Österreichische Zeitung für Kunst und Denkmalpflege

Aus den Bauten eines hölzernen Amphitheaters, dann einer prunkvollen Orangerie, ging seit 1709 der Zwinger hervor, in dem plastische und architektonische Elemente eine ganz unscheidbare, auf einer originellen Verschmelzung beruhende Einheit bilden. Die Bauteile sind hochplastisch, die »Skulpturen absolut architekturgebunden gebildet, das Ganze füllt eine mifaßbare Räumlichkeit aus (man durchschreite offenen Blicks den Wallpavillon). Die intime Verschmelzung von Natur und Kunst macht das Nymphenbad zu einer Vision des irdischen Paradieses. Bei der grauenvollen Zerstörung Dresdens in den letzten KricgswiiTen fiel auch der Zwinger in Schutt und Asche; sein Wiederaufbau war ein gewaltiges Werk. An den Fassaden wurde alles in getreuer Kopie wiedererstellt, die Dekoration der Innenräume mußte sich mit manchen Andeutungen begnügen. Denn hier sind durch den Krieg Substanzen zerstört worden, die unwiederbringlich für immer verloren sind und für die es überhaupt keinen Ersatz geben kann; wer wollte und könnte für die eingestürzten, einst buntfarbigen, das Gewölbe kühn belebenden Apotheose-Fresken ein Surrogat finden? Aus dem laut-heroischen Hochbarock ist nun ein still-melancholischer Nachbarock geworden. Der Krieg hat kaum wo tiefere Wunden geschlagen. Das Büchlein ist gefällig und sehr reich mit guten Abbildungen ausgestattet, der Text Löfflers ist gründlich, er bleibt realistisch auf das Objekt und seine Geschichtsdaten gerichtet — ähnlich wie das im gleichen Geiste geschriebene große Buch ,,Das alte Dresden" (Dresden 1955) vom gleichen Autor. Zur Kultur- und Geistesgeschichte wäre noch viel zu sagen. Franz Eppel ElisaVieth Roth: Der volkreiche Kalvarienberg in Literatur und Kunst des »Spätmittelaltors, Philo logische »Studien und Quellen. Berlin 1958 Die Autorin hat sich ein überaus hohes Ziel gesteckt, nämlich die geistosgeschichtliche Ausdeutung eines spätmittel alterlichen Bildtypus, des figurenreichen Kreuzigungsbildes. Dabei geht sie durchaus besonnen zu Werke: sie schlägt zwei Brücken — die eine vom Kunstwerk, die andere von der über lieferten Litei'atur her —, steckt ihr Thema eindeutig ab, sucht geflissentlich frühmittelalterliche Vorformen des Themas, prüft Fragen der Überlieferung und des Nachlebens, dos Ein flusses und der landschaftlichen Charakterunterschiede, und dies alles zusammen, im einzelnen ausführlich vorgelegt, soll erst den Grundstock zu dem Thema bilden: ,,Aus der Gesamt struktur der Zeit soll das neue Sehen begriffen werden" (S. 124). Mit enormer Diszipliji verfolgt die Autorin ihren Weg. Der Ursprungsmöglichkeiten sind überaus viele und die Kommuni kation von Kulturerscheinungen liegt — oftmals sogar für den Zeitgenossen — tief verschüttet, ihre Kausalität ist letztlich eine Ermessensfrage. Dennoch gelingt es Roth, beispielsweise die Priorität des vielfigurigen Kunstwerks (in Bild und .Schrift) vor dem Passionsdrama zu klären und so manche den Kunst gattungen und Lebensäußerungen gemeinsame Ursachen vor sichtig aufzudecken, etwa das ,,Viel-8ehen-Wollen" im 14. Jh. Die »Stärke der Autorin besteht darin, das konkrete Beispiel hierbei immer sogleich zur Hand zu haben. Bei der letzten geistesgeschichtlichen Folgerung kann die allzu enge Bindung an den ,,Text" freilich hemmend wirken und der erstrebte letzte »Schritt kann nicht getan werden; das ist be dauerlich bei so gründlicher und verdienstvoller Sachkenntnis. Etwa dennoch gewagte Deutungen zerstieben dann ins All gemeinste und sagen, als letztes Wort genommen, zu wenig aus. Worringer und Binder (,,Die dichterische Wurzel der Pietä"), aus deren Schule die Autorin offensichtlich stammt, haben eben auch noch in dem Allgemeinen sicher und streng Spezifika umrissen. Franz Eppel Jeanette Hills: Das Kinderspielbild von Bieter Bruegel d. Ä. (1560). Veröffentlichungen des Österreichischen Museums für Volkskunde, Band X, Wien 1957 Die neue Wiener Schule für Volkskunde geht unbeirrt und realistisch ihren Weg, indem sie aus dem Wust an überholten »Spekulationen erst einmal den dinglichen Bestand an Fakten freizulegen versucht. Immer schon waren Bruegelbilder für den Formensucher ein dankenswertes Objekt, und die Ge schichte ihrer Erforschung läuft deshalb bezeichnend parallel zur Geschichte jener noch jungen Wissenschaft. Die amerikanische Dissertantin Jeanette Hills kennzeichnet mit ihrer Arbeit unmißverständlich den heutigen »Stand der Dinge: von Nr. 1 bis 78, fast ohne Einleitung und gänzlich ohne »Schlußfolgerungen, beschreibt die Autorin, welche »Sj^iele auf dem figurenreichen Bild ,.Kinderspiele" (1650) zu erkennen sind. Sie erklärt haargenau, daß man den ganzen Bruegel durchturnen könnte (bis an die ,,vom Maler des 16. Jhs. oft überschrittenen Grenzen dos vom modernen Gesichtspunkt aus gegebenen Schicklichkeitsgefühls", S. 41). Diesen Er klärungen liegt ein genaues »Studium der 215 ,.Spiele" zu grunde, die Rabelais 1535 in seinem ,,Gargantua" erwähnt. Dieses absolut positivistische ,,Lesen" eines Kunstwerks, aus schließlich von außerkünstlerischen Interessen getragen, erreicht sein gestecktes Ziel. Das Kunstwerk wird nicht als solches behandelt, im Gegenteil, es wird verleugnet und zum Bilderbogen gemacht. Es wird morphologisch einwandfrei gelesen, und das ist bei solcher Zielsetzung ein wünschbarer Gewinn. Leopold Schmidt, der Herausgeber der ungemein ver dienstvollen Publikationsreihe, macht dies in seinem voran zustellenden Nachwort überzeugend klar. (Daß Bruegel auch in Kunst und Metaphysik etwas zu sagen hat. sollte jedoch nicht unerwähnt bleiben.) Franz Eppel Gerolf Coudenhove: Die Wiener Pestsäule, Versuch einer Deutung, mit einer Abhandlung: Die Dreifaltig keitssäule als Kunstwerk von Wilhelm Mrazek, Herold, Wien-München1958 In einer interessanten »Studie versucht der Autor, über die konventionelle Zwecksetzung des Denkrnalos und die — ent sprechend der Bestimmung als einer der Heiligsten Dreifaltig keit geweihten Votivsäule — erfolgte Gliederung nach der Dreizahl hinaus ein mehrschichtiges Programm zu erkennen, wodurch ,,die archisch-sakrale Aufgabe des Herrschers und zugleich das besondere Staats- und Gesellschaftsideal des barocken Österreich ... in Bildern und Symbolen sichtbar" gemacht werden könne. Dem eigentlichen Thema sind geschichtsi^hilosophische Betrachtungen (Yang und Yin, Kratie und Archie) vorangestellt, in welchen die Deutung geistig wurzelt. Der Abschnitt: ,,Die Dreifaltigkeit als Kunstwerk" von Wilhelm Mrazek gibt eine kurze und klar gefaßte kunstund geistesgeschichtliche Analyse des Denkmales (mit den wichtigsten Daten über Entstehung und Künstler). Die von Paul Auer stammenden Photos bringen vor allem wichtige Details. Gerhard Bittner

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