \ / I I ' I 1 ' I / ' ' \ I \ ^ II \ / ( \ '' II \ '' Ii \ i / II >< II \ X II / II 51. Salzburg, Franziskanerkirche Gegebenheiten. Gehört er aber dem Bau des Chores an, dann muß seine ungewöhnlich tiefe Einziehung ein bewußter Beitrag zum Chiaroscuro sein. Eine eingehende Auseinandersetzung mit der zitierten Literatur ist hier weder möglich noch notwendig. Vielmehr soll versucht werden, die verschiedenen Möglichkeiten aus dem Baubefund selbst endgültig festzulegen, und damit den Geltungsbereich der verschiedenen ästhetischen Behauptungen einzu schränken. Franz Fuhrmann weist darauf hin^, daß die Maße des Chores auf die Länge des alten Langhauses Rück sicht nehmen: ein Chorjoch entspricht genau einem Viertel des Langhauses. Dieses ist, von der Planung aus gesehen, ein überzeugendes Argument für die Annahme, daß der erste Meister, wohl Hans von Burghausen, mit der Möglichkeit eines Langhausumbaues wenigstens gerechnet hat. Es gelingt Baldass in seiner Dissertation nicht, diese Tatsache zu widerlegen. Die Geldstiftung von 1429 ,,zu dem paw des Chors by der pfarr"® besagt, insoweit solche Urkunden überhaupt zuverlässig sind, nicht mehr, als daß ein Chor im Bau war, bestenfalls, daß zu dieser Zeit auf den Neubau des Langhauses verzichtet worden war. Gegen diese Urkunde stehen zwei andere, frühere®, wobei nur von dem ,,paw" die Rede ist, ohne daß der Chor besonders erwähnt wird. Jedenfalls ergibt sich aus den Urkunden nichts, woraus wir etwas über das ursprüngliche Bauvorhaben entnehmen könnten. Aus den Maßverhältnissen will Baldass wiederum den Schluß ziehen, daß Hans von Burghausen für die Franziskanerkirche nur mit dem Bau eines neuen Chores beauftragt war^. Er bemüht sich auf diese Weise zu zeigen, daß die außergewöhnliche Höhe und geringe Breite des Chormittelschiffes nur durch die geringe Tiefe ausgeglichen wird, und daß in einer sechsjochigen Kirche diese ,,übersichtliche Harmonie .. . völlig verloren gehen" würde. Hierbei wird aber eine sehr wichtige Tatsache nicht berücksichtigt, nämlich: der Salzburger Entwurf ist der einzige, bei dem der Raum zwischen den Strebepfeilern in voller Höhe dem Innenraum zugute kommt. Diese neuen Raumteile zur Seite des normalen dreiteiligen Grundrisses betonen die Querachsen der einzelnen Joche außerordentlich und erfordern eine durch- ^ In der unveröffentlichten Wiener Dissertation von Fuhrmann festgestellt; von Baldass (Dissertation, S. 63 und S. 77) zitiert; von Martin (Kleine Kunstführer, S. 5) aufgegriffen. ^ Hanfstaengl, a. a. O., S. 12. ® Hanfstaengl, a. a. O., S. 12. Dissertation, S. 82 ff. 7 Denkmalpflege

greifende neue Lösung der Längs- und Höhenverhältnisse®. Statt querrechteckig werden zum Beispiel die Mittelschiffsjoche quadratisch, das heißt: die Längsrichtung der Mittelschiffs]oche gewinnt entscheidend an Bedeutung gegenüber dem Quermaß®. (Die Proportionen der Seitenschiffe sind denen des Mittel schiffes, die das Hauptproblem bilden, untergeordnet.) Zu dem Höhenmaß kann im allgemeinen gesagt werden: die Gesamthöhe entspricht annähernd der Gesamtbreite. Ohne diese Höhe wäre die Nischen bildung an den Außenwänden künstlerisch unbefriedigend gewesen, oder die Breite hätte unangenehm stark gewirkt - ein Prinzip, das bei Hans von Burghausen als grundlegend angesehen werden darf. Das zwingendste Gegenargument zu der These von Baldass ist aber, daß die Kirche in Wasserburg (von demselben Meister) sogar längsrechteckige Joche hat und dadurch Proportionen erhält, die sich gar nicht in seine Tabelle (S. 85) unterbringen ließen. Die Frage der Proportionen braucht hier nicht eingehender erörtert werden, weil daraus keine eindeutigen Ergebnisse zu gewinnen sind. Zuletzt sieht Baldass in der Übereinstimmung der Chor- und Langhausbreite einen zwingenden Beweis für die Abstimmung des Chores auf das beizubehaltende Langhaus^®. Da diese Tatsache ebensogut auf die Absicht, die Fundamente des alten Langhauses wiederzuverwenden, gedeutet werden könnte, kann sie ebensogut als Argument für die Gegenthese gelten. Sollte das nicht der Fall sein, dann muß noch immer damit gerechnet werden, daß Besitzrechte den Neubau auf die Breitenausdehnung des alten Baues beschränkt haben. Wiederum gewinnen wir hiermit keine ,,reale Grundlage" zur Lösung des Kern problems. Damit sind die bisherigen Argumente gegen die ursprünglich geplante sechsjochige Kirche widerlegt. Dennoch wird die Wahrscheinlichkeit der Wiederverwendung der alten Fundamente im Chor, und deswegen auch der des Langhauses, aufgehoben durch eine ganz einfache Tatsache. Es ist bisher von allen Beschreibungen und Studien über die Franziskanerkirche unberücksichtigt geblieben, daß die Chorachse schräg zu der des Langhauses verläuft. Das fällt schon rein optisch auf: Beim Eintritt von Westen sind von der Langhausachse aus die südlichen Chorfreipfeiler sichtbar, während die nördlichen Pfeiler vom Chorbogen überschnitten werden (Abb. 52); ebenso bemerkt man beim Weiter gehen, daß der Gewölbescheitel des Chormitteljoches links vom Scheitel des Chorbogens liegt. Zunächst scheint es, als seien diese Unstimmigkeiten nur dadurch bedingt, daß der Chorbogen nach Süden ver schoben ist, das heißt, daß der nördliche Chorbogenpfeiler breiter ist als der südliche. Orientiert man sich aber im Langhaus optisch nach der Achse des Chores - dies ergibt sich bei gleicher Überschneidung des östlichen Chorpfeilerpaares durch das westliche - dann fällt es sofort auf, daß der Chorbogen auf diese Achse abgestimmt ist (Abb. 53). Dies erklärt seine Verschiebung gegenüber dem Langhaus. Jetzt ist auch zu sehen, daß der Gewölbescheitel des Mitteljoches des Chores sich mit dem Scheitel des Chorbogens deckt. Der Chorbogen ist ohne Zweifel erst nach der Errichtung aller Chorfreipfeiler eingezogen worden, und zwar mit der Absicht, die Achsenabweichung optisch zu korrigieren. Seine Aufgabe ist einmal, die unterschiedliche Mittelschiffsbreite zu verdecken und dann den Knick in den Pfeilerfluchten von Chor und Langhaus zu verschleiern. ® Es ist eben die Auseinandersetzung mit diesem Problem, die den Meister dazu bewegen hat, die Freipfeiler aus der Achse der nach innen gezogenen Strebepfeiler zu verschieben, und zwar jeweils nach Osten. Dieses von der bisherigen Literatur unberück sichtigte Moment bewirkt eine grundlegende Schwächung der Querachsen und eine Betonung der Längsrichtung. Es besteht nun überhaupt keine gerade geführte Querachse mehr; ebenfalls durch diese Verschiebung nach Osten wird der Blick in die Seitenräume gesperrt und verunklärt. Es entsteht ein Zug von Westen auf den Altar zu, der nur in einer vollendeten sechsjochigen Anlage seinen vollen Sinn bekommen hätte. Wäre es das Bestreben des urspn.mglichen Entwurfes gewesen, einen ,,angegliederten" Zentralbau vorzutäuschen (Baldass, S. 86), dann wäre die gleichmäßige Bildung der Längs- und Querachsen als Grundlage des Entwurfes zu erwarten. Ein weiteres wichtiges Moment unterstützt diese Auffassung der Querachsen. Dagobert Frey ist der Meinung (nach einer Bespre chung mit Baldass, Dissertation, S. 56), daß die Gewölbe der Seitenräume oder ,,Nischenkapellen" nach dem ursprünglichen Plan von den Gewölben des Hauptraumes durch Scheidbögen getrennt waren. Wir müssen uns dieser Meinung anschließen, da die flankierenden Dienste an den Kapellenwänden in den geraden Jochen anders nicht zu deuten sind. (Diese Dienste waren nach der Planänderung nicht höher geführt worden und hören jetzt in der barocken Ummantelung der Seitenkapellen auf. Der jeweils westlichste läuft jedoch leer aus; bei Tietze, a. a. O., S. 88, Abb. 118, abgebildet.) Dies würde wiederum bedeuten, daß im Plan des ersten Meisters die Querachsen in dieser Weise abgeschwächt waren, da die Seitenräume, wie Baldass es ausdrückt, ,,selbständig für sich existierende Baumteile" sein würden. Erst nach dem Planwechsel, durch den sich der Zentralraumcharakter ergab, wurde dieses die Längsrichtung betonende Moment aufgegeben. ^ Wäre der quadratische Grundriß des Mitteljoches des Chores als ein Beitrag zur Zentralisierung des Raumes aufzufassen, dann wäre er entschiedener im Sinne der Großräumigkeit behandelt worden. Der Architekt bemüht sich aber, dies Joch einzuengen, und zwar so, daß die Längsrichtung des (sechsjochig geplanten) Mittelschiffs der Breite gegenüber an Gewicht gewinnt. Dissertation, S. 81 f.

Obwohl der gesamte^i Chorbogen wohl dem Chorhau angehört, sind also die malerischen Effekte durch andere Überlegungen erzeugt, als man bisher annahm. Daß diese Tatsache bisher übersehen wurde, liegt daran, daß es in der gesamten Literatur keine genauen Grundrisse der Franziskanerkirche giht. Eine provisorische Skizze (Ahb. 51) ist zur Erläuterung beigefügt; ob es sich um eine den Tatsachen ent sprechende Darstellung handelt, könnte nur eine trigonometrische Neuaufnahme der Kirche feststellen. Der Grund der Achsenverschiebung beim Neubau des Chores ist höchstwahrscheinlich auf das Bedürfnis einer neuen Orientierung zurückzuführen^^. Hiermit kommen wir wieder auf die Frage der Wieder verwendung der alten Fundamente. Es ist höchst unwahrscheinlich, daß der Chor der spätromanischen Kirche in dieser Weise schräg zum Langhaus stand, da er nur 15 Jahre früher als dieses, das heißt eigentlich ohne Bauunterbrechung, errichtet wurde^®. Ohne das Ergebnis neuer Ausgrabungen kann nur mit Wahrscheinlichkeit folgendes gesagt werden; obwohl das Breitenmaß der äußeren Seitenschiffs grenzen des neuen Chores auf den romanischen Bau Rücksicht nahm, wich der Neuhau in allen anderen Beziehungen ab. Dennoch ist ein anderes Hilfsmittel bisher unbeachtet geblieben, das uns über den Chor des 13. Jahr hunderts weiteren Aufschluß geben kann. Ein Teil des ursprünglichen Baues wurde (nach dem Plan wechsel im 15. Jahrhundert - darüber später) in den neuen Chorbau aufgenommen, nämlich das roma nische Portal, das sich jetzt in der Vorhalle unter dem Turm befindet. Da mit einer nachträglichen Versetzung des Portals an dieser Stelle gerechnet werden muß, sind genaue Messungen erforderlich, um festzustellen, oh dieser Teil der Wandfläche mit dem alten oder mit dem neuen Bauwerk in Zusammen hang steht^^. Daß hier romanische Teile wiederverwendet wurden (ob versetzt oder nicht), läßt uns weitere Schlüsse über die wahrscheinliche Baufolge ziehen. Vor dem Planwechsel können von Fuhrmanns sechsjochigem Neubau^® nur die Teile östlich der jetzigen westlichen Chorpfeilerachse zur Ausführung gekommen sein - und zwar nur bis zu einer bestimmten Höhe, nämlich bis dorthin, wo die acht Dienste leer auslaufen, die die Hauptdienste der beiden Chorkapellen gegenüber dem Chorpfeilerquadrat flankieren^®. Daß das westliche Joch des neuen Chores (Ahh. 53) ein Teil einer später zu vollendenden Hallenkirche sein kann, ist durch zwei Tatsachen völlig ausgeschlossen. Die Form der Mittelschiffspfeiler an der Westwand entspricht nicht der der Freipfeiler; weder lassen sie selbst sich als Freipfeiler verwenden, noch lassen sich die Bögen, die hier an der Westwand von diesen Pfeilern getragen werden, mit einem Das Bundesdenkmalamt Salzburg hat mit der Möglichkeit gerechnet, daß der untere Teil des Chorbogens einer viel früheren Zeit angehören könnte als der obere (briefliche Mitteilung des Herrn Landeskonservator Dr. Theodor Hoppe). 12 H. Nissen, Orientation, 3 Bde., Berlin 1906-1910; Hasak, in: Zeitschrift für Christliche Kunst, 1912, XXV, S. 90; J. Sauer, Symbolik des Kirchengebäudes, Freiburg i. Breisgau 1924, S. 293. Es ist das Verdienst Hasaks, eindeutig darauf hingewiesen zu haben, daß der Knick in der Achse nicht auf die Unfähigkeit der mittelalterlichen Instrumente oder Baumeister, eine gerade Linie abzustecken, zurückzuführen ist. Vom Standpunkt des Architekten aus sind seine Behauptungen durchaus stichhaltig. Sauer (S. 295) lehnt zwar ein Gesetz der absoluten Orientierung im Mittelalter ab; man wird zugeben müssen, daß es nicht immer befolgt wmrde. Hasak gibt aber zwei Belege dafür (S. 92), daß ,,Verbesserungen" der Orientierung des älteren Bauwerkes, diesem Gesetz zufolge, vorgenommen worden sind. Vergleiche Nissen. Das Beispiel von Metz (F. X. Kraus, Geschichte der Christlichen Kunst, II, 1, S. 372; auch bei Sauer zitiert) besagt eindeutig, daß durch die Unfähigkeit des Architekten die Chorachse einen allzu starken Knick bekam, und nicht, daß der Knick als solcher nicht beabsichtigt gewesen wäre. Es handelt sich also um einen Orientierungsfehler. — Dagegen: Timmers, Symbolieken Iconographie der Christelijke Kunst, Roermond 1947, § 1398; deLasteyrie, in: Mein, de l'Acad. des Inser. et Belies Lettres 37, 1904, II, S. 277ff.; wiederholt in Bull. Mon. LXIX, 1905, S. 422. Die Symboliker wollen in dem Knick der Achse eine Darstellung der Neigung des Kopfes Christi am Kreuze sehen: Felicie d'Ayzac, Revue de l'art chretien IV, 1860, S. 595ff.; Auber, Histoire et theorie du symbolisme chretien, Paris 1884, III, S. 170ff.; sogar Viollet-le-Duc, Dictionaire raisonne, II, 58, schließt sich mit Vorbehalt dieser Meinung an. Im Falle der Franziskanerkirche ist Symbolik jedenfalls (wie im Falle der Pariser Kathedrale) völlig ausgeschlossen: es gibt hier keine Kreuzarme und das ,,geneigte Haupt" entspricht der Hälfte des Leibes der Kirche. Außerdem, eine ,,Symbolik", die nicht sichtbar wird, absichtlich verschleiert wird, ist gegenstandslos. — Weiter: E. Male, L'art religieux du XIII siede en France, Paris 1923, S. 21, Anm. 4 (deutsche Ausgabe: Die kirchliche Kunst des XIII. Jahrhunderts in Frankreich, Straßburg 1907, S. 33); Rene Fage, in: Bull. Mon. LXXXIII, 1924, S. 85; bei Bandmann ist über diese Frage nichts gesagt worden. Zusammenfassend kann mit Gewißheit nur folgendes gesagt werden: die Achse des neuen Chores der Franziskanerkirehe ist, wie in vielen anderen Fällen, schräg zu der des Langhauses angelegt worden, und zwar mit Absicht. Ein möglicher Grund hierfür können städtebauliche Überlegungen gewesen sein, wahrscheinlich aber war die Orientierung maßgebend. ^2 Martin, Kleine Kunstführer, S. 2: ,,bereits erbauten" Chor, erwähnt 1208; Weihe der Kirche 1223. Dieses Portal ist wohl als Südportal des nicht ausladenden Querschiffes des älteren Baues anzusehen. Diese Annahme paßt gut zu der später vorgeschlagenen Baufolge, nach der zuerst der Chor allein, d. h. der Teil östlich von diesem Joch, umgestaltet wurde und erst nach der Planänderung dieses bis dahin stehen gebliebene, romanische Joch umgebaut wurde, um den Anschluß an das Langhaus gestalten zu können. Siehe Anmerkung 4. Baldass, Dissertation, S. 55 ff.

y 52. Salzburg, Franziskanerkirche, Blick aus der Langhausachse (Foto Marburg) 53. Salzburg, Franziskanerkirche, Blick in der Verlängerung der Chorachse (Foto Marbiu'g) Hallenraum vereinbaren. Fuhrmann versucht vergebens^', am Choraußenbau Beweise für das beab sichtigte Weiterbauen zum Langhaus hin in spätgotischer Zeit zu finden; im Innern aber ist hiermit ein Planweohsel schon während des Chorbaues nachgewiesen. Demnach wurde der Chor als eine für sich abgeschlossene Einheit vollendet. Der Knick in der Längsachse und seine architektonische Korrektur sagen noch mehr über die Baufolge aus. Denn zu dieser Korrektur gehört auch die Stellung des Ostfensters. Von der Mitte des Westportales aus gesehen (Abb. 52), wird das Ostfenster von dem Ostpfeiler des Chores axial überschnitten; beide liegen aber nicht auf der Achse des Langhauses. Dagegen von der Achse des Chores aus gesehen (Abb. 53), ist es nach rechts (Süden) gegenüber dem Ostpfeiler verschoben. Dieses Fenster befindet sich also auf einer dritten Achse, die von der Ostfenstermitte über den Ostpfeiler zur Mitte des Westportals verläuft (auf den Zeichnungen punktiert) Um völlig zu verstehen, daß hier ein Problem vorlag und daß es durch diese Korrekturen gelöst wurde, ist es nötig, sich das Gestühl des 19. Jahrhunderts wegzudenken. Dieses Gestühl stört den Eindruck Baldass, Dissertation, S. 78. Der plastische Maßwerkfries unter dem Dachgesims, das aus kettenartig aneinandergereihten Dreipässen besteht, läuft nur an der Nord-, Ost- und Südseite des Chores herum, wird also an der Westwand nicht fortgesetzt. Fuhrmann sah hierin einen schon von Baldass widerlegten Beweis, daß beim Abschluß des heutigen Chores noch daran gedacht wurde, auch das Langhaus neu zu gestalten. Ohne eine trigonometrische Aufnahme ist eine genaue Beschreibung der Sachlage hier nicht möglich. Es scheint sicher zu sein (nach den vorhandenen Grundrissen und einem Vergleich mit der Landshuter Heiliggeistkirche), daß Hans von Burghausen den Ostpfeiler dadurch optisch eingebunden hat, daß er Fluchtlinien einhält, die vom östlichen Chorfreipfeilerpaar über diesen Pfeiler zu den Dreiviertelsäulen neben der Ostkapelle führen (vgl. Abbildungen 52 und 53). Hierbei ergibt sich ein System von zwei sich mit der Spitze berührenden Dreiecken, das schon beim Abstecken des Grundrisses festgelegt wurde. Dies schließt eine Verschiebung der Freipfeiler gegen die östlichen Halbsäulen bzw. die Kapelle theoretisch aus, d. h. diese muß genau auf der Achse des Chores liegen. Ob das Fenster auf der Wandfläche verschoben ist, ist ohne genaue Messung schwer zu bestimmen.

54. Salzburg, Franziskanerkirche, Gewölbe des westliehen Chorjoohes (Foto Marburg) erheblich, durch die damit gegebene Überbetonung der Achsen der beiden Raumteile und durch die Versperrung der freien Bewegung im Langhaus. Der Eindruck beim Eintritt von Westen wird unmittelbar durch die Ostsäule und die Überschneidung des Ostfensters bestimmt. Hier, in der Mitte des Westportals, befindet man sich auf der Achse des Lang hauses. Weil die seitlichen Freipfeilerpaare des Chores (und damit die Achse des Chores) von hier aus nicht oder kaum in Erscheinung treten, wurde der Meister genötigt, das Ostfenster in die Achse West portal = Ostpfeiler zu legen. Steht man aher erst im Langhaus und kann sich hier frei bewegen, wird man von dem beherrschenden Chorbogen zur Orientierung auf die Achse des Chores geleitet, und damit wird der Übergang von einer Achsenrichtung zur anderen verschleiert. Daß das Fenster auf das Westportal Rücksicht nimmt, bedeutet unwiderleglich, daß es, und damit der obere Teil der Außenmauer des Chores, erst ausgeführt wurde, als die Beibehaltung des Langhauses beabsichtigt war. Wenn Buchowiecki mit der Bezeichnung ,,Eronbogen" den Chorbogen meint^® und dieser tatsächlich aus Granit erbaut ist, dann ist dies ein weiterer Beweis dafür, daß seine Errichtung nicht als Provisorium gedacht war, sondern daß er erst in Angriff genommen wurde, als die Erweiterung des Hallenraumes, nach dem Entwurf von Hans von Burghausen, endgültig aufgegeben worden war. Eine feste Datierung des Chorbogens ist vorhanden. Nach freundlicher Mitteilung des Herrn Landes konservators Dr. Theodor Hoppe befindet sich am nördlichen Pfeiler ein 1446 datiertes Sakraments häuschen, das aus einer einfachen ausgestemmten rechteckigen Öffnung mit gemalter ümrahmung besteht^®. Er ist der Meinung, daß dieses Sakramentshäuschen weder zum Hochaltar des spätromanischen Baues gehört haben kann^^ noch zum Hochaltar im neuen Chor, da dieser etwa 20 m davon entfernt liegt. Er nimmt daher an, daß das Sakramentshäuschen zu einem während der Bauzeit des gotischen Chores aushilfsweise aufgestellten Hochaltare gehörte, der an einer das Langhaus von der Baustelle im Chor trennenden provisorischen Abschlußwand stand. Zu einem solchen Altar hätte das Sakraments häuschen die richtige Lage, und für ein Provisorium scheint auch seine billige Ausführung (gemalte Buchowiecki, a. a. O., S. 145. Briefliche Mitteilung des Herrn Landeskonservators Dr. Theodor Hoppe. Da seit den Zwanzigerjähren des 15. Jhs. Nachrichten vom damals schon begonnenen Neubau des gotischen Chores vorliegen.

Umrahmung) zu sprechen. Der purpurrote Grund, welcher diese gemalte Umrahmung umgibt, ließ sich am nördlichen Chorhogenpfeiler in Resten um die abgefaste Kante herum bis auf die dem Langhaus zugekehrte Wandfläche, welche jetzt das große Kruzifix trägt, feststellen, wodurch bewiesen wird, daß der Chorbogenpfeiler auch in seinen unteren Teilen den heutigen Querschnitt schon 1446 aufwies. Hieran ist nicht zu zweifein. Wichtig ist, daß sich die farbige Fassung nur auf der Westseite des Chorhogenpfeiiers feststellen ließ. Hart gegen die Ostseite des Chorbogenpfeilers müssen wir uns also den Bretterverschlag der provisorischen Abschlußwand angebracht denken. 1446 ist damit als terminus post für die Einwölbung anzusehen. Höchstwahrscheinlich war die Ostwand vor dieser Zeit bis über das Fenster fertig gewesen, da seine Aufmauerung Rücksicht auf den Blick vom Westportal nehmen mußte. Mit Hilfe des dargelegten Sachverhaltes können die bisher festgelegten Anhaltspunkte der Baugeschichte mit annähernder Sicherheit interpretiert werden. 1408 ist beurkundet, daß der Pfarrer ein Viertel der Kirchensammlung für den Bau bis zu dessen Voll endung abtritt^^. Diese Tatsache dürfte daraufhindeuten, daß ein Neubau 1408 erst geplant worden war. Der Baubeginn - von weiteren Stiftungen abhängig — könnte dann erst beträchtlich später anzusetzen sein. Daß die Kirche sich zur Zeit der Stiftung von 1422^^ jjjj befand, ist jedenfalls anzunehmen. Nach dem ersten sechsjochigen Entwurf von Hans von Burghausen^^ konnten nur die vier Freipfeiler und nicht mehr als die unteren Teile des Ghorschlusses mitsamt zwei geraden Jochen zur Ausführung gekommen sein. Zu dieser Zeit standen wahrscheinlich noch größere Teile des romanischen Querschiffes mit dem Südportal. Zu einem gewissen Zeitpunkt, wobei ein Termin noch vor 1432 (das Sterbedatum Hans von Burghausens) keineswegs ausgeschlossen ist^®, wird endgültig beschlossen, die sechsjochige Kirche nicht auszuführen und den Chorbau nunmehr als selbständigen Bauteil abzuschließen. Das bedingt eine Änderung des ursprünglichen Gewölbesystems zugunsten einer Zentralraumwirkung; man verzichtet auf die Scheidbögen zu den Seitenkapellen, und damit verliert die ursprüngliche Dienst gliederung ihren Sinn (vgl. Anm. 7). Da in den zu dieser Zeit ausgeführten Bauteilen kein Anschluß an das nun beizubehaltende Langhaus vorgesehen war, mußte das jetzige Westjoch des Chores als Anschluß joch noch hinzukommen und in seinem Aufbau für einen harmonischen Abschluß des Chores nach Westen hin gesorgt werden. Teile des romanischen Baues werden nun infolge der Einschränkung des Bauvorhabens verwendet. Als Anschlußhilfsmittel bedingt, wird zunächst der Chorbogen eingezogen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß während seiner Errichtung ein Meisterwechsel stattfand, da die Form in ungefähr Zweidrittelhöhe geändert wird, und zwar im Sinne des Übergangs vom ,,weichen" zum ,,eckigen" Stil. In seinem unteren Teil entspricht die schlicht abgeschrägte Ecke dem Stil Hans von Burghausens. Daß ein Planwechsel innerhalb der Lebenszeit eines Meisters vom Auftraggeber verlangt wird, ist nicht ausgeschlossen, wohl aber, daß ein Meister in der Ausführung eines einzelnen Baugliedes den Stil selbst so schroff ändert. Deswegen wird man den Formenwechsel mit dem Tode des Hans von Burghausen in Zusammenhang bringen müssen. Nach 1432 wurde also der obere Teil des Chorbogens abgeschlossen und die Außenwände bis zur Höhe des Gewölbeansatzes, einschließlich des Ostfensters, bis 1445/46 fertiggestellt. Zu dieser Zeit schließt man den Chor vom Langhaus mit einer provisorischen Wand hart an der Ostfläche des Chorbogens ab, und bringt das provisorische Sakramentshäuschen hinter dem vorübergehend aufgestellten Hochaltar an. Nicht zufällig wird wohl die erste einer Reihe von Altarweihen 1449 von den Steinmetzen, Maurern und Zimmerleuten veranlaßt^®; diese Weihung kann auf die Einwölbung bezogen werden: entweder ließen die Steinmetzen den Altar vor der Einwölbung 22 Hanfstaengl, a. a. O.. S. 12; Baldass, a. a. 0., S. 40. 23 Hanfstaengl, a. a. O. 2^ Ungeachtet seines Auftrages. Auch wenn zunächst nur der Chorbau vorgesehen gewesen sein sollte, so wäre der erste Entwurf trotzdem auf die Erweiterung dieses Chores zu einer sechsjochigen Hallenkirche abgestimmt gewesen. 23 1429 ist die Rede vom Bau des Chores, siehe Argumentation von Baldass, oben S. 8. Urkunde bei Hanfstaengl, S. 12. Hiermit in Zusammenhang darf erwähnt werden, daß der Baubeginn in der langen Regierungszeit Eberhards III. (1403-1427) stattfand. Ihm folgt Eberhard IV. und schon 1429 Johann II. Das Verhältnis dieser letzten beiden Fürstbischöfe zur Stadt und Bevölkerung bedarf vielleicht geschichtlicher Untersuchung: Die Regierungsübernahme durch einen autokratischen Fürstbischof dürfte als Anlaß zum Planwechsel gedient haben, da der ursprüngliche Plan der Franziskanerkirche, damals noch Pfarrkirche der Stadt, eine Kirche ergeben hätte, die die Fürstbischöfe bestimmt als baukünstlerische Konkurrenz zum Dom hätten ansehen können. Solchor Erwägungen halber entstand z. B. unter Max Gandolf 1670 der Turmhelm; er wurde mit einer niedrigen welschen Haube versehen, weil er die Höhe des Domturmes nicht übertreffen sollte (Franz Fuhi-mann, Kirchen in Salzburg, Wien 1949, S. 36, § 12). 23 Greinz, Kurie und Stadtdekanat zu Salzburg, Salzburg 1929, S. 186 (auch bei Martin, Kleine Kunstführer) nach Stainhauser, Manuscript ex 1594, S. 577-681.

errichten, gleichsam als Einweihung beim Beginn der Arbeit, oder zum Dank nach der ersten gelungenen Ausschalung. 1452 fangen die nächsten Altarstiftungen an, und vor 1454 sind schon sechs neue Altäre geweiht^'. Diese Altäre sind aller Wahrscheinlichkeit nach schon in dem neuen Chor geweiht worden, denn der äußerste terminus ante für die Einwölbung ist mit 1456 durch die Malereien an einem der Chorpfeiler gegeben^®. Während die Lehrgerüste zur Einwölbung des Chores noch standen, ist die Verputzung der Pfeiler undenkbar und erst recht das Anbringen so sorgfältig ausgeführter Malereien. Nach der Überlieferung wurde der Hochaltar samt der Kirche 1460 geweiht^®. Dieses Datum ist wohl als das endgültige Vollendungsdatum der Arbeiten am Chor anzusehen. Die Überlieferung über den zweiten, den Chorbau vollendenden Meister®" - wohl Stephan Krumenauer - paßt gut zu dieser Annahme. Er nennt sich zuletzt 1459 als ,,Maister der stift zu Salltzburg" und stirbt im Juni 1461. Der Turm von 1486 — 1498 ist ein neues Bauvorhaben, wodurch das bis dahin freistehende romanische Südportal zum Turminnenportal wurde. Zuletzt muß betont werden, daß die barocke Lichtwirkung in hohem Maße den ümbauten der Barockzeit selber zuzuschreiben ist. ünter Wolf Dietrich (1587-1612) ist die Lichtzufuhr von Chor und Langhaus reduziert worden®^. Es ist deshalb zuerst nötig, sich ein klares Bild von den Lichtverhältnissen beim Abschluß des Chorbaues 1460 zu machen. Damals stand die ganze Kirche frei und das spätromanische bzw. frühgotische Langhaus wäre reichlich mit Licht von nach außen frei sich öffnenden Obergaden fenstern durchflutet worden. Der Chor hatte in beiden Geschossen Fenster. Durch die An- und ümbauten Wolf Dietrichs wurde aber das direkte Licht des Chores durch das Zumauern der unteren Fenster verringert - eine Tatsache, auf die immer hingewiesen wird - und das direkte Licht vom Langhaus überhaupt abgeschnitten (vom Westfenster abgesehen). Das Hochschiff bekommt seit dem Einziehen der Emporen über den Seitenschiffen kein anderes unmittelbares Licht. Die Veränderungen der Barock zeit bedeuten also für die Lichtverhältnisse im Chor eine Abnahme an Helligkeit, für das Langhaus eine fast völlige Ausschaltung des direkten Lichtes; während sich das Licht im Chor und Langhaus in spät gotischer Zeit wie sehr hell zu hell verhielt, verhält es sich seit der Barockzeit wie hell zu dunkel. Das Chiaroscuro darf keinesfalls als Absicht der Spätgotik angesprochen werden: der ursprüngliche Entwurf von 1408 sah die Zweiteilung des Baues überhaupt nicht vor, und die abschließende Lösung von 1460 war von anderen Gesichtspunkten bestimmt worden und wirkte in ihrem spätgotischen Zustand sicher weniger dramatisch als heute®®. Vgl. Anmerkung 26. Tietze, a. a. O., S. 89; Martin, Kleine Kunstführer, S. 4. 29 t4reinz a a 0 P P Ortmayr Stephan Kmmenauer, in : Christliche Kunstblätter, 1938; Urkunden des Stadtarchivs Wasserburg, veröffentlicht in: Kunstdenkmäler des Königreichs Bayern II (Wasserburg), 1895; Baldass, a.a.O., S.42f.; Martin, Kleine Kunstführer, S.4. 31 Baldass, a. a. O., S. 49ff.; Tietze, a. a. O., S. 74f., 82, 89 (Keller, a. a. D., S. 15) -o.t-.tt 33 Die Anregung zu dieser Untersuchung gab eine Exkursion der Universität Marburg unter Leitung von Herrn Prot. Dr. Usener. Zu Dank bin ich auch Herrn Prof. Dr. Hamann Mac Lean für die Durchsicht des Manuskripts verpflichtet.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2